Julia Friedrichs für Zeitonline:
"Bewerbung:
McKinsey und ich
Zwecks verdeckter Recherche bewarb sich die Journalistin Julia Friedrichs bei McKinsey, einer mächtigen, aber zugeknöpften Beraterfirma. Ein halbes Jahr dauerte das bizarre Auswahlverfahren, in dem sie Menschenbild, Größenwahn und Verführungskünste des Unternehmens kennen lernte
Von Friedrichs
18. Mai 2006
[...]
Am Abschlussabend gibt es eine Party. McKinsey hat einen DJ gebucht, in der Hotellobby einen großen Tresen aufgebaut, hinter dem zwei Barkeeper mit Wodkaflaschen und einem Cocktailshaker jonglieren. Die Berater tanzen ausgelassen. Unser Leben macht Spaß, suggeriert jede Drehung. » Work hard, party hard « ist das Motto der McKinseys. Für viele der gerade 20-jährigen Studenten, die zum Teil noch zu Hause wohnen, wird das eine der eindrucksvollsten Partys ihres Lebens werden. Sie werden trinken, tanzen, schwimmen und knutschen. McKinsey hat alles getan, damit sie diese Nacht nicht vergessen werden.
Am nächsten Tag fliege ich wieder zurück nach Berlin, ins normale Leben, zurück in meine Hinterhaus-WG. »Du bist anders als vor vier Tagen«, sagt mein Freund. »Du redest so betont cool. Du schwärmst von den tollen, hochintelligenten Leuten. Von ihren acht Sprachen, ihren ausgefallenen Hobbys. Ich hoffe, du kannst jetzt hier mit den Normalen auch wieder leben.« Die Normalen, meine Freunde, jobben, schreiben Bewerbungen, haben Angst vor der Zukunft. Nach McKinsey-Maßstäben sind die meisten Menschen, die ich mag, wohl eher Verlierer.
[...]
Ich gehe raus, in den Schnee, vorbei an Läden von Prada und Piaget. Das könnte jetzt meine Welt werden, denke ich. Ich schaue in die Schaufenster, sehe Stiefel für 800, eine Tasche für fast 1000 Euro. Das alles kannst du haben, flüstert mein materialistisches Ich. Meine Großmutter, die in der Fabrik gearbeitet hat und für die Journalismus eher ein Hirngespinst ist, würde stolz von mir erzählen. Meine Eltern würden aufhören, sich um meine Zukunft zu sorgen. Bisher prägten Praktika und freie Mitarbeit mein Arbeitsleben. Eine feste Stelle, Sicherheit, eine relativ sorglose Zukunft – das alles gehörte für mich bisher zu dem Leben, das die Generation meiner Eltern führt. Jetzt wäre das alles zu haben, ich müsste nur noch ein Gespräch überstehen.
An diesem Nachmittag um kurz nach vier erscheint mir die Idee, tatsächlich Unternehmensberater zu werden, zum allerersten Mal real. Warum eigentlich nicht? Dieser Gedanke hat sich in meinem Kopf festgesetzt.
Ich gehe zurück ins Headquarter. Eine Beraterin besorgt mir einen Tee, weil ich so verfroren aussehe. Nette Leute hier, denke ich und lese mir zum ersten Mal genau durch, wie McKinsey die Stelle beschreibt, für die ich mich beworben habe. »Zunächst sind Sie zwei Jahre als Berater tätig und werden im dritten Jahr – unter Fortzahlung Ihres Gehalts – für einen MBA oder eine Promotion freigestellt.« Die bezahlen tatsächlich meine Doktorarbeit?"
Quelle: http://www.zeit.de/2006/21/McKinsey_21/seite-1
Hannes S. Auer für Zeitonline:
"
Adieu, McKinsey
Aufnahmeprüfung beim größten Unternehmensberater der Welt – oder wie man versucht, würdevoll zu scheitern.
Von Hannes S. Auer
17. Juni 2010, 8:00 Uhr Editiert am 5. Februar 2012, 22:18 Uhr / 15 Kommentare
Vor fünf Minuten war ich noch knapp davor, in die große Managementwelt aufgenommen zu werden. Jetzt stehe ich wieder auf der Straße, und ein kräftiger Wiener Frühlingswind bläst mir ins Gesicht. Die Tür hinter mir ist zu, und das bleibt sie auch. Es war zu schön, um wahr zu sein. Oder doch nicht so schön? "McKinsey hätte dich in zwei Jahren fertiggemacht", versucht mich ein Freund zu trösten. Ehrlich gesagt, ich hätte es drauf ankommen lassen."
Quelle: http://www.zeit.de/2010/25/A-Unterne...cKinsey?page=1