Die Phönizier haben keinen Kapitalismus praktiziert, der sich mit unserem vergleichen ließe. Der Kapitalismus meint den Einsatz von Maschinen, um Waren herzustellen. Da das den meisten bekannt sein dürfte, führe ich es nicht weiter aus.
Zwar wurde der Begriff zu Beginn der Industrialisierung geprägt, darum vielleicht die Verknüpfung mit Maschinen und der Neuzeit. Aber der Kern ist doch
Das passt nach meinem Verständnis für sehr viele Epochen der Menschheitsgeschichte.
Um diese Kernelemente kann man natürlich die unterschiedlichsten Gesellschaftssysteme stricken - der Inhalt, die Haupttriebfeder von privatem Interesse an Investition, Produktion, Gewinn, ändert sich aber kaum, egal ob die Arbeitskräfte Sklaven, Leibeigene oder Arbeiter hießen, oder wie die jeweiligen Unternehmer und Kapital-Besitzer gerade genannt wurden. Der Kapitalismus in der heutigen Form hat den Vorteil, daß er in den meisten Ländern auf viele freie, selbstbestimmte Menschen bauen kann, die alle nach Wohlstand und Erfolg streben, und damit erfolgreicher ist als die früheren Varianten, in denen zu wenige Menschen die Chance bekamen, sich zu entfalten.
__________________
“If everything's under control, you're going too slow.” (Mario Andretti)
Im Moment steht fest, dass der Kapitalismus nahezu weltweit zu einem starken Wirtschaftswachstum und damit zu großen Umweltproblemen geführt hat.
Und dieses Wachstum ist auch notwendig, um weitere Menschen aus der Armut zu befreien. Letztendlich ist das wiederum die Grundlage, um Bildungschancen zu erhöhen, Kindersterblichkeit zu reduzieren und somit die Basis für eine Abflachung und Imkehr des Bevölkerungswachstums zu schaffen. Mit steigendem Wohlstand verbessern sich auch die Produktionsbedingungen und der Ressourcenverbrauch. BIP Wachstum geht dann nicht mehr zwingend mit dem Anstieg von Rohstoffbedarf einher. Das zeigen die Statistiken der letzten Jahre ziemlich eindeutig. Das diese Entwicklung so noch lange nicht ausreicht, ist nun wiederum richtig. Und hier gilt es die richtigen Anreize und einen einen internationalen Ausgleich zu schaffen. Die Anhänger des Schrumpfens glauben nicht daran. Für die andere Seite ist das ein positiver Glaubenssatz. Im hiesigen Faden kann man die Beitragenden relativ gut diesen beiden Polen zuordnen. Und wahrscheinlich nicht nur hier.
Das würde ich gerne genauer verstehen. Wie sollte das konkret in der Praxis aussehen? Sollten deiner Meinung nach Politiker Vorstandvorsitzende ersetzen oder sollen vorübergehende Gesetze/Verbote die Unternehmen lenken?
Es geht hier nicht um meine persönliche Meinung, sondern um den Lösungsansatz der Wirtschaftsautorin Ulrike Herrmann, von dem oben die Rede war.
In einer Kriegswirtschaft setzt die Politik den Rahmen für die Wirtschaft. Beispielsweise baut man in Kriegszeiten Panzer statt Sportwagen. Das ist allerdings nur ein Beispiel zur Verdeutlichung des Grundgedankens.
Auf welche Weise diese Panzer gebaut werden, ist dann wieder Sache der Wirtschaft. Ihr allein obliegt es, alle benötigten Ressourcen (Material, Personal etc.) sinnvoll einzusetzen.
Ein wesentliches Merkmal der so genannten "Kriegswirtschaft" besteht darin, dass es sich um vorübergehende Maßnahmen handelt, welche von der gesamten Gesellschaft getragen werden. Beispiel: CO2-Emissionen werden nicht einfach nur teurer (was den Reichen egal ist), sondern werden für alle Bürgerinnen und Bürger gleichermaßen beschränkt. Mehr als soundso viel CO2 darf niemand mehr emittieren. Man regelt den CO2-Ausstoß also nicht über den Markt und damit den Preis, sondern über Verordnungen.
Im Moment steht fest, dass der Kapitalismus nahezu weltweit zu einem starken Wirtschaftswachstum und damit zu großen Umweltproblemen geführt hat.
Ist diese Korrelation tatsächlich auch so ursächlich? Umweltschäden haben die Menschen in jeder Epoche reichlich produziert - je nach ihren technischen Möglichkeiten. Ich glaube, daß der technische Fortschritt mehr mit der Dimension von neuzeitlichen Umweltproblemen zusammenhängt als der Kapitalismus - aber dieser Fortschritt ist auch gleichzeitig für deren Lösung unbedingt nötig und hilfreich. In den sozialistischen Ländern waren die Umweltprobleme vielfach schlimmer, und mangels effektiver Wirtschaft (Profite) fehlten die Mittel für die Bekämpfung oder Vermeidung.
Kapitalismus hat seine Probleme - aber es ist wie mit der Demokratie: alle mir bekannten Alternativen sind m.M.n. in der Praxis unterm Strich für die Menschen schlechter.
__________________
“If everything's under control, you're going too slow.” (Mario Andretti)
In einer Kriegswirtschaft setzt die Politik den Rahmen für die Wirtschaft. Beispielsweise baut man in Kriegszeiten Panzer statt Sportwagen. Das ist allerdings nur ein Beispiel zur Verdeutlichung des Grundgedankens.
Auf welche Weise diese Panzer gebaut werden, ist dann wieder Sache der Wirtschaft. Ihr allein obliegt es, alle benötigten Ressourcen (Material, Personal etc.) sinnvoll einzusetzen.
Wie willst Du denn dann die kapitalistische Effizienz hinbekommen? Mir ist nicht klar wie auch nur annähernd eine so ausgefeilte Ressourcenallokation zu Stande kommen soll. Wie willst Du z.B. die komparativen Kostenvorteile ersetzen?
Die englische Kriegswirtschaft hatte kfr. ein ganz bestimmtes Ziel. Was soll aber das Ziel analog hier sein? Und was ist, wenn die Strategie nicht aufgeht und sich letztlich doch eine andere Strategie durchsetzt, die notwendigen Rohstoffe nicht angekarrt werden können, etc.?
Und genau so etwas wird passieren. Es fehlt das Korrektiv, das Netz un der doppelte Boden. So wird es kein Backup geben und das System wird fragil.
Zitat:
Ein wesentliches Merkmal der so genannten "Kriegswirtschaft" besteht darin, dass es sich um vorübergehende Maßnahmen handelt, welche von der gesamten Gesellschaft getragen werden.
Genau dann wird vorübergehend dauerhaft. Und natürlich wird dann die Legitimation verschwinden. Was dann passiert, hat die Geschichte mehrfach eindrucksvoll gezeigt.
Ich hoffe, dass keine Partei ausreichend Wähler für solche Experimente finden wird
Du stellst sehr viele Fragen zu dieser Idee, gleichzeitig urteilst Du sehr entschieden darüber. Wie passt das zusammen?
Du müsstest Dich doch zuerst informieren und erst danach urteilen. So wirkt das auf mich, als würde Dein Urteil bereits vorher feststehen.
Ulrike Herrmanns Idee ist kein fertig ausgearbeiteter Plan für die gesamte Wirtschaft, sondern ein gedankliches Modell, das eine Diskussion ermöglichen soll. Nach dieser Idee soll für begrenzte Zeit und nach demokratischem Beschluss der Staat stärker in die Wirtschaft eingreifen.
In einer Kriegswirtschaft würde das bedeuten, dass die Wirtschaft mehr Waffen und kriegswichtige Dinge produziert. Die Produktion von Konsumgütern wird gedrosselt. In einer Kriegswirtschaft kann es passieren, dass beispielsweise weniger Benzin pro Person verkauft werden kann, weil diese Ressource anderweitig benötigt wird.
In einer Marktwirtschaft würde das knappe Benzin dann einfach teurer (die Nachfrage ist höher als das Angebot), sodass die Reichen weiterhin Porsche fahren und alle anderen zu Fuß gehen. In einer Kriegswirtschaft würde hingegen die Verfügbarkeit von Benzin für alle gleichermaßen beschränkt, egal ob arm oder reich. Entsprechend hoch ist die Akzeptanz dieser Maßnahmen in der Bevölkerung.
Gegenwärtig haben wir die Situation, dass die einen mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren und sich teure Wärmepumpen einbauen, während die anderen mit dem Privatjet über ihre Köpfe hinweg von Hamburg nach Sylt fliegen. Ich halte es für diskutabel, diese Zustände nicht einfach dem freien Markt zu überlassen. Sondern über staatliche Verordnungen die gesellschaftlichen Lasten auf alle gleich zu verteilen. Jeder hat das gleiche CO2-Budget zur Verfügung, egal ob arm oder reich. Für mich könnte das bedeuten: Wer nach Hawaii fliegt, hat sein Flugbudget für drei Jahre verbraucht. Das hielte ich für eine faire Sache.
Anderes Beispiel: Wir sind eine demokratische und kapitalistische Gesellschaft. Und genau deshalb bekommen wir es nicht hin, ausreichend Windräder aufzustellen und Stromleitungen über das Land zu ziehen. Trotz aller Einsicht in die Notwendigkeit und großem Handlungsdruck, denn wir werden in Zukunft sehr viel Strom benötigen.
Die Effizienz des Kapitalismus, von der Du oben sprichst, bezieht sich nur auf die Vermehrung des Kapitals: aus Geld wird noch mehr Geld. In anderen Belangen ist der Kapitalismus sehr ineffizient. Sonst würden die benötigten Windräder längst stehen. Doch die Rendite ist anderswo größer, also wird anderswo investiert, beispielsweise in Öl-Aktien. Die trägen Verwaltungsstrukturen und endlose juristische Einspruchsmöglichkeiten erschweren die Energiewende zusätzlich.
Folglich ist aus meiner Sicht der Gedanke legitim, diesen wichtigen Strukturwandel nicht nur den freien Kräften des Marktes zu überlassen, für die zwischen einem Windpark und einer Ölquelle kein Unterschied besteht. Sondern wir ermächtigen für begrenzte Zeit den Staat, mittels Verordnungen diese schleppende Entwicklung zu beschleunigen.
Das alles ist, wie oben erwähnt, nur ein gedankliches Modell, kein fertiger Plan. Es wird so nicht umgesetzt werden. Sein Nutzen besteht darin, unsere derzeitigen Strukturen zu hinterfragen. Etwa das freie, ungelenkte Spiel des Kapitals, das allein dem Eigennutz, nicht aber dem Gemeinnutz verpflichtet ist. Und einem schwachen Staat, der versucht, hier Lenkungswirkung zu entfalten. Wie können wir das verbessern?
...
Das alles ist, wie oben erwähnt, nur ein gedankliches Modell, kein fertiger Plan. Es wird so nicht umgesetzt werden. Sein Nutzen besteht darin, unsere derzeitigen Strukturen zu hinterfragen. Etwa das freie, ungelenkte Spiel des Kapitals, das allein dem Eigennutz, nicht aber dem Gemeinnutz verpflichtet ist. Und einem schwachen Staat, der versucht, hier Lenkungswirkung zu entfalten. Wie können wir das verbessern?
Gegen Gedankenmodelle kann man sicher nichts sagen. Wobei man das global denken muss. Global gesehen machen die CO2-Emissionen Deutschlands 2.5% aus.
Und dieses Wachstum ist auch notwendig, um weitere Menschen aus der Armut zu befreien.
Der Wachstumsfetisch der deutschen Wirtschaft dient nicht dazu, Menschen aus der Armut zu befreien. Wenn wir das wollten, könnten wir das bereits heute tun. Wir bräuchten dazu nicht auf weiteres Wirtschaftswachstum zu warten, um dann später, in einer fernen Zukunft, Menschen aus der Armut zu befreien. Dasselbe gilt für die USA und Japan und unsere europäischen Nachbarn.
Eher im Gegenteil: Das Wachstum unserer Wirtschaft treiben wir in Konkurrenz zu anderen Ländern und zu deren Lasten voran. Eine florierende Automobilindustrie in China ist für uns keine gute Nachricht nach dem Motto: "Toll, da befreien sich tausende Chinesen aus der Armut". Als Exportweltmeister setzen wir alles daran, dass das Geld anderer Länder bei uns landet.