Der Duft Sardiniens / Sehnsucht, Einsamkeit und wirre Gedanken - ist 2+5 ausreichend? - Seite 2 - triathlon-szene.de | Europas aktivstes Triathlon Forum
Lese ich gerne, vor allem weil mir die Orte und Bilder alle etwas sagen, da ich selbst mehrfach mit dem Rad kreuz und quer durch Sardinien gefahren bin.
Tag 1: Olbia-Cala Gonone
114 KM / 1.115 HM / 06:28 netto Fahrtzeit / 116 HF / 2.733 Kalorien
Heute haben wir zwei Routenvarianten. Wenn es gut läuft 124 KM, diese lässt sich auf 114 KM kürzen, wenn wir den Strand von Orosei auslassen. Die Fähre hat zwei Stunden Verspätung, somit scheint die Entscheidung schon getroffen zu sein. Es ist bereits 09:40 Uhr bis wir endlich loskommen.
Ich nehme alles Gepäck zu mir, in der Hoffnung damit einen besseren KM-Schnitt zu bekommen. Der hintere Flaschenhalter von Schatzine lässt sich nicht mehr festschrauben, weil das Gewinde durchdreht. Also packe ich noch 2 Wasserflaschen für Schatzine in meine Taschen. Somit ist mein Hinterteil echt schwer.
Das Hafengelände, die vielen LKW und die Ausfahrtstraßen mit Tunnel erfordern unsere höchste Aufmerksamkeit. Doch nach ein paar Kilometern hat sich alles entspannt. Jetzt erst realisiere ich wo ich bin und dass ich meiner Leidenschaft nun 5 Tage frönen darf.
Der Zeitdruck aufgrund der verlorenen zwei Stunden bekümmert mich noch nicht so sehr, denn jetzt möchte ich erst einmal genießen. Allerdings rasselt meine Kette ungewohnt, was ich zwar bemerke, aber ignoriere. Beim ersten Anstieg als ich auf das kleine Kettenblatt wechsle, ist das Rasseln sehr unangenehm. Ich halte an um nachzusehen was da los ist.
Die Schrauben des Umwerfers haben sich gelöst, so dass dieser seine zugedachte Position verloren hat und wackelt. Mist, an diese Schrauben kommt man nicht heran, dazu müsste man die Kurbel abbauen, was mit Zeit und richtigem Werkzeug kein Problem wäre. Doch aus Erfahrung weiß ich, dass bei solchen Reparaturen immer nichtgeahnte Schwierigkeiten auftauchen. Oft sitzt die Kurbel fest und ohne Hammer wird es dann schwierig. Unser Zeitdefizit verwehrt mir solche Experimente.
Ich versuche es mit einem Kabelbinder durch die Langlöcher um das Sitzrohr. Mit der Zange schaffe ich es mit ganzer Kraft die erste Raste des Kabelbinder zu überwinden. Das scheint zu halten. Die folgenden Kilometer und die ersten Schaltvorgänge bestätigen dies.
Nach weiteren 10 KM fragt mich Schatzine, ob ich mal nach ihrem Hinterrad sehen könnte, welches sich etwas seltsam anfühlt. OK, Plattfuß. Am Straßenrand wird der Schlauch gewechselt, dabei werden wir mächtig von Stechmücken gepiesackt. Das müssen fiese Viecher gewesen sein, da wir diese Andenken noch heute haben. Ganz schön holpriger Start. Der Zeitdruck wir immer größer, meine Hochrechnungen immer pessimistischer.
Doch dann kommt die Sonne heraus, wir sehen einen große Kolonie Flamingos, -ich liebe diesen Anblick. Gerne wäre ich näher ran um Fotos zu machen, aufgrund der inneren Hetze verwehre ich mir dies, in der Hoffnung eine zweite Gelegenheit zu bekommen, was mir rückblickend leider nicht mehr beschert wurde. Trotzdem werde ich diesen Glücksmoment nicht vergessen.
Zwischen La Caletta und Santa Lucia machen wir trotzdem ein paar schöne Strandaufnahmen und genießen den Blick auf den Strand und die Wellen. Gegen Nachmittag wird der Himmel schwarz und der Wind wird böig. Es dauert nicht lange bis wir wieder durchnässt und aufgeweicht werden. Der starke Gegenwind kostet Kraft und Körner. Der Wetterbericht hat davon nichts gesagt, wir waren auf 28 Grad und Sonne eingestellt.
Nach zwei Stunden ist der Spuk vorbei, die Sonne lässt uns dampfen und der versteckte Passo Littu bringt uns mit seinen 12 bis 15% Steigung wieder zum Schwitzen. Mein Garmin fordert noch 200 Höhenmeter und nur noch 6 KM bis zum Ziel. Wir grübeln, wo wohl der Durchgang sein könnte. Vom Meer ist weit und breit nichts zu sehen, nur Wald und über uns ein mächtiges Gebirgsmassiv. Wir haben keine Idee wie wir dort rüberkommen sollen. Doch wie so oft, schlängelt sich die Straße in Kehren nach oben und schlüpft zwischen zwei Felslücken, die von unten nicht zu sehen waren, hindurch.
An der Passhöhe haben wir einen zauberhaften Blick über die Bucht Cala Gonone, unserer heutigen Heimat. Wir lassen noch eine Herde Ziegen passieren, deren Bock mit seinen gewaltigen Hörnern sich gehörig Respekt verschafft. Dann rollen wir pünktlich zum Sonnenuntergang die sehr steile, mit Betonplatten belegte Passabfahrt hinunter ins Ziel.
Die Unterkunft ist wundervoll, die warme Dusche ein Segen. Danach widmen wir uns wieder der Kleiderwäsche und der Trocknung der Schuhe. Diese haben mittlerweile einen ekelhaft beißenden Geruch der an einen vier Wochen alten Tierkadaver erinnert. Mittels Föntrocknung wabert dieser Duft nun durch unsere Gemächer. Deshalb ergreifen wir schnell die Flucht und genießen das Abendessen im „Nextdoor-Restaurant“.
Zeit für den Kurbelabbau habe ich keine, mache mir aber Hoffnung, dass die Lösung mit dem Kabelbinder die Tage überdauert.
Cool - bitte mehr davon. Vor allem auch von den besuchten Sehenswürdigkeiten. Sardinien steht auch noch auf unserer Liste. Wir tun uns im Urlaub immer eher schwer, dass wir Sightseeing und Sport verbinden.
Bitte auch gerne Infos, was Ihr so alles an Material und Klamotten dabei hattet
Oh ja, der kleine Pass nach Cala Gonone ist phantastisch. Wenn man oben durch die Lücke kommt und plötzlich die Bucht vor sich hat… ein Traum. Schöne Strecke habt Ihr Euch rausgesucht, gefällt mir.
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Wenn Ihr alle die Zeit, die Ihr hier im Forum vertüdelt, fürs Training nutzen würdet...