Nenne doch bitte eine Quelle / eine Fundstelle aus der hevorgeht, das staatliche Institutionen kulturelle Identität negativ bewerten bzw. auf ihre negative Bewertung abzielen.
Persönliche Erfahrung: erstaunlich viele Menschen in diesem Land, die betonen, daß es für sie wichtiger ist, Europäer zu sein, als Deutscher - für die meisten Völker dieser Erde eher befremdliche Haltung.
Medial-öffentlich: google mal nach "kulturelle Unterschiede und Rassismus", die Zahl der Treffer ist groß, in dem beschrieben wird, warum es rassistisch sei, kulturellen Unterschieden Bedeutung beizumessen. Z. B. der Rassismusvorwurf gegen Sarrazin, weil er die unterschiedliche Integrationsfähigkeit von Migranten aus verschiedenen Kulturen dokumentiert und beschreibt, oder die negative Reaktionen, sobald jemand eine Deutschlandfahne dabei hat.
Staatlich: unsere langjährige Integrationsministerin, für die es gar keine deutsche Kultur gibt jenseits der Sprache. Von den z.T. unsäglichen Beiträgen zur Leitkultur-Debatte ganz zu schweigen.
Zitat:
Was wäre denn eigentlich deine Definition von kultureller Identität?
Es ist die Summe von vielen Faktoren; einige davon sind z.B. Muttersprache, Geschichte, Musik, Literatur, Kunst der Menschen, der Gegend, in der ich sozialisiert wurde, oder wo ich länger lebe und dazugehöre), daraus abgeleitete Verhaltensweisen und (ungeschriebene) Regeln im Umgang miteinander: was finden wir angemessen, was unangemessen, Priorisierung von Werten (je nach Kultur große Unterschiede), aber auch gewisse Details wie welches Essen, welche Kleidung als "normal" gesehen werden und natürlich auch Traditionen, Brauchtum. Die meisten dieser Faktoren ändern sich zwar auch mit der Zeit, aber die Änderungen bzw. die Änderungsgeschichte, das Bewußtsein dafür, wie es war, ist ein wesentlicher Teil.
Ich selber habe übrigens praktisch zwei solche kulturelle Identitäten: meine "ursprüngliche" war Siebenbürger Ungare, das aber nach der Auswanderung praktisch "eingefroren" ist, da es ohne ein entsprechendes Umfeld nicht leben und wachsen konnte. Es ist eine wertvolle, aber nicht wiederbelebbare Erinnerung, eine persönliche Bereicherung. Im heutigen Siebenbürgen wäre ich kulturell fremd, da mir zu viel an Entwicklung vor Ort fehlt. 38 Jahre in Deutschland haben mir eine aktuelle, lebendige Identität als Deutscher gegeben, die sich aus der täglichen Teilnahme an dieser Gesellschaft speist.
Zitat:
Und wie kommst Du darauf, dass der Begriff "kulturelle Identität" für mich negativ belegt ist?
Durch Deine Spontanreaktion, eine Pegida-Hetzrede mit dem Thema zu verknüpfen - oder habe ich Dich mißverstanden, und Du findest diese toll?
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“If everything's under control, you're going too slow.” (Mario Andretti)
Da aber aktuell in Deutschland das Bestehen auf kultureller Identität eines Volkes negativ bewertet wird, geht man auf diese Ängste gar nicht ein, sondern unterstellt nur finanzielle Ängste, weil man diese viel einfacher (und zurecht) als nicht stichhaltig entkräften kann.
Aus meiner Sicht ist es in der Tat nicht gut, wenn man vorhandene Ängste ignoriert oder nur mit Ablehnung reagiert. Die Angst vor Ausländern und fremden Kulturen in Deutschland ist eine Tatsache, mit der man sich politisch und gesellschaftlich auseinandersetzen muss.
Schwierigkeiten habe ich mit dem Begriff der kulturellen Identität. In Deutschland haben wir aus meiner Sicht vor allem eine kulturelle Vielfalt, weniger eine kulturelle Identität. Um ein persönliches Beispiel anzuführen: Ich fühle mich einem in vegetarisch lebendem Physiklehrer aus Sydney näher, als einem AfD-wählendem Schlachthofbesitzer aus Sachsen-Anhalt. Weil wir uns kulturell näher sind, obwohl uns sowohl geografisch als auch national vieles trennt. Wir Deutschen sind untereinander kulturell nicht identisch.
Die kulturelle Identität unterliegt außerdem einem steten Wandel. In diesem Forum sind aktuell 14.523 Personen registriert. Doch ich wette, keine 10 davon wären in der Lage, auch nur eine einzige Melodie von Beethoven zu summen, außer dem berühmten Eingangsmotiv seiner 5. Sinfonie und dem Chor aus der Neunten. Wer wüsste sicher etwas von Goethe zu zitieren? Wer kann spontan einen einzigen berühmten deutschen Maler der Moderne nennen (Gustav Mahler ist falsch)?
Früher standen diese Namen für die deutsche kulturelle Identität, heute jedoch nicht mehr. An ihre Stelle sind andere Namen getreten. Die Generation der heutigen Kinder wird wiederum eigene Namen hervorbringen. Es ist aussichtslos und falsch, die jeweils aktuelle kulturelle Identität für die Zukunft festschreiben zu wollen. Noch verkehrter ist es, Kriegsflüchtlinge für diesen Wandel verantwortlich zu machen. Denn auch ohne sie wird die nächste Generation eine andere kulturelle Identität haben als die vorhergegangene.
Stimmt nicht? Dann möge jeder einfach seine Großeltern befragen. Internet, Europäische Union, Dschungelcamp, facebook, Foren, Klimawandel, bedingungsloses Grundeinkommen, Techno-Raves, Ehe für alle, massenhafter Kindesmissbrauch in den Kirchen, Antibiotika in allen Fleischwaren, Mission zum Mars, Elektromobilität, 80% des weltweiten Datenverkehrs in Form von Pornografie, WhatsApp und Flugreisen nach Malle für 59 Euro wären empfehlenswerte Themen. Ist unsere kulturelle Welt mit denen unserer Eltern und Großeltern identisch?
Schwierigkeiten habe ich mit dem Begriff der kulturellen Identität....
Was Du beschreibst, ist genau das, was ich in Deutschland beobachtet habe während meiner 38 Jahre hier - und worin sich Deutschland von vielen anderen Ländern unterscheidet. Es wurde auch viel darüber geschrieben, warum es sich so entwickelt hat. Aber es gibt eben auch in Deutschland Menschen, die diese Entwicklung nicht erfreulich finden.
Kulturell identisch sind Menschen nie, es geht um Gemeinsamkeiten, die stärker sind, als die Unterschiede, und die nichts mit der persönlichen Lebenseinstellung (Vegetariertum, politische Meinung) zu tun haben, sondern eben mit der dahinterstehenden Kultur, ausgemacht aus Jahrhunderten Geschichte, Literatur, Lebensweisen, etc.. Daß heute kaum noch jemand etwas von Goethe zitieren kann, ist keine zwingend normale Entwicklung; normaler, stetiger kultureller Wandel heißt nicht, auf wesentliche Ecksteine der Vergangenheit zu verzichten, sondern Neues hinzunehmen, ohne das Alte über Bord zu werfen. Dein Beispiel kann man auch als großen Verlust an Bewußtsein für die eigene kulturelle Herkunft sehen, ein schmerzhaftes Versagen des Bildungssystems - was natürlich für die nächste Generation es noch schwerer macht, die Menschen zu verstehen, die kulturelle Zugehörigkeit wie ich definieren.
Und kulturelle Vielfalt ist in Ordnung - aber die gibt es nur, wenn jeder seine eigene Identität genau versteht und definiert - ansonsten wird es kulturelle Beliebigkeit.
Zitat:
Noch verkehrter ist es, Kriegsflüchtlinge für diesen Wandel verantwortlich zu machen.
Die sind natürlich nicht verantwortlich für den Verlust der Kenntnisse über die eigene Kultur - das ist das eigene Versäumnis der Deutschen. Allerdings sind Zuwanderer aus gewissen Kulturkreisen sehr wohl verantwortlich für ein Wandel von "typischen Verhaltensweisen", wenn sie ihre Wertepriorisierung in unser Alltag einbringen wollen (Beispiel: Überbetonung der "Ehre" und "Familie" vor Individualrechten, Bekleidungsvorschriften für Frauen, Forderung nach Sonderbehandlung von Mädchen, Konfliktlösung über Gewalt oder eigene Gerichte statt nach staatlichen Gesetzen...). So etwas im Alltag wird als kulturelle Fremdheit empfunden, was viele Menschen nicht gut finden. Übrigens, auch Inder oder Chinesen mit ihrer "Gesichtsverlust"-Angst werden immer als kulturell schwer nachvollziehbar wahrgenommen, und haben viel Probleme in der Integration in die Arbeitswelt hier, solange sie sich nicht davon lösen.
Zitat:
Ist unsere kulturelle Welt mit denen unserer Eltern und Großeltern identisch?
Natürlich nicht, aber unsere Kultur wird durch ihr Erbe geprägt, und hat somit viel Gemeinsames, bzw. aufeinander aufgebautes. Mit der Kultur von archaischen Stammesgesellschaften haben wir dafür deutlich weniger gemeinsam.
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Allerdings sind Zuwanderer aus gewissen Kulturkreisen sehr wohl verantwortlich für ein Wandel von "typischen Verhaltensweisen", wenn sie ihre Wertepriorisierung in unser Alltag einbringen wollen (Beispiel: Überbetonung der "Ehre" und "Familie" vor Individualrechten, Bekleidungsvorschriften für Frauen, Forderung nach Sonderbehandlung von Mädchen, Konfliktlösung über Gewalt oder eigene Gerichte statt nach staatlichen Gesetzen...).
Wir Deutschen haben in den letzten ein, zwei Generationen mehrere Wellen von Zuwanderung hinter uns. Türkische Gastarbeiter, Jugoslawen, Afghaner und jetzt Syrer.
Parallel dazu hat sich unsere Kultur verändert, allerdings keineswegs in die von Dir beschriebene Richtung. Sondern im Gegenteil: In den Schulen hat der Lehrer früher Ohrfeigen verteilt, heute nicht mehr. Die Röcke wurden kürzer, nicht länger. Der Umgang mit Sexualität ist liberaler und nicht restriktiver geworden. Frauen haben heute mehr tatsächliche Rechte als als je zuvor. Und so weiter.
Ich frage mich daher, wo Du den "Wandel von typischen Verhaltensweisen" siehst, den unsere Kultur anscheinend durchmacht. Das mag es in kleinen Kreisen geben, doch als generellen Wandel unserer deutschen kulturellen Identität kann ich das nicht erkennen.