18.09.2010
Interview
Extremsportler aus Kempten bestreitet zehnfachen Ironman
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Von Tobias Schuhwerk, Augsburger Allgemeine
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Die härteste Tortur seines Lebens ist vollbracht – und sie hat Spuren hinterlassen bei Extremsportler Roland Patzina, 43, aus Kempten. Dicke Blasen an den Füßen und eine bisher nicht gekannte Erschöpfung erinnern den verheirateten Vater von drei Kindern an seinen spektakulären Solo-Trip auf der Kanareninsel Lanzarote. An 14 Tagen spulte er einen zehnfachen Ironman ab. Er schwamm 38 Kilometer im Atlantik, radelte 1800 Kilometer und lief 420 Kilometer zu Fuß.
Herr Patzina, Sie haben sich zwei Wochen lang auf einer Ferieninsel gequält, während andere Urlaub machten. Wollten Sie nie tauschen?
Patzina: Sicher, solche Momente gab es. Ehrlich gesagt, dachte ich schon am ersten Tag ans Aufgeben.
Weshalb?
Patzina: Ich konnte mein Schwimmprogramm nicht wie geplant durchziehen. Hohe Wellen und die Hitze haben mich vollkommen zermürbt. Die Sonne knallte bei Temperaturen um 37 Grad auf meinen Neoprenanzug. Nach 9:45 Stunden war ich am Ende meiner Kräfte. Ich musste aus dem Wasser – obwohl ich nur 31 statt 38 Kilometer gekrault bin.
Unerhört ...
Patzina: Für mich war das wirklich schlimm. Ich wusste, am nächsten Tag muss ich noch einmal sieben Kilometer schwimmen und kann erst danach aufs Rad. Der ganze Zeitplan war durcheinander.
Warum haben Sie weitergemacht?
Patzina: Weil mich meine Frau Sabine an diesem Abend ermutigt hat, nicht aufzugeben. Sie weiß, wie viel mir dieses Projekt bedeutet. Seit über zehn Jahren habe ich mich darauf vorbereitet. Alles war geplant. Ich musste da durch.
Sie haben zwei Wochen lang jeden Tag bis zu zwölf Stunden Sport getrieben.
Was hat sich in ihrem Kopf abgespielt?
Patzina: Da waren meist nur zwei Gedanken. Der eine hieß: „Durchkommen!“ Der andere: „Du musst ausreichend essen und trinken.“ Ich darf keinem Ernährungswissenschaftler erzählen, was ich während meiner Runden alles in mich hineingestopft habe: Sandwiches, Pizza, süße Riegel, einfach alles. Dazu habe ich pro Tag 12 bis 15 Liter getrunken, um den enormen Flüssigkeitsverlust auszugleichen.
Wie hat Ihr Körper reagiert?
Patzina: Am schlimmsten waren die wunden Stellen vom Radfahren und die dicken Blasen, die ich ab dem zweiten Lauftag an den Füßen hatte. Mein Sohn Robin hat die Schuhe mit einem Messer aufgeschnitten, damit die Füße mehr Platz hatten. Es tat dennoch höllisch weh.
Und die Muskulatur?
Patzina: Die hat das eigentlich gut verkraftet. Ich habe mich ja sehr lange auf dieses Ziel vorbereitet. Und ehrlich: Mit Laufen hatten meine Bewegungen am Schluss nicht mehr viel zu tun. Viele Kilometer bin ich gegangen. Da war ich sozusagen schon im regenerativen Bereich. Deshalb tun mir die Muskeln derzeit nicht weh. Ich bin nur absolut matt.
Ihre ersten Gedanken, als Sie die letzte Runde überstanden hatten?
Patzina: Das war wie in Trance. Mir ist eine Riesenlast von den Schultern gefallen, als mich meine Familie empfangen hat. Aber ich kann diese Gefühle nicht in Worte fassen. Ich bin seit Tagen dabei, die Eindrücke aufzuarbeiten – auch selbstkritisch.
Inwiefern?
Patzina: Ich stelle mir die Sinnfrage: Warum habe ich mir das aufgehalst? Das Ganze grenzt ja an ballaballa, wenn ich es aus der Distanz heraus betrachte. Und dann noch die Bedingungen auf Lanzarote: der Wind, die Hitze und die Höhenmeter. Ich weiß nicht, ob ich das anderen guten Gewissens empfehlen könnte.
Glauben Sie, es gibt Nachahmer?
Patzina: Ich habe viele E-Mails von anderen Ultra-Triathleten bekommen – ein paar können sich vorstellen, das ebenfalls durchzuziehen. Es gibt den zehnfachen Ironman zwar auch als Wettkampf. Doch der findet in Mexiko in einem Industriegebiet statt. Lanzarote ist sicher schöner.
Haben Sie von der Landschaft überhaupt etwas wahrgenommen?
Patzina: Schon, aber erst als alles vorbei war. Während des Rennens war ich von früh bis abends nur darauf fokussiert.
Haben Sie jetzt genug vom Sport?
Patzina: Laufen und Radfahren werde ich in den nächsten Wochen definitiv nicht. Aber Schwimmen will ich so schnell wie möglich. Ich bin jetzt seit zwei Wochen nicht mehr gekrault. Das gab es noch nie in den letzten Jahren.
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