Man muss sich das ja nicht so vorstellen als gäbe es bei uns so etwas wie einen Wochenplan, nach dem den einzelnen Hobbys nachgegangen wird. So a la „montags Singkreis, dienstags basteln“ und so weiter. Nein, weit gefehlt. Bei uns dominiert der Sport zu jeder Tageszeit an jedem Tag und bei jedem Wetter. Exemplarisch habe ich ´mal eine Woche rausgegriffen:
Montag
Wir befinden uns in der CD-Abteilung eines Elektronik-Fachgeschäftes. Hier haben wir ein paar pädagogisch sinnvolle „Was ist was?“-CDs ausgesucht, in die der Nachwuchs ´mal reinhören möchte. Ich zeige dem Junior, wie man sich den riesigen Kopfhörer richtig aufsetzt, den BAR-Code einer CD eingescannt und eine auch für die Umgebung angenehme Lautsärke einstellt. Dann mache ich mich auf den Weg in die Jazz-Abteilung. Dahin sind es nur ein paar Schritte. Noch fünf, noch vier, noch … „MAMA“, höre ich den Zwerg laut rufen. Seufzend mache ich auf der Hacke kehrt: „Ja, was ist denn?“ „Mama, die haben gar nicht gesagt, wer der Sieger ist!“, sagt er enttäuscht. Ich: „Wie?“ Er: „Die haben ein Wettrennen gemacht und auf die Plätze, fertig, los gesagt und jetzt sagen die gar nicht, wer gewonnen hat.“ Ich schnappe mir die CD und lese den Titel „Mein Körper“. „Tja,“ sage ich, „das mit dem Rennen waren wahrscheinlich Viren oder so. Das haben die nur so erzählt, damit man sich das besser vorstellen kann. Na, nimm einfach eine andere.“ Wir haben dann die Polizei-CD gekauft.
Dienstag
Nachmittag. Wir sitzen im Auto. Vom Rücksitz eine kleine erwartungsvolle Stimme „Mama?“ „Ja?“ „Werd ich ´mal Weltmeister?“ „Das weiß ich leider nicht. Aber wenn du das gern möchtest, halte ich dir die Daumen.“
Mittwoch
Wir sind im Eis-Café. Nach dem Eisessen müssen dringend die Hände gewaschen werden. Der Blonde möchte seine Hände unter dem Luft-Püster trocknen. „Mama?“ „Ja?“ „Was steht da?“, fragt er und zeigt auf den Püster. „Air Star“, antworte ich. Er überlegt kurz und meint dann: „Cool. ER-STER!“.
Donnerstag
Englisch-Unterricht für Kleinkinder finde ich blöd-bildungsbürgerlich, zu teuer und schlichtweg überflüssig. Mein Sohn ist da anderer Auffassung und besteht auf einer Probestunde. Ich dackel mit ihm los und sitze während der 45 Minuten im Nebenraum. Was ich raushöre ist ein Lied mit dem Text „What´s your name, what´s your name?“. Abends beim Zubettgehen will ich natürlich wissen, ob denn irgendwas vom Englisch hängen geblieben ist. „Und“, frage ich den frisch-gebackenen Fremdsprachen-Schüler, „weißt du noch irgendwas, was ihr heute in Englisch gemacht habt?“ „Nein“, meint mein Sohn vollkommen ungerührt. Also versuche ich es mit dem Einzigen, das ich gehört habe und fange an zu singen: „What´s your name, what´s your name?“ Und da strahlt der kleine Sportler plötzlich und ruft begeistert: „My name is … Faris Al-Sultan!“. Na, dann steht se Beginning off enn internäschenell Kärieher ja nicht mehr viel im Wege.
Freitag
Aus gegebenem Anlassen klären wir noch ´mal, dass nach dem Seepferdchen nicht automatisch Schluss mit Schwimmen lernen ist. „Also“, sage ich, „dann kann man noch weiter machen und Bronze, Silber und Gold machen. „ Und während ich noch Luft hole, um das Ganze zu erklären, hat der Junior sich schon entschieden: „Ok, Mama, dann mache ich noch Gold.“
Samstag
Mittags gibt´s nur kalt. Mann und Kind haben genüsslich ein paar Brote verspeist und ich frage, ob sie noch mehr möchten. „Nein, danke.“ sagen beide unisono. Ich nehme die Teller und drehe mich zur Küche. „Mama,“ ruft der Zwerg fröhlich, “kannst du mir bitte noch ein Bier bringen? Und das Faris Al-Sultan-Glas!“ Klar, wird gemacht, einmal Malzbier und das Fan-Glas.
Sonntag
Mama hat Cross-Duathlon. Papa und Sohnemann wollen mit. Das sind die einzigen Morgen, an denen der Kurze nicht trödelt. Er findet sogar noch Zeit, sein Handy in Form eines roten Feuerwehr-Funksprechgeräts an die Hosentasche zu klippen. Die Jungs fahren das Auto vor und ich springe schnell auf den Beifahrersitz. „Er“, sagt mein Mann und deutet mit dem Kopf Richtung Rückbank, „hat schon bei Faris angerufen, ob der auch kommt.“ „Und?“, drehe ich mich zu dem Handyträger um, “was hat Faris gesagt?“ Der kleine Blonde schaut mich treuherzig an und antwortet ganz ernst: „Der ist nicht rangegangen. Ich glaube, sein Handy ist kaputt“. „Schade,“ sage ich, „aber kann man nichts machen.“ Und dann fahren wir los.
PS:
Leider weiß ich nicht mehr, an welchem Tag mein derzeitiger Lieblingsspruch fiel:
"Mama?" "Ja?" "Mama, ich will nie ALKELLHOL trinken! Und ich will nie rauchen!" "Aha. Und warum nicht?" "Weil, ich will ein Super-Sportler werden."
Doch dein "Kurzer Blonder" und deine nette Schreibweise haben mich wieder zum Grinsen gebracht
Merci an euch 2
Und ich weiß was ich jetzt eigentlich werden wollte
Ein Püster -> Modell „Air Star“ dann steh ich als ER-STER!“ auch mal auf'm Siegertrepperl
Herrlich, man sollte öfter wie ein Kind denken, zumindest manchmal
Vor laaaanger Zeit hatte ich au mal'n richtig geniales Erlebnis mit 'ner ca. 5-jährigen.
Ich, nach'm Squashtraining nackig in der Umkleide.
Rubbelte kopfüber mit'm Frottie meine langhaarige schulterblattbedeckende-Bombenleger-Guns'n Roses Matte
Des Mäd'l (Papa ziehte sich auch grad um) blieb vor mir stehen, schaute mich mindestens 3x von oben bis unten an. Kehrtwend zum Papa, stellte sich vor ihn hin, deutete mit'm Fingerchen auf mich und sagte: "guck mal Papa, ne Frau mit'm Pipi"
Uns hat's dann sooo z'rissn
In dem Sinne, welcome to the Paradise City
Jürgen
__________________ Der schönste Song ist, wenn man wieder den gleichmäßigen Rhythmus seines eigenen Herzens hören darf
Bumm-Bumm- - Bumm- Bumm
Geändert von flotter3er (24.03.2011 um 16:49 Uhr).
Frau Groß kam mir damals eigentlich eher klein vor als sie sich im „Aktuellen Sportstudio“ zu Dieter Kürten hinüberlehnte und ihn zaghaft bat, ob man den Ton des Films wohl etwas leiser stellen könne. Und Dieter Kürten, die laut BILD damals deutsche Antwort auf Mutter Theresa, kam ihrem Wunsch umgehend nah. Es war Frau Groß offensichtlich schon unangenehm sich selbst im Film zu sehen, aber sich selbst auch noch zu hören wie sie im Jahr 1984 in Los Angeles auf der Tribüne stand und ihren Albatros-Sohn zum Sieg schrie, das war für sie schwer auszuhalten. Was hätte sie aber auch anderes tun sollen? Ihr Mann hatte sich an dem heißen, sonnigen Tag schon die Video-Kamera gegriffen und tat so ruhig und gefasst. In Wahrheit wollte er sich bestimmt nur an irgendetwas festhalten, das ihn dazu zwang, sich halbwegs gesittet zu verhalten. Da bin ich mir ganz sicher. Wohin hätte er auch sonst mit seinen Händen gesollt? Und so war Frau Groß denn ganz allein auf sich gestellt. Niemand da, dem sie hätte in den Arm kneifen können, ohne das Home-Video zu verwackeln. Da hast du eine Familie und bist doch ganz allein.
Seit gestern bin ich mir sicher, dass die Mütter am meisten leiden. Ich mag mir gar nicht ausdenken, wie das werden soll, wenn unser Kleiner groß ist. Am Samstag beim Lorsbacher Cross-Duathlon hatte der kleine Dicke aufgeschnappt, dass am Sonntag mehrere Läufe seien und er fragte, ob es auch einen Kinderlauf gäbe. Ja, gibt es, allerdings über einen Kilometer und das ist doch noch ein bisschen zu lang für einen viereinhalb-Jährigen, finde ich. Die Altersangaben in der Ausschreibung sind bezüglich des Mindestalters kryptisch und so fragen wir denn beim Veranstalter nach, ob die Angabe „Jahrgang 2002 und jünger“ auch bis runter auf den „Jahrgang 2006“ gedacht sei. Die Damen sind sehr nett, aber skeptisch: die Kinder müssen allein laufen, die Strecke hat Cross-Charakter und außerdem zwei Steigungen und ein Kilometer sei vielleicht noch ein bisschen zu lang bzw. der Drei-Käse-Hoch vielleicht noch ein bisschen zu klein. Er könne doch im nächsten Jahr dabei sein, ermuntern sie ihn, das wäre doch prima. Ich hocke mich neben den Junior und sage: „Siehst du, die meinen auch, dass du noch ein bisschen zu jung und die Strecke ein bisschen zu lang ist.“ Er zeigt sich unbeeindruckt und beharrt darauf, dass er mitlaufen will. „Gut,“ sage ich, „dann gucken wir uns jetzt die Strecke an“, und wir zockeln los. Die Strecke besteht aus zwei Runden und einem gemeingefährlichen abschüssigen Stück ins Ziel. Mir ist das alles gar nicht Recht. Insbesondere der Schotter am Start und Ziel auf der ganz schönen steilen Piste nach unten bereiten mir Kopfzerbrechen. Am Ende des Tages vereinbaren wir, dass Sohnemann sich das einfach noch einmal überlegen soll. Leider muss ich ihm auch den Zahn ziehen, dass das mit Pokal und Podest ganz bestimmt nichts wird, auch wenn er sich das so doll wünscht. Fast alle anderen werden größer, älter und schneller sein. Er überlegt, ob er aber nicht vielleicht den einen oder anderen doch überholen könne, weil, neulich habe er doch schon mal ein Schulkind überholt. „Ja,“ sage ich, „das stimmt. Aber das waren auch nur 400 Meter und es ging um nichts. Ich glaube, morgen ist das ein bisschen anders.“ „Wir können auch nur zum Zugucken hinfahren,“ verspreche ich ihm, und sage gute Nacht.
Sonntag Morgen. Mein Mann geht ins Kinderzimmer. Der Zwerg ist schon wach und sagt alles erstes: „Ich laufe mit.“ Nun denn, wenn man seinem Kind Entscheidungen überlässt, muss man auch mit dem Ergebnis leben. Die häuslichen Vorbereitungen verlaufen konzentriert und der Nachwuchs-Athlet entscheidet, welchen Sportdress, welches Startnummernband etc. er nimmt. Als wir in Lorsbach ankommen, gehen wir zur Anmeldung und er schreibt seinen Vornamen in das Anmeldeformular. Den Rest erledige ich. Er bekommt seine Startnummer und dann wird´s langsam Ernst. Da mittlerweile auch der Veranstalter gemerkt hat, dass das Zielstück gefährlich ist (ach was!), findet der Start nach Mädchen und Jungs getrennt statt, um das Starterfeld zu entzerren. Na, gut, habe ich halt noch ein paar Minuten länger, um nervös zu werden.
Endlich gehen die Jungs an den Start. Wurde auch Zeit, ich bin schon fix und fertig. Ich bringe den Junior an der Hand an die Startlinie. „Mama,“ fragt mein Sohn mich, „wo soll ich mich denn hinstellen?“ „Ach“, antworte ich, „bleib einfach hier so ein kleines Stückchen hinter dem Jungen hier.“ Oh, Mann, bin ich nicht doch eine Rabenmutter, dass ich das hier erlaube? Die Bengel sind alle so viel größer, und meiner ist auf einmal wieder so klein. Hätten wir ihm den Start hier nicht besser abschlagen sollen? Was, wenn er auf dem fiesen Schotter hinfällt und bitter enttäuscht in Mamas Armen liegt und schluchzt? Solche Erlebnisse wären doch im Alter von 6 oder 7 Jahren noch früh genug gewesen. Aber jetzt gibt’s kein Zurück mehr und ich laufe lieber schnell an die mir zugewiesene Stelle und warte auf die Meute.
Ich höre den Start über die Lautsprecher. Wie verabredet stehe ich in der ersten Kurve. Der Blondschopf kommt als Letzter des Feldes, ich rufe seinen Namen und er lacht freudestrahlend zu mir herüber. Sein Vater hat sich betreuungstaktisch so hingestellt, dass er ihn ungefähr nach der ersten Runde fragen wird, ob er nicht lieber aufhören möchte. Nein, er will nicht. Er kommt das zweite Mal vorbei, ich rufe seinen Namen und mache mit irgendeiner blauen, aufblasbaren Klatsche von zu Hause einen Mordsradau. Akkustische Unterstützung tut in dem Moment auch Not, denn der Zwerg ist hoch konzentriert und würdigt mich keines Blickes. Ich laufe zum Sportplatz hoch, um den Rest der zweiten Runde zu sehen. Die Großen sind schnell vorbei. Der Kleine kämpft mit rotem Kopf und liefert einen erbitterten Kampf. Am Ende des Sportplatzes geht´s in den Endspurt, der Junior zieht an und überholt. Vollgas den Schotter runter, dann auf das letzte Asphalt-Stück, lange Schritte, Arme mit. Laut anfeuernd laufe ich hinterher. Weiß der Geier, woher das Kind das hat. Im Zielkanal höre ich von allen Seiten ein „Guck ´mal, der Kleine da!“ und er bekommt einen Sonderapplaus. Der Athlet ist zufrieden, Vater und Mutter fallen die Steine nur so von den Herzen. Heil angekommen, keine aufgeschlagenen Knie, keine Tränen – aus Elternsicht ein erfolgreiches Rennen.
Wir ruhen uns aus, essen Kuchen und trinken Kaffee und Apfelschorle. Ich wundere mich, wie viele wildfremde Leute auf den Junior zukommen und ihm sagen, wie toll er gelaufen sei. Ich bin richtig gerührt. Da alle Kinder eine Urkunde bekommen, warten wir noch bis zur Siegerehrung. Wie gehabt erst die Mädchen, dann die Jungs. Die jüngste Schüler-Altersklasse ist die männliche E-Jugend. Während der Sprössling auf dem Strohhalm seiner Flasche Apfelschorle herummümmelt, geschieht das Wunder: Er wird als Drittplatzierter der E-Jugend-Schüler aufgerufen. Der Zwerg, der sich viele Dinge eigentlich nicht so traut, schon gar nicht allein, wenn alle Augen auf ihn gerichtet sind, geht gemessenen Schrittes zum Podest, klettert mit Hilfe einer netten Dame rauf und nimmt mit ernstem Gesicht seine Urkunde in Empfang. Die Menge johlt und als der Moderator auf das Geburtsjahr verweist, gibt es einen Extra-Applaus. Während der ganzen Zeit verzieht der kleine Dicke keine Miene. Er steht stramm wie ein Zinnsoldat und hält die Urkunde mit beiden Händen vor seiner Brust als hätte er das schon ganz oft gemacht. Drei Läufer hat er noch hinter sich gelassen. Ich mache die ganze Zeit Fotos und bin froh, dass ich die Kamera habe. Würde ich sonst nervlich alles nicht durchstehen. Arme Frau Groß, Sie hätten sich damals man auch besser eine mitgenommen. Erst als der Zwerg wieder beim Papa auf dem Schoß sitzt, sich an dessen Schulter kuschelt und der Papa ihm das mit der Schülerklasse erklärt, huscht ein zartes stolzes Lächeln über die kleinen speckigen Wangen.
Sollte es jemals richtig um die Wurst gehen, weiß ich nicht, ob ich live dabei sein möchte. Aber, mein Kind, Hauptsache du bist glücklich!