Ich bin nun wieder in heimischen Gefilden und will noch meinen abschließenden, etwas länglichen, Bericht abliefern.
Am Samstag habe ich vor der Abfahrt nach Hamburg tatsächlich noch die zwei Steigerungen untergebracht. Die anschließende Zugfahrt nach Hamburg war angenehm und ich hatte lange Zeit alleine ein ganzes Abteil und konnte ein wenig arbeiten.
Bei Andreas und Familie angekommen, nach einem Ausflug zum Blumenladen und zum Saturn (Fototaschen für die Kinder kaufen), gab es dann erstmal Pasta mit Lachssoße und wir haben uns über vergangene Großtaten und das Leben im allgemeinen ausgetauscht.
Begleitet wurde das Ganze von einer wechselnden Abfolge von Sekt, Wein, Bier, Espresso und Sambuca. Gegen Mitternacht wurde ich noch einmal hungrig und so wurde der Herd ein weiteres Mal angeworfen für noch eine Ladung Nudeln mit Ei und Käse, dazu noch ein paar Flaschen Jever - damit das nicht so trocken ist…
Angeregt vom Espresso bin ich dann gegen 4:30 Uhr morgens eingeschlafen und um 8:30 Uhr ging es wieder raus, was mir ordentlich schwer fiel.
Der Start für die "20 km" wie die Streckenlänge gerne in der Ausschreibung oder auf den Ergebniszettelchen aufgerundet wird, sollte um 10:40 Uhr erfolgen. Ich verfluchte mich selbst dafür, dass ich mich nicht für die kürzere Strecke angemeldet hatte, dass ich nicht mehr trainiert hatte und vor allem, dass ich am Abend zu sehr in Feierlaune geraten war. Andreas ging es nicht besser, was mich etwas tröstete.
"Du hast das Saufen bei uns salonfähig gemacht" warf mir Tanja, Andreas' Frau vor, auch mit Blick auf vorherige Zusammenkünfte.
Ich konnte eine halbe Scheibe trockenen Toast herunterwürgen und machte mir Sorgen, dass sich mich meine - vom nächtlichen Gelage hypernervöse - Verdauung, während des Laufs bemerkbar machen könnte, unangenehm für mich selbst aber auch für unbeteiligte und vermutlich weitgehend unschuldige Außenstehende. So viel sei gesagt: Alle hatten Glück, es gab keine peinlichen Vorkommnisse.
Mittlerweile waren noch einige andere befreundete Läufer aus Hamburg zu uns gestoßen und wir fuhren zur Schule, wo die Startunterlagen ausgegeben werden. Ich hatte mal wieder Glück mit meiner Startnummer: Die 2014 beim Lümmellauf im Jahr 2014.
Kurz nachdem wir unsere Startnummern hatten, ging es für die kurze Strecke los: Tanja, Glyn, und Jürgen wurden vor der Schule auf die "10 km" verabschiedet, die um 10:15 Uhr starteten.
Es wehte ein kalter Wind und ich beschloss, vier statt der geplanten drei Lagen Shirts zu tragen. Eine gute Entscheidung, mir war nicht kalt, es wurde mir aber auch nie zu warm.
Schnell noch ein paar verwackelte Beweisfotos geschossen, als Beleg dafür, dass man zumindest in Laufklamotten vor Ort war und dann ging es gewohnt pünktlich los während über den Läufern die Foto-Drohne von Ahrensburg24.de schwebte.
Mein Plan war, auf der ersten von zwei Runden in etwa eine 6:00er Pace zu laufen, diese auf der zweiten Runde so lange wie möglich zu halten, und mich dann irgendwie ins Ziel zu quälen.
Schon nach einer Minute war mir klar, dass ich das Rennen nicht mit Andreas beenden würde. Sein Vorhaben, mich beim Lauf zu unterstützen, wurde vom Wettkampffieber zunichte gemacht. Davon begeistert, sich endlich wieder mit anderen Alphatieren messen zu dürfen, begann er sofort, sein Durchsetzungsvermögen unter Beweis zu stellen und stob durch die Massen davon. Ausgehend von meiner eigenen Pace würde ich vermuten, dass er gleich mit 5:15 min/km loslegte. Er erzählte dann später, dass ein Kilometer in 4:30 dabei war.
Aus Schaden klug geworden, unternahm ich keinen Versuch, an ihm dranzubleiben. Ich war trotzdem auf den ersten drei Kilometern etwas zu schnell, teilweise 5:42 min/km, ein Tempo, das ich nicht halten können würde. Der Puls war ruckzuck bei 88% HFmax. Ich zog die Notbremse und beschloss, rauszunehmen und so zu laufen, dass ich in der ersten Runde nicht über 84% komme. Das klappte dann relativ gut und ich fand fürs erste mein Tempo.
Ein wenig Erholung nach 5,5 km brachte eine Gehpause von ca. 300 m über einen Holzsteg durchs Moor, auf dem Rennen und Überholen verboten war. Viele haben sich nicht daran gehalten, wie mir hinterher berichtet wurde, aber in meiner Preisklasse waren zumindest bei der ersten Querung alle anständig.
Was beim Triathlon das Windschattenfahren ist, ist beim Lümmellauf das Rennen über den Steg. Nachdem in den vergangenen Jahren seitens der Verwaltung damit gedroht wurde, das Rennen nicht mehr zu genehmigen wenn das nicht aufhört - der Steg ist wohl recht baufällig - wundert es mich doch, wie viele das einen Dreck schert.
Es ist ja nun wirklich nicht so als gäbe es im Hagener Forst olympisches Gold oder ähnliches zu ernten.

(Auf
http://ahrensburg24.de/luemmellauf-d...ie-in-venedig/ gibt es einen Bericht und Bilder zum Lümmellauf und hier hat man mich abgelichtet wie ich am Ende des Steges ankomme.)
Einen Kilometer vor Rundenende galt es noch, eine für meinen Geschmack knackige, etwa 100 m lange Steigung zu überwinden, die ich aber zumindest in der ersten Runde immer noch laufend bewältigen konnte.
Etwa zu dieser Zeit machte sich dann auch wieder die linke Wade bemerkbar, zuerst mit einem leichten aber vernehmlichen Ziehen, das nach und nach stärker und schmerzhafter wurde.
Ich versuchte, mich davon nicht beeindrucken zu lassen. Am Ende der ersten Runde angekommen, wurde an der einzigen Verpflegungsstelle Tee gereicht und weiter ging es.
Ich hatte jetzt schon in den Verwaltungsmodus umgeschaltet und begann, mir auszurechnen, wie langsam ich sein dürfte, um noch unter zwei Stunden zu bleiben. Ich war immer noch mit einer Pace um die sechs Minuten unterwegs und konnte diese auch bis zur zweiten Moorquerung halten, die Herzfrequenz schon über 88%.
So lief ich denn, verzweifelt hoffend, dass bald der Steg käme, damit ich endlich gehen kann.
Der Steg kam, nahm mir aber auch den letzten Kampfeswillen. Danach konnte ich mir nur zu einem Traben im 6:30er Bereich durchringen und an der Steigung lies ich den letzten Stolz fahren und wanderte den Buckel hoch.
Dann noch einen Kilometer Selbstbeschimpfung und Weltschmerz und endlich war ich im Ziel, ausgelaugt und der Puls mittlerweile über 90%.
Ich war glücklich, dass die Schinderei vorbei war, und dass mit 1:55:51 bei der minimalistischen Vorbereitung und einem mittelprächtigen Kater doch noch ein für mich schönes Ergebnis dabei herausgekommen war. Körperlich fühlte ich mich allerdings völlig am Ende. Ich musste sogar den Lümmel-Gutschein an einen Zuschauer verschenken weil ich keinen Bissen herunterbekommen hätte. Traurig, traurig…
Man unterrichtete mich über den Ausgang des Rennens für die anderen:
Andreas hatte noch zu einem anderen Freund aufgeschlossen, diesen dann mit frechen Bemerkungen in Rage gebracht und zur Tempoverschärfung animiert (so entstand auch der Kilometer in 4:30) und mit ihm das Rennen in einer Stunde und 43 Minuten beendet.
Der Schnellste aus unserer Truppe, der seit einiger Zeit wieder raucht, war in einer Stunde und 28 Minuten im Ziel. Immerhin hat in die Qualmerei im Vergleich zum letzten Jahr vier Minuten gekostet. Allerdings hatte er da auch ein ambitioniertes Zugpferd, das einen 1:19 Halbmarathon laufen kann und ihn mitgezogen hat.
Jürgen, Glyn, und Tanja hatten - in dieser Reihenfolge - bemerkenswerte 43, 50 und 52 Minuten für die 9,7 km hingelegt. Glyn spekulierte später, dass es nicht mehr lange dauert bis er aufs Treppchen kommt in der nächsten Altersklasse. Vermutlich klappt das auch, bei drei oder höchstens 4 Startern, die sich überhaupt noch zum Rennen schleppen können.
Meine Wade war mittlerweile, etwas 20 Minuten nach dem Lauf, komplett zu und so machte ich mich humpelnderweise unter dem Feixen meiner Freunde und mitleidigen Blicken von Passanten wieder auf den Weg zum Auto. Das brachte uns zur schönen Cottage-Sauna in Ahrensburg, wo nach und nach die Welt schon wieder besser aussah. So gut, dass beim abendlichen Grillen dann doch noch das eine oder andere Jever den Weg in meinen Schlund fand.
Was würde ich beim nächsten Mal, in der gleichen Ausgangssituation (nicht trainiert, zu dumm die kurze Strecke zu wählen) anders machen?
Ich würde mehr auf meinen Körper hören und das Zwicken in der Wade nicht ignorieren. Nach den 16 km als "confidence builder" würde ich wohl wie von Flow vorgeschlagen nur noch einen flotten 8-km Lauf machen und versuchen, ausgeruht und ohne Gebrechen am Start zu stehen.
Letztendlich wurde die Wade nicht besser weil ich sie immer gerade dann wieder belastet habe als sie begann, sich zu erholen.
Aber schön war es und ich bereue nichts!
Vielen Dank nochmal an alle, die mich in der knappen Vorbereitung mit Tipps und Aufmunterung begleitet haben!