In den USA kennt man das längst unter dem Namen plea bargaining. Das ist ein - allerdings gesetzlich abgesicherter - Schuldhandel. Dort werden 90 Prozent aller Strafverfahren zwischen Anwalt und Staatsanwalt einvernehmlich geregelt und vom Gericht besiegelt, ohne Hauptverhandlung vor der Jury. Selbst in Mordsachen sieht sich mancher Angeklagte zum Geständnis genötigt unter dem Versprechen des Staatsanwalts, dafür auf die Forderung nach der Todesstrafe zu verzichten - mit der Folge, dass manch falsches Urteil gefällt wurde.
[...]
Die Risiken solcher Absprachen sind beträchtlich: Sollte das Gericht vom Deal zurücktreten, bliebe das Geständnis doch im Raum. Zudem droht bei Verweigerung einer Absprache eine wesentlich höhere Strafe. Mitunter wird allzu deutlich vom Vorsitzenden signalisiert: "Wollen wir uns verständigen oder wollen Sie ein Verfahren de luxe (nach der Strafprozessordnung)? Sie kennen ja den gesetzlichen Strafrahmen!"
[...]
Ausgehandelte Strafen könnten schuldunangemessen, Gebote der Fairness verletzt, das Öffentlichkeitsgebot unterlaufen, die Schöffen übergangen, unziemlicher Geständnisdruck ausgeübt und somit die Unschuldsvermutung und das Schweigerecht verletzt, Opferinteressen vernachlässigt, die obergerichtliche Kontrolle vereitelt sein.
Etwas OT - aber habe gerade in Svens Anwaltsblatt einen Interessanten Artikel hierüber gelesen
"Die geheimen contra legem Regeln im orentlichen Verfahren"
Zum eigentlichen Fall Harz jedoch sagt der Artikel wenig. Ich teile das Unbehagen des Autors - insbesondere angesichts der vielzahl Prominenter Fälle
Zitat:
Auf diese Weise konnten auch die beschuldigten Politiker im seinerzeit größten Korruptionsskandal wegen unrechtmäßig erlangter Parteispenden, mit denen Friedrich Karl Flick die politische Landschaft gepflegt hatte, ihre Strafverfahren hinter sich bringen. Ebenso entließ die Justiz Altkanzler Kohl aus dem späteren Parteispendenverfahren. Auf die gleiche Art gelang es im vergangenen November den Angeklagten Ackermann, Esser und vier weiteren im Düsseldorfer Mannesmann-Prozess, nach mehr als fünf Jahren des Verfahrens das Gericht mit reiner Weste zu verlassen - freilich um einige Millionen Euro erleichtert.
auch beim Berliner Bankenskandal empfinde ich das Ausmaß der juristischen nichtaufarbeitung erschreckend. Aus diesem allgemeinen (IMO berechtigten) Unbehagen jedoch auf den Konkreten Fall zu schließen erschreckt mich aus der Feder eines "Arthur Kreuzer ist Kriminologe und emeritierter Professor der Universität Gießen".
In den meisten Fällen hat die Justiz ja einen Ermessensspielraum. Auf diesen spiele ich damit an. Mir ist schon klar, dass das Gesetz IMMER gilt. Aber ich denke auch, wenn man's richtig angeht, dann würden solche Fälle eben anders ausgehen.
Und dann hätte man die Vorbildfunktion halt doch, wenn auch "erzwungenermaßen".
D. - der weiß, dass Rache nicht das richtige Mittel ist, angesichts der Entwicklung grade auf dem Wirtschaftssektor, dies aber hin und wieder mal vergisst.
Wenn ich dich recht verstehe, dann bist du doch der Meinung, dass er zu leicht davon kommt. Woran machst du das fest? Ist die Strafe wirklich außerordentlich milde? Ich bin kein Rechtsexperte - ich weiß das nicht - viele andere scheinen sich da sehr sich zu sein - auf welcher Grundlage?
Wie gesagt gibt es auch Strafrechtler die denken, dass er mit weniger davon gekommen wäre, wenn er nicht Hartz hieße.
auch beim Berliner Bankenskandal empfinde ich das Ausmaß der juristischen nichtaufarbeitung erschreckend
In diesem speziellen Fall unterstelle ich Justizia Befangenheit...
__________________ „friendlyness in sport has changed into pure business“
Kenneth Gasque
Zum Thema "Preisgestaltung Ironman":
"Schließlich sei Triathlon eine exklusive Passion, bemerkte der deutsche Ironman-Chef Björn Steinmetz vergangenes Jahr in einem Interview. Im Zweifel, so sagte er, müsse man sich eben ein neues Hobby suchen."
Wenn ich dich recht verstehe, dann bist du doch der Meinung, dass er zu leicht davon kommt. Woran machst du das fest? Ist die Strafe wirklich außerordentlich milde? Ich bin kein Rechtsexperte - ich weiß das nicht - viele andere scheinen sich da sehr sich zu sein - auf welcher Grundlage?
Wie gesagt gibt es auch Strafrechtler die denken, dass er mit weniger davon gekommen wäre, wenn er nicht Hartz hieße.
FuXX
Sagen wirs mal so Tobias: ich kann nicht aus meiner Haut. Letztens meinte ich scherzhaft zu meinen Eltern "IHR seid schuld, dass ich nicht hoch hinaus komme - IHR habt mich nicht zum Schwein erzogen!" Antwort war: "Ein Glück..." Und sie haben ja recht.
Ich sehe, was Hartz gemacht hat und was er einfädelt hat und dass er letztlich den Betriebsrat massiv bestochen hat. Nun mag das alles gesetzlich legal sein - moralisch ist es das für MICH nicht. Und daraus erwächst für mich halt meine Haltung.
Es gibt einfach immer wieder Urteile, in denen ein Promibonus gewährt wird, dass ich bei so einer Geschichte vielleicht zu schnell urteile. Mein Gerechtigkeitssinn ist jedenfalls nicht zufrieden...
__________________ „friendlyness in sport has changed into pure business“
Kenneth Gasque
Zum Thema "Preisgestaltung Ironman":
"Schließlich sei Triathlon eine exklusive Passion, bemerkte der deutsche Ironman-Chef Björn Steinmetz vergangenes Jahr in einem Interview. Im Zweifel, so sagte er, müsse man sich eben ein neues Hobby suchen."
Nun mag das alles gesetzlich legal sein - moralisch ist es das für MICH nicht. Und daraus erwächst für mich halt meine Haltung.
Wenn nicht ständig Leute moralische Grenzen überschreiten würden, bräuchten wir keine Gesetze
Dadurch, das Moral die Basis ist, auf der Gesetze letztlich aufbauen, hat jeder die Möglichkeit, eine allgemeingültige Messlatte anzulegen, die die Schnittmenge Gesetz-Moral halbiert. Weil Gesetze unterschiedlich ausgelegt werden und die moralischen Massstäbe von Mensch zu Mensch differieren, kommt es zu Abweichungen.
Mir ist das Hartz-Urteil nicht aus Gründen zu mild, die in Stammtisch- oder Bildzeitungsparolen begraben liegen, sondern weil ich, wohl ähnlich wie du, nicht zum (Charakter-)Schwein erzogen wurde und dementsprechend meine moralischen Ansichten wohl von denen Hartz´ abweichen und das Urteil meiner Meinung nach die Flexibilität der Gesetze in Richtung der laxeren Hartz´schen Moral beansprucht.
Dazu kommt, wie ich oben bereits angesprochen hab, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass ein Peter Hartz mit nichtmal geradezu lächerlichen 600000 Euro netto jährlich auskommen muss und ich nach dem Fall Ackermann schon gespannt war, wie milde diesmal das Urteil ausfiele.
Die Gefängnisstrafe auf Bewährung halte ich aus dem Grund für ne Farce, weil ich mich frage, wie Hartz die Möglichkeit haben sollte, nochmal so ne Posse zu reissen. Das ist doch völliger Quatsch. Der setzt sich zuhause hin, sackt ne handvoll lukrativer Beraterverträge ein und wird namentlich nie mehr mit irgendwelchen Entscheidungen in Erscheinung treten.
Unterm Strich stehen also ne Gefängnisstrafe, die keine ist, also vernachlässigt werden kann und eine Geldstrafe mit 360 Tagessätzen, die sich fürn kleinen Mann von der Strasse, dessen Frau noch putzen geht, dramatisch anhört, unserm Delinquenten aber sicher nichtmal ein müdes Lächeln abringen wird, im Raum.
Sagen wirs mal so Tobias: ich kann nicht aus meiner Haut. Letztens meinte ich scherzhaft zu meinen Eltern "IHR seid schuld, dass ich nicht hoch hinaus komme - IHR habt mich nicht zum Schwein erzogen!" Antwort war: "Ein Glück..." Und sie haben ja recht.
Ehrlichgesagt glaub ich nicht, dass der gemeine Manager sich vom gemeinen Arbeitnehmer bzgl. Moral großartig unterscheidet. Ich denke das ist eher sowas wie eine romatische Verklärung. Sicher braucht man als Manager eine gewisse Härte, aber Härte muss nicht ungerecht sein. Und wenn ich dieses anklagende Gejammer "die verdienen so viel Geld" höre, dann denk ich meist: "Seid ehrlich, ihr würdet es auch nehmen!" Schwarze Schafe gibt es wie immer auf beiden Seiten. Der Unterschied ist einfach, dass die hohen Tiere ganz andere Möglichkeiten haben und sich zudem keine Sau für die krummen Machenschaften der kleinen Leute interessiert.
Zitat:
Ich sehe, was Hartz gemacht hat und was er einfädelt hat und dass er letztlich den Betriebsrat massiv bestochen hat. Nun mag das alles gesetzlich legal sein - moralisch ist es das für MICH nicht. Und daraus erwächst für mich halt meine Haltung.
Wer sagt das es legal war? War es nicht, sonst müsste er nicht mehr als ne halbe Million Strafe zahlen und hätte nicht 2 Jahre auf Bewährung bekommen. Das Problem ist doch wohl, dass viele das Gefühl haben, diese Strafe wäre für ihn ne Kleinigkeit. Das mag durchaus sein, ich denke auch, dass er unter diesem Gesichtspunkt sehr gut wegkommt. Aber wonach sollen denn Geldstrafen festgelegt werden? Es sind nunmal Tagessätze dafür vorgesehen, ich habe nicht das Gefühl, dass das Urteil außerordentlich milde ist, nur ist Hartz einfach viel besser situiert als die allermeisten anderen - kann man ihm das vorwerfen und macht das ein Urteil ungerecht? Ich denke nicht. Bestechung ist falsch, fraglos, aber ich persönlich würde Diebstahl, Raub, und jegliche Formen von Körperverletzung als viel schwerwiegender betrachten. Wenn man sich ne Schlägerei liefert und jemandem die Nase bricht ist die Strafe aber ungleich geringer, es sei denn man ist einschlägig vorbestraft - war Hartz aber auch nicht.
Zitat:
Es gibt einfach immer wieder Urteile, in denen ein Promibonus gewährt wird, dass ich bei so einer Geschichte vielleicht zu schnell urteile. Mein Gerechtigkeitssinn ist jedenfalls nicht zufrieden...
Oft sind die Fälle so komplex, dass sich Verhandlungen über Jahre hinziehen würden und letzlich vermutlich viele Angeklagte gar nicht bestraft würden, dafür aber ordentlich Steuergelder verbraten würden. Wenn für Geständnisse dann geringere Strafen als Belohnung winken, ist das IMHO nicht unsinnig. Im Übrigen hat sich auch für John Doe ein Geständnis selten in einer höheren Strafe niedergeschlagen, als wenn die Tat ohne Geständnis bewiesen wird. Dass man dabei aufpassen muss, diese Deals nicht zu einer Art Ablass zu machen ist klar.
Zitat:
Zitat von sybenwurz
Wenn nicht ständig Leute moralische Grenzen überschreiten würden, bräuchten wir keine Gesetze
Dadurch, das Moral die Basis ist, auf der Gesetze letztlich aufbauen, hat jeder die Möglichkeit, eine allgemeingültige Messlatte anzulegen, die die Schnittmenge Gesetz-Moral halbiert. Weil Gesetze unterschiedlich ausgelegt werden und die moralischen Massstäbe von Mensch zu Mensch differieren, kommt es zu Abweichungen.
Mir ist das Hartz-Urteil nicht aus Gründen zu mild, die in Stammtisch- oder Bildzeitungsparolen begraben liegen, sondern weil ich, wohl ähnlich wie du, nicht zum (Charakter-)Schwein erzogen wurde und dementsprechend meine moralischen Ansichten wohl von denen Hartz´ abweichen und das Urteil meiner Meinung nach die Flexibilität der Gesetze in Richtung der laxeren Hartz´schen Moral beansprucht.
Wie begründest du mit deinen Moralvorstellungen denn, dass Hartz nun unbedingt ins Gefängnis muss?
Zitat:
Dazu kommt, wie ich oben bereits angesprochen hab, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass ein Peter Hartz mit nichtmal geradezu lächerlichen 600000 Euro netto jährlich auskommen muss und ich nach dem Fall Ackermann schon gespannt war, wie milde diesmal das Urteil ausfiele.
Wieso, er ist doch gar nicht mehr VW Vorstand, oder? Wo sollen denn all die Millionen her kommen?
Zitat:
Die Gefängnisstrafe auf Bewährung halte ich aus dem Grund für ne Farce, weil ich mich frage, wie Hartz die Möglichkeit haben sollte, nochmal so ne Posse zu reissen. Das ist doch völliger Quatsch. Der setzt sich zuhause hin, sackt ne handvoll lukrativer Beraterverträge ein und wird namentlich nie mehr mit irgendwelchen Entscheidungen in Erscheinung treten.
Richtig - und genau deswegen ist es auch unsinnig ihn ins Gefängnis zu stecken. Die Gefahr, dass er sowas nochmal macht ist ziemlich genau 0. Rache ist nicht die Grundlage unseres Rechtssystems und wenn deine Moralvorstellungen das anders sehen, dann solltest du an denen noch ein bisschen arbeiten.
Zitat:
Unterm Strich stehen also ne Gefängnisstrafe, die keine ist, also vernachlässigt werden kann und eine Geldstrafe mit 360 Tagessätzen, die sich fürn kleinen Mann von der Strasse, dessen Frau noch putzen geht, dramatisch anhört, unserm Delinquenten aber sicher nichtmal ein müdes Lächeln abringen wird, im Raum.
Warum sind so viele Leute erpicht darauf, dass es dem Hartz mal so richtig schlecht geht? Er hat niemanden umgebracht, selbst dabei kommen die Leute teils mit ein paar Jahren davon (wenn irgendwie auf Totschlag statt Mord plädiert werden kann). Ich will die Aktionen von Hartz nicht rechtfertigen, man sollte nur nicht die Perspektive verlieren und völlig andere Maßstäbe an ihn anlegen als an andere Menschen.
Hat mal jemand nachgeschaut was überhaupt die Höchststrafen für Bestechung sind, haben wir nicht ein paar Juristen hier? Hartz war nicht vorbestraft, hat ein umfassendes Geständnis abgelegt, hat sich nicht selbst bereichert, die Chance für einen Rückfall ist gleich null - das sind lauter Milderungsgründe.
Der Hauptgrund für die hohen Strafforderungen ist doch wohl bei den allermeisten, dass es ihm auch mal so richtig schlecht gehen soll, dem scheiß Bonzen! Dass es schwer ist jemanden mit viel Geld mit ner Geldstrafe zu beeindrucken ist klar, aber man kann doch deswegen nicht nen Millionär ins Gefängnis werfen, weil er 70 statt 50 in der Stadt gefahren ist (um es mal überspitzt auszudrücken). Man kann auch nicht einfach sein ganzes Vermögen einkassieren, da eine solche Strafe völlig unverhältnismäßig wäre. Der Umkehrschluss wäre ja sonst auch, dass arme Leute gar nicht mit Geldstrafen belegt werden könnten, die ham ja eh schon nix - kann aber auch nicht sein, dann könnten die sich ja alles erlauben.
Kapitalismus basiert auf Ungleichheit, wer viel Geld hat, der hat einfach eine sehr gute Ausgangslage. Dafür kann man niemanden bestrafen. Wenn jemand gut trainiert hat, dann muss er auch nicht beim IM 10 Minuten später starten - und ein 9h Athlet bekommt auch nicht 30min Zeitstrafe für lutschen, nur weil er ja eh viel mehr Zeit bis zum cut-off hat als der 16h Mann.
FuXX
PS@Drullse: Hoch hinaus kommen ist ja nun eine Frage der Definition, melde mal Ackermann und Hartz beim IM an - so hat jeder seine Spielwiese. Geld ist vollkommen überbewertet - das zeigt sich gerade auch in den heftigen Reaktionen all der Menschen die den Managern vorwerfen soviel Geld zu haben - all diese Leute hätten es einfach selbst ach so gern.
Die zu erwartende Strafe fällt idr geringer aus als der zu erzielende Ertrag durch Lug und Betrug
Jawoll!
Falls es noch nicht ganz klar geworden ist, SEIN PERSÖNLICHER Ertrag steht überhaupt nicht zur Debatte, er hatte aus der verhandelten Untreue keinen. Er hat ihm überlassene Gelder anders verwendet als er hätte dürfen, nicht mehr und nicht weniger.
Von einem Nichtjuristen zur Strafhöhe (man möge mich korrigieren, sollte das falsch sein):
Auch, wenn die Geldstrafe moralisch Gefühlt etwas höher hätte sein können, mehr ging nicht. Man ist sich einig, dass er nicht ins Gefängnis soll, das hätte auch, wie bereits mehrfach genannt, überhaupt keinen Sinn. Deswegen darf die Freiheitsstrafe nicht über zwei Jahren liegen, sie könnte sonst nicht mehr vollständig zur Bewährung ausgesetzt werden. Mehr als 360 Tagessätze können normlalerweise nicht verhängt werden, und die Höhe des Tagessatzes bemisst sich nach dem Einkommen.
Und nicht zuletzt ist die strafrechtliche Geldstrafe etwas völlig anderes als der zivilrechtliche Schadenersatz, das gilt es außerdem zu bedenken.