Aber den Anspruch, den ich aus Deiner Formulierung herauslese, werden wir nie erfüllen können: dass nämlich Medien gefälligst fehlerfrei agieren sollen, sonst glauben wir ihnen gar nichts mehr. Ich meine, dass dieser "Absolutheitsanspruch" hier sinnlos ist, weil er nur zu Verallgemeinerungen führt ("Die lügen doch alle!"), die dann aber niemandem helfen - bei der Beurteilung der Frage, ob eine Information plausibel oder glaubwürdig ist.
Mein Anspruch ist viel geringer: Ich wünsche mir, dass man sich aufrichtig bemüht, korrekt, angemessen und objektiv zu berichten, so daß der Leser sich aufgrund der aufbereiteten Faktenlage unabhängig eine eigene Meinung bilden kann.
Dieses Bemühen vermisse ich in vielen Fällen. Stattdessen erkenne ich den Versuch, durch geschickte Anwendung des schreiberischen/medialen Handwerkzeugs ein verzerrtes Bild zu erzeugen - mit dem Ziel, Meinung zu bilden, ohne dies als Kommentar kenntlich zu machen.
Man hält den Leser/Zuschauer offensichtlich für zu dumm oder zu extrem, um selbst die richtigen Schlüsse zu ziehen und kaut sie ihm deshalb lieber unterschwellig vor. So will ich von denen, die mein Geld im Gegenzug gerne nehmen, nicht entmündigt werden. Es wäre schöner, wenn ich einen Artikel lesen könnte, ohne hinterher schauen zu müssen, in welcher Partei der Journalist ist oder zu welcher Lobbygruppe er intensive Kontakte hat, um den Wahrheitsgehalt einer Meldung beurteilen zu können.
Fehler können immer geschehen, das nimmt auch kaum jemand krumm. Wenn jedoch immer die gleichen Fehler in ähnlichem Kontext auftreten, dann glaubt irgendwann halt niemand mehr an Zufall. Wenn das Vertrauen einmal weg ist, muss man sich schon sehr strecken, um es zurückzuerlangen. Das hat die Presse nicht verstanden und glaubt immer noch, dass es hülfe, verbal auf das störrische Publikum oder die sozialen Medien einzudreschen.
Wenn man sich als Profi so in die Ecke gedrängt sieht, dass man man meint sagen zu müssen, "seht ihr, die können es auch nicht besser!" wenn es um einen Haufen Amateure geht, ist das doch in sich schon ein Armutszeugnis.
Ich schätze Deine Appelle an einen objektiven Journalismus, schnodo, aber sie stehen aus meiner Sicht hier in einem unguten Kontext.
Es wurden Straftaten begangen, vermutlich in der Mehrheit von Menschen aus Nordafrika. Die Polizei hat eine zehnköpfige Sonderkommission gebildet, der Justizminister und die Kanzlerin meldeten sich zu Wort. Man tut das Möglichste, um die Taten aufzuklären und die Täter einer Bestrafung zuzuführen. Das sind die Fakten.
Über die Fakten hinaus werden die Vorgänge instrumentalisiert. Jeder versucht, sie vor seinen Karren zu spannen, indem er sie in einen bestimmten Kontext stellt. Nicht ohne Grund wird die Geschichte hier in einem Thread diskutiert, in dem es um die Aufnahme von Flüchtlingen unter anderem aus Afrika geht. Die unausgesprochene Botschaft lautet: "Seht her, was für Leute wir uns ins Land holen. Aufgrund ihres Menschenbildes stecken manche von ihnen an Silvester anderen Menschen den Finger in deren Körperöffnungen und stehlen deren Handys. Es wird Zeit, das ansprechen zu dürfen, ohne in die rechte Ecke gestellt zu werden". (1)
Die entscheidende Botschaft steckt nicht in den objektiven Tatsachen, sondern im Kontext, in den sie gestellt werden. Manche fordern lautstark, man müsse die Nationalität der Straftäter auf breiter Front an die Öffentlichkeit bringen (was längst geschieht), damit eine öffentliche Debatte #Aufschrei stattfinden könne. Aber worüber soll die Debatte gehen? Dass solche Übergriffe verboten sind? Das weiß jeder, dafür brauchen wir keine Debatte. Dass auch Ausländer das wissen müssen? Sie wissen es.
Nein, es geht in der geforderten Debatte vor allem darum, dass wir das Bedrohungsgefühl durch Ausländer neu zu justieren hätten. Durch die Hintertür kommt das Vorurteil gerannt, dass Ausländer krimineller seien als Deutsche. Vordergründig wird so getan, als würden nur unabweisbare Fakten genannt. Indem den Vorgängen auf dem Kölner Domplatz eine gesamtgesellschaftliche Bedeutung zugewiesen wird, ist die Verbindung zu den Flüchtlingen jedoch klar. Deshalb die Forderung nach #Aufschrei statt nach polizeilicher Aufklärung. Wenn nur laut genug gebrüllt wird, haben sachliche Argumente keine Chance mehr.
(1) Beim nochmaligen Lesen fiel mir auf, dass noam sich durch den dritten Absatz angegriffen fühlen könnte, da er die Kölner Vorgänge hier angesprochen hat. Das ist nicht meine Absicht. Ich schätze seine sachlichen und besonnenen Beiträge hier sehr, auch wenn ich nicht immer seine Meinung teile.
Ich schätze Deine Appelle an einen objektiven Journalismus, schnodo, aber sie stehen aus meiner Sicht hier in einem unguten Kontext.
Das ist doch das Grundproblem: Warum darf ich wahrhaftige Berichterstattung nur erwarten wenn der Kontext opportun ist? Alle schielen auf den Kontext, jeder konzentriert sich auf die Wirkung und hat die Hosen voll, was falsche Worte zur falschen Zeit anrichten könnten, anstatt einfach mal den Versuch zu unternehmen, die Sachlage ehrlich wiederzugeben. Alle, die sich sorgen, dass man den Menschen die Wahrheit nicht zumuten kann, trauen ihnen zu wenig zu.
Man darf die Leute nicht für dumm verkaufen. Viele nehmen vieles in Kauf, nur verarscht möchte man sich dabei nicht fühlen.
Und es ist nun mal komplett verquer wenn Brüderle wochenlang für seine schwülstigen Anmachversuche durch die Presse geschleift wird (noch schlimmer: Kachelmann), man aber nun versucht, vielfache massive sexuelle Belästigung oder Vergewaltigungsversuche (schauen wir mal bei Assange nach, was Vergewaltigung alles sein kann) als Ablenkung von Trickdiebstahl zu verkaufen. Das ist in meinen Augen - pardon my French - komplett idiotisch und kontraproduktiv.
Das absurde an der ganzen Thematik ist ja, dass dieser Vorfall in diesem (!!!) Thread diskutiert wird.
Frauen sehen sich in der Öffentlichkeit regelmäßig Angriffen - physisch so wie auch verbal - ausgesetzt. Einen Aufschrei gibt es allerdings nur dann, wenn es sich politisch instrumentalisieren lässt (Brüderle wiederum ist etwas ganz anderes als Person der Öffentlichkeit).
Zum Glück hat sie auch gleich die Schuldigen identifiziert: "Denn es ist eben genau dieser rechte Sumpf, der verhindert, dass real bestehende Probleme angegangen und thematisiert werden."
Man hört das sich in Hamburg und Stuttgart ähnlich große Ansammlungen von jungen Männern in der Silvesternacht zusammen fanden. Mein Bruder war mit seiner Familie in Hamburg am Jungfernstieg in der Nacht. Er berichtete mir von massig Menschen dort und mindestens 80 Prozent ...eher mehr junger männlicher Personen. Dem Anschein nach aus dem nahen Osten. Er erzählte mir von zahlreichen kurdischen Flaggen und seinem Unbehagen. Allerdings lag sein Unbehagen an der Seltsamkeit und der überraschenden Ansammlung vieler Ausländer auf einem Fleck.
Bis auf Feuerwerkskörper und Raketen die unsachgemäß durch die Menschenmenge gefeuert wurden, gab es aus seiner Sicht keine Beanstandung. Für sein Unbehagen ist er ja selbst Schuld.
Auf den Kölner Videos erkannte er nun ebenfalls kurdische Flaggen. Was nicht heißt das die Buhmänner dort Kurden waren.
Die sozialen Netzwerke helfen bei solchen Ansammlungen vergleichbar gut wie bei einem Zombie-Flashmob. Wir alle werden unser Verhalten künftig immer mehr anpassen müssen. Das ist alles. Jeder entsprechend seinem Befinden.
Das ist doch das Grundproblem: Warum darf ich wahrhaftige Berichterstattung nur erwarten wenn der Kontext opportun ist? Alle schielen auf den Kontext, jeder konzentriert sich auf die Wirkung und hat die Hosen voll, was falsche Worte zur falschen Zeit anrichten könnten, anstatt einfach mal den Versuch zu unternehmen, die Sachlage ehrlich wiederzugeben.
Unterstützend dazu, wenn ich Dich richtig verstehe, ein Kommentar aus dem Spiegel:
Medien und Flüchtlinge: Erziehungs-Journalismus Eine Kolumne von Jan Fleischhauer
"41 Prozent der Deutschen haben den Eindruck, dass kritische Stimmen in der Flüchtlingskrise zu kurz kommen. Nur jeder Vierte glaubt, dass von den zu uns Kommenden ein realistisches Bild gezeichnet wird. Was läuft da falsch?" http://www.spiegel.de/politik/deutsc...a-1070501.html
Die Anzahl der Tatverdächtigen erhöhte sich im Jahr 2014 um 2,6 Prozent auf 2.149.505 (2013: 2.094.160).
Bei den deutschen Tatverdächtigen wurde ein Rückgang um 1,5 Prozent auf 1.532.112 (2013: 1.555.711)
registriert. Die Anzahl nichtdeutscher Tatverdächtiger hat gegenüber dem Vorjahr um 14,7 Prozent auf
617.392 zugenommen. Ohne ausländerspezifische Delikte beträgt der Tatverdächtigenanteil Nichtdeutscher
24,3 Prozent (2013: 22,6 Prozent).
Also selbst ohne Verstöße gegen die Residenzpflicht usw. fast 1/4, das ist (leider) schon beachtlich.