Das ursprüngliche Versprechen, dass der Wohlstand auf alle verteilt wird und alle davon profitieren, so wie es bis zu den 80er Jahren war, bekommt deutliche Dellen. Der Kapitlismus trennt letzendlich, wenn er nicht gezügelt wird.
Das kommt immer mehr zu Tage, entsprechend muss das alte Bild immer härter verteidigt werden. Das führt dann dazu, dass man gleich in eine Ecke manövriert wird, wenn man nicht komplett dabei ist.
Ich kenne kein System, dass mehr Gerechtigkeit und Wohlstand liefert. Es ist nicht perfekt, aber besser als alles andere, dass mir bekannt ist oder sich auch nur ansatzweise bewährt hätte
Ich glaube einfach nicht an Sozialismus Version 34.0, wo diesmal alles anders ist als in der unrühmlichen Vergangenheit.
Ich habe ihn tatsächlich gelesen und teile viele seiner Thesen nicht. Dennoch sehr lesenswert. Wagenknecht ist ein regelrechter Jünger. Mein Eindruck war, dass jedes zweite Zitat in ihrem Buch Bezug auf ihn nimmt. Genau deshalb ist sie für mich nicht wählbar. Das ist Sozialismus at it's best. Das widerstrebt meiner Einstellung voll und ganz.
Ich würde deutlich unterscheiden zwischen Reformen im Kapitalismus und einem sozialistischen System. Die Vorschläge von Piketty beruhen IMHO auf seinen empirischen Befunden über die Vermögensentwicklung im Finanzkapitalismus, die eben aufgrund der immer einseitigeren Verteilung des gesellschaftlich erarbeiteten Reichtums zugunsten weniger und der feudalähnlichen Strukturen auch die demokratische Verfasstheit der Staaten gefährdet. Melenchon oder auch Wagenknecht fordern dementsprechend Reformen des Finanzkapitalismus, aber keinen Sozialismus. Z.B. gaben sich bei der Privatisierungswelle in Deutschland die Investmentfirmen in den Rathäusern die Klinke in die Hand als die Bundesländer das Gemeineigentum verscherbelten für neoliberale Reformen, wie z.B. im Energiebereich oder Strommarkt oder Grundstücks-/Wohnungsmarkt oder Wasser. Dazu gäbe es durchaus Alternativen im Kapitalismus etc. Es existieren ja verschiedene wirtschaftliche Varianten von Kapitalismus, wovon der neoliberale Finanzkapitalismus eine ist.
Zitat:
Zitat von Genussläufer
Nennen wir es lieber Kapitalismus. Und ja, der ist krisenhaft. Aber aus jeder Krise geht dieser stärker hervor. .
Wenn ich mir weltweit und seit der Industrialisierung anschaue, welches massenhafte Elend auf der Welt - imperialistische Weltkriege einbezogen - mit dem Kapitalismus verbunden ist und die Menschheit heute vor der Selbstzerstörung und der Zerstörung der Arten steht und sie das Potential dazu geschaffen hat, frage ich mich schon, was die Menschheit aus den Krisen gelernt hat, auch angesichts der Kriege seit dem WK2. Mir scheint, weder Humanität noch Verstand noch die Fähigkeit zur Vermeidung von Katastrophen haben mit der angewachsenen technologischen und organisatorischen, arbeitsteiligen Zerstörungskraft mitgehalten.
Zitat:
Zitat von Genussläufer
Genau das unterscheidet ihn von eine zentralistischen und sozialistischen Ansatz. Wenn es da kracht, dann fährt der Karren vor die Wand. Es gibt einfach kein Regulativ.
Du vergleichst unser System jetzt mit einer zentralistischen Planwirtschaft sowjetischer Art. Niemand der Genannten fordert so etwas, stattdessen eine kap. Wirtschaft und einen Staat, die dem Gemeinnutz und der Mehrheit der Bürger und nicht dem Eigennutz weniger dienen.
Ich würde deutlich unterscheiden zwischen Reformen im Kapitalismus und einem sozialistischen System. Die Vorschläge von Piketty beruhen IMHO auf seinen empirischen Befunden über die Vermögensentwicklung im Finanzkapitalismus, die eben aufgrund der immer einseitigeren Verteilung des gesellschaftlich erarbeiteten Reichtums zugunsten weniger und der feudalähnlichen Strukturen auch die demokratische Verfasstheit der Staaten gefährdet.
Piketty bezieht sich sehr stark auf Frankreich. Da kann ich das in Teilen auch gut nachvollziehen. Ähnliches gilt für Großbritannien. Das sind Länder, wo ein beachtlicher Teil des Vermögens vererbt wird. Das stammt zu nicht geringem Anteil noch aus Kolonialzeiten. Und klar, dass man diese Rentiers nun nicht ins gemachte Nest lassen sollte, ist nachvollziehbar. In Deutschland hat der zweite WK genau dieses Gefüge neu sortiert. Aber auch hier kam es über die Jahrzehnten wieder zu Akkumulation von Kapital. Ich sehe aber keinen Sinn darin Einkommen - auch hohe- oder auch selbst aufgebautes Kapital stark zu besteuern. Ich bin tatsächlich eher für eine sehr hohe Erbschaftssteuer. Und hier beziehe ich auch das Häuschen der Eltern mit ein. Meinetwegen könnte die Erbschaftssteuer prohibitiv sein. Aber das ist ein völlig andere Ansatz und wäre sicher nicht vermittelbar
Zitat:
Es existieren ja verschiedene wirtschaftliche Varianten von Kapitalismus, wovon der neoliberale Finanzkapitalismus eine ist.
Da bin ich bei Dir. Nur sehen wir die Grenze zum Neoliberalismus sicher an anderen Stellen. Übrigens denke ich wirklich nicht, dass der Neoliberalismus immer sinnig ist. Mal unabhängig der von Dir eingebrachten Beispiel wie Energieversorgung/Wasser, welche ganz sicher diskussionswürdig sind, sehe ich das auch bei anderen Wirtschaftsbereichen so. Wir werden hier immer das Pendel haben von freiem Markt, wo sich die Wirtschaft in der Regel gut entwickelt. Dann kommt es in der Regel zu Umverteilungstendenzen. Diese sind in der Regel auch sinnvoll. Aber auch hier gibt es immer wieder das zu viel. Ich denke, dass wir diesen in Deutschland längest erreicht haben. Das würde sich aber auch wieder ändern. Ich betrachte die richtige Wirtschaftsordnung also nicht als fix, sondern als moving target.
Zitat:
Du vergleichst unser System jetzt mit einer zentralistischen Planwirtschaft sowjetischer Art. Niemand der Genannten fordert so etwas, stattdessen eine kap. Wirtschaft und einen Staat, die dem Gemeinnutz und der Mehrheit der Bürger und nicht dem Eigennutz weniger dienen.
Wie stellst Du Dir das genau vor. Ich kenne hier kein bewährtes Beispiel. Ich schließe nicht aus, dass es da etwas geben könnte. Aber insbesondere der Preis als Zuteilungsfaktor für knappe Güter ist bis dato unerreicht. Es gibt durchaus interessante Ideen wie in Harald Walzers "Alles könnte anders sein". Letztendlich überzeugen mich diese Ideen aber nicht.
Piketty bezieht sich sehr stark auf Frankreich. Da kann ich das in Teilen auch gut nachvollziehen. Ähnliches gilt für Großbritannien. Das sind Länder, wo ein beachtlicher Teil des Vermögens vererbt wird. Das stammt zu nicht geringem Anteil noch aus Kolonialzeiten. Und klar, dass man diese Rentiers nun nicht ins gemachte Nest lassen sollte, ist nachvollziehbar. In Deutschland hat der zweite WK genau dieses Gefüge neu sortiert. Aber auch hier kam es über die Jahrzehnten wieder zu Akkumulation von Kapital. Ich sehe aber keinen Sinn darin Einkommen - auch hohe- oder auch selbst aufgebautes Kapital stark zu besteuern. Ich bin tatsächlich eher für eine sehr hohe Erbschaftssteuer. Und hier beziehe ich auch das Häuschen der Eltern mit ein. Meinetwegen könnte die Erbschaftssteuer prohibitiv sein. Aber das ist ein völlig andere Ansatz und wäre sicher nicht vermittelbar
"Stellschraube" im Kapitalismus wäre das Steuersystem. Z.B. finde ich eine Besteuerung der Kapitalerträge nach den proportional gestaffelten Einkommensteuertarifen gerechter (vor Schröder) als unabhängig ob arm oder reich für alle 25 %, in den USA 30 % wie jetzt, was natürlich obige Tendenz verstärkt hat. An Änderungsvorschlägen mangelt es nicht, siehe auch Attac.
Zitat:
Zitat von Genussläufer
Da bin ich bei Dir. Nur sehen wir die Grenze zum Neoliberalismus sicher an anderen Stellen. Übrigens denke ich wirklich nicht, dass der Neoliberalismus immer sinnig ist. Mal unabhängig der von Dir eingebrachten Beispiel wie Energieversorgung/Wasser, welche ganz sicher diskussionswürdig sind, sehe ich das auch bei anderen Wirtschaftsbereichen so. .....
Ja, okay, da sind wir uns ja im Prinzip über die Möglichkeit unterschiedlicher Wirtschaftsweisen innerhalb des kapitalistischen Systems einig. Ausser der genannten Bereiche Energie / Wasser sollte man IMHO auch den Agrarsektor einbeziehen, wo Investmentfirmen riesige Flächen nach der Wende wie z.B. in der Uckermark aufgekauft haben, um sie jetzt renditeträchtig zu verpachten.
Zitat:
Zitat von Genussläufer
Wie stellst Du Dir das genau vor. Ich kenne hier kein bewährtes Beispiel. Ich schließe nicht aus, dass es da etwas geben könnte. Aber insbesondere der Preis als Zuteilungsfaktor für knappe Güter ist bis dato unerreicht. Es gibt durchaus interessante Ideen wie in Harald Walzers "Alles könnte anders sein". Letztendlich überzeugen mich diese Ideen aber nicht.
Ich nenne mal ganz pragmatisch drei Bereiche: 1. 2400 Milliarden US-Dollar kosteten 2023 die Armeehaushalte weltweit mit steigender Tendenz. Mit dem Potential zur Selbstzerstörung. 2. Oxfam Berichte über die weltweite Vermögensbesitzverteilung 3. die Klima- und Artenkrise
Würde die Menschheit Grundwerte wie Humanität, Brüderlichkeit (Solidarität), (soziale) Gerechtigkeit, Freiheit im Handeln (nicht nur in Sonntagsreden) über das Share Holder Value Prinzip stellen, fände sie Lösungen für 1-3.
Wenn ich mir weltweit und seit der Industrialisierung anschaue, welches massenhafte Elend auf der Welt - imperialistische Weltkriege einbezogen - mit dem Kapitalismus verbunden ist und die Menschheit heute vor der Selbstzerstörung und der Zerstörung der Arten steht und sie das Potential dazu geschaffen hat, frage ich mich schon, was die Menschheit aus den Krisen gelernt hat, auch angesichts der Kriege seit dem WK2.
Deine Kritik am Kapitalismus teile ich.
Im Kapitalismus sind alle Marktteilnehmer ausschließlich dem Eigennutz verpflichtet. Der Gemeinnutz sowie die gerechte Verteilung des Wohlstands spielen keine Rolle. Diese werden nur durch Gesetze berücksichtigt, die dem Kapitalismus Grenzen setzen.
Wichtig scheint mir noch folgender Gedanke, gerade beim Vergleich mit China:
Im Unterschied zu China sind wir eine Demokratie. Demokratisch ist jedoch nur das politische System, nicht das wirtschaftliche. Politiker werden gewählt, Firmenchefs aber nicht. Die Wirtschaft ist nicht demokratisch. Sie repräsentiert nicht den Willen des Volkes, sondern verfolgt ausschließlich eigene Interessen. Im Wesentlichen sind das die Interessen von Aktionären. Konkret bedeutet das, dass zwar der einzelne Bürger ein Interesse an einer intakten Umwelt für seine Kinder und Enkel hat; dem wirtschaftlichen System ist dieses Interesse jedoch völlig fremd, da es sich ausschließlich an Profiten orientieren kann. Es kann gar nicht anders, da das Geld der Aktionäre immer dorthin wandert, wo die Profite am größten sind – mit anderen Worten: wo am rücksichtslosesten gewirtschaftet wird.
Man sieht das in meinen Augen deutlich an der Argumentation von Sportsfreund Genussläufer. Wenn ich über eine emissionsfreie Energieversorgung spreche, argumentiert er mit dem Strompreis. Spreche ich vom Erhalt des Amazonas, spricht er vom Holzpreis. Spreche ich vom Tierschutz, spricht er vom Fleischpreis. Verglichen werden diese Preise mit den global billigsten Preisen.
Ich werfe das keineswegs Genussläufer persönlich vor. Es steckt viel Realismus in seiner Argumentation. Es ist das kapitalistische System an sich, dass mit seiner ausschließlichen Profitorientierung und seinem Wachtumszwang den Planeten überfordert.
Ich versteh nix davon - mir ist nicht klar wovon ihr meint eine Ahnung zu haben - ich seh nur alle spielen "Schwarzer Peter" mit umgeknickten Ecken
Ob wir eine Ahnung haben, mag dahingestellt sein. Wir haben ein Interesse an dem Thema. Und wir tauschen Argumente aus, um dazuzulernen, Gemeinsamkeiten zu finden, aber auch um die Unterschiede und deren Grund zu suchen. Ob das zielführend ist, wissen wir nicht. Es macht aber Spass. Und allein die Beschäftigung mit den Argumenten bringt mich immer mal wieder zum Nachdenken. Aber auch hier ist es natürlich so, dass man auf feste Glaubenssätze oder Einstellungen trifft, die dann die Unterschiede ausmachen. An der Stelle macht eine Diskussion sicher keinen Sinn mehr. Aber die Gemeinsamkeiten sind bei allen Unterschieden häufig deutlich größer als man denkt. Nur weil, es auf Bundes- oder Landesebene nicht gelingt, diese Gemeinsamkeiten zu formulieren, ist das doch kein Grund, warum wir das auf unserer Mikroebene nicht üben dürfen
Eigentlich hat Piketty die Tendenz, dass ungleich anwachsendes Vermögen in den Händen immer weniger Personen verbleibt, durch Vererbung, auch für DE empirisch nachgewiesen. Gerade heute erscheint in SPON dieser Artikel über die Vermögensverteilung in DE, welche sich immer mehr ungleicher entwickelt(und Piketty´s Arbeiten bestätigt):
Wie oben geschrieben teile ich das partiell. Allerdings sehe ich hier vielmehr den Ansatz bei der Erbschaft anzusetzen. Der Artikel und auch Piketty bezieht sich doch viel stärker auf die Rentiers, die dies auf die klassische Art und Weise geworden sind. Der Hauptgewinn in der Eierstocklotterie
Zitat:
"Stellschraube" im Kapitalismus wäre das Steuersystem. Z.B. finde ich eine Besteuerung der Kapitalerträge nach den proportional gestaffelten Einkommensteuertarifen gerechter (vor Schröder) als unabhängig ob arm oder reich für alle 25 %, in den USA 30 % wie jetzt, was natürlich obige Tendenz verstärkt hat. An Änderungsvorschlägen mangelt es nicht, siehe auch Attac.
Ich sehe hier auch das Steuersystem. In Europa sind das sehr häufig Erben. In den USA ist die Kapitalakkumulation eher dem Umstand geschuldet, dass auf Gelder der big techs erst nach Auszahlung Steuern anfallen. Daher schwimmen Apple & co. in Cash und profitieren letztendlich von höheren Zinsen. Das ist absurd. Mit der Besteuerung von Kapitalvermögen löst Du keines der von Dir aufgezeigten Problem. Und wenn müsste man aufteilen. Dividenden würde ich pauschal besteuern. Hier wurde bereits vorab auf Unternehmensebene abgeschöpft. Bei Anleihen könnte ich Dir sogar beipflichten. Warum könnte? Ich will es nicht, weil mir das widerstrebt. Aber eigentlich hast Du hier Recht
Zitat:
Würde die Menschheit Grundwerte wie Humanität, Brüderlichkeit (Solidarität), (soziale) Gerechtigkeit, Freiheit im Handeln (nicht nur in Sonntagsreden) über das Share Holder Value Prinzip stellen, fände sie Lösungen für 1-3.
Hier stimme ich Dir zwar zu, sehe aber im aktuellen System immer noch die beste aus den zur Verfügung stehenden Optionen.