Rennbericht
Es ist also tatsächlich soweit, Challenge Roth 2024 ist Geschichte und ich war ein Teil davon. Ich will es gleich vorweg nehmen, das Minimalziel "ins Ziel kommen" habe ich erreicht und darf mich seit gestern stolzer LD Finisher nennen.
Dabei stand der Wettkampf für mich zuletzt unter keinem guten Stern. Noch 12 Tage vorher war ich mir ziemlich sicher, dass es ein DNF wird. In den letzten Wochen hatte ich im linken Bein nämlich ein Zipperlein, das einfach nicht besser wurde. Zunächst eher harmlos, musste ich eben diese 12 Tage vor dem Start einen Lauf nach wenigen Metern abbrechen, weil der Schmerz plötzlich kaum zu ertragen war. Jetzt war Alarmstufe Rot angesagt - ich bin den Rest der Woche nicht mehr gelaufen und habe auch sonst alles unternommen, um das Bein wettkampfbereit zu bekommen.
Am Dienstag vor dem Rennen dann nochmal ein Test mit den Wettkampfschuhen. Ich musste sicher gehen, dass das Bein die Belastung der Carbonschuhe verträgt, immerhin gehe ich davon aus, dass durch diese das Problem erst entstanden ist. Aber nein, auch hier Abbruch nach kurzer Zeit, der Schmerz ist zu groß. Tags darauf meine Alltagslaufschuhe getestet und mit diesen war es immerhin auszuhalten. Statt der schnellsten Schuhe im Schrank werden für den Wettkampf also schwere, klobige Treter eingepackt, mit 700km auf dem Buckel. Und statt letztem Feinschliff bin ich die letzten zwei Wochen vor dem Wettkampf zweimal gelaufen und zwar maximal 7km. Das kann ja heiter werden...
Das Schwimmen
Am Wettkampfmorgen schiebe ich die Gedanken daran allerdings beiseite, ich will den Tag so ausgiebig genießen wie möglich. Nervosität und Vorfreude sind riesig - ich bin bereit für das, was vor mir liegt.
Obwohl ich sehr zeitig in der Wechselzone bin, stehe ich gefühlt einen Wimpernschlag später schon im Wasser und mein Start erfolgt. Die ersten 10 Minuten des Schwimmens empfinde ich als hektisch, das Feld will sich nicht auseinander ziehen. Ich kann das eigentlich nicht leiden, lasse es aber über mich ergehen und finde irgendwann - zum ersten Mal überhaupt bei einem Wettkampf - Füße, an denen ich mitschwimmen kann. Sonst mache ich immer eher mein Ding, aber das war schon hilfreich. Bei der ersten Wende wird das Feld aber durchgewürfelt und ich bin von da an meist alleine unterwegs und schwimme jetzt gefühlt auch eine schlechtere Linie und insgesamt langsamer.
Dann nach ca. 2.500m der erste Schreckmoment des Tages, denn mit einem Mal wird mir kotzübel. Ich kenne Schwindel vom Freiwasserschwimmen, aber sowas hatte ich noch nicht. Für ein paar Minuten überlege ich, ob ich falsch gegessen habe oder krank geworden bin, aber so schnell die Übelkeit kam, so schnell war sie auch wieder weg. Vermutlich einfach nur eine mentale Geschichte.
Danach zieht sich das Schwimmen. Ich bin froh, als es um die zweite Wende geht und gespannt auf meine Zeit. Als mich die Helfer fast schon aus dem Wasser hieven steht eine 1:10h, womit ich absolut zufrieden bin.
Das Radfahren
Wechsel läuft (fast) reibungslos, also ab aufs Rad und bei jedem Triathlon der Teil, auf den ich mich am meisten freue. Ich habe Wattziele für verschiedene Abschnitte der Strecke, je nach Profil. Sklavisch daran halten will ich mich aber nicht, sondern bin bereit davon abzuweichen, falls ich gute Hinterräder finde. Es dauert auch hier, bis sich das Feld etwas sortiert hat. Die Leute, die mich überholen, sind viel zu stark um mit ihnen mitzufahren, also mache ich erst Mal mein Ding. Die Wettervorhersage, die zuletzt auf trockene Bedingungen hoffen ließ, hatte dann doch unrecht und es setzt mitunter stärkerer Regen ein. Alles noch gut fahrbar, aber zwischendrin war ich bis auf die Socken klatschnass.
Die Zuschauer harren aber aus und den Kalvarienberg hoch kommt richtig Stimmung auf. Wie geplant fahre ich vor allem im steilen Teil deutlich mehr als meine Durchschnittswatt. Trotzdem brettern die Leute an mir vorbei, zum Teil sicher mit deutlich über 300W. Haben die kein Powermeter?
Mir soll's egal sein, denn nach den Serpentinen finde ich endlich ein Hinterrad, an das ich mich in fairem Abstand hängen kann. Das geht dann so bis zum Solarer Berg und was soll ich sagen - es war schon etwas sehr Besonderes. Ich kenne ihn als Zuschauer, aber als Athlet natürlich nochmal ganz anders und ein unvergessliches Erlebnis.
Auf der zweiten Radrunde wirds unübersichtlich und es ist jetzt sehr viel los. Man muss aufpassen, dass man die Überholvorgänge sicher über die Bühne bekommt und man muss auch ehrlich sagen, dass 12m Abstand nicht immer einzuhalten sind, denn es ziehen ständig Leute vor einem raus. Ich achte aber darauf, dass ich den Abstand auf meine Zugpferde immer einhalte, will mich ja nicht selber bescheissen. Die Wattvorgaben kann ich jetzt nicht mehr ganz halten. Zu unrhythmisch das Fahren, zu müde irgendwann die Beine. Aber alles gut, denn trotz zweier Pinkelpausen komme ich nach 4:53h in T2 an. Ich hatte im besten Fall mit 4:55h gerechnet, ohne die Boxenstopps, damit bin ich also ausgesprochen zufrieden. Auch mit der Art und Weise, wie ich gefahren bin.
Wer jetzt im Kopf mitgerechnet hat - ich habe es auf jeden Fall getan

- wird feststellen, dass somit ungefähr 3:50h für den Marathon bleiben, um gesamt unter 10h zu sein. Klingt machbar, aber ich weiß nicht, wie sich mein linkes Bein anfühlen wird und ich weiß auch nicht, wie sich ein Marathon am Ende einer LD anfühlen wird. Das 10h Ziel habe ich trotz der Verletzung nicht aus den Augen verloren, so etwas treibt mich einfach an. Gleichzeitig war ich auf alles vorbereitet, was der Marathon für mich in petto haben könnte, ggfs. auch lange Wandern oder DNF.
Der Lauf
Nach einem erneut guten Wechsel laufe ich also los und das linke Bein - fühlt sich einfach völlig normal an. Keine Ahnung ob es das Adrenalin ist oder über Nacht eine Wunderheilung eingesetzt hat, aber ich kann schmerzfrei loslaufen. Mit dieser Euphorie also leicht bergab die ersten paar hundert Meter gelaufen. Ich sage mir im Kopf vor, dass ich mich nicht treiben lassen darf und den Marathon konservativ angehen muss. Ist immerhin noch ein weiter Weg und das linke Bein kann sich jederzeit melden. Ziel ist eine 5er Pace, mit dem Vorsprung würde auch 5:25 reichen. Nach etwa 400m schaue ich also zum ersten Mal auf die Uhr: 4:20 min/km
OK, also erst Mal drei Gänge runterschalten. Ich finde in einen Rhythmus und steuere das Tempo jetzt hauptsächlich über Körpergefühl und Puls. Die Kilometer ticken jetzt mit etwa 4:45 weg, also immer noch schneller als geplant, aber es fühlt sich richtig an. Das Laufen am Kanal ist unspektakulär, ich arbeite Kilometer für Kilometer ab. Hier habe ich mir im Training die grausamsten Szenarien vorgestellt wie ich in der Hitze eingehe, aber die Bedingungen sind nahezu perfekt und nur ein leichter Gegenwind auf dem Weg zurück zur Lände bremst etwas. Bei der Halbmarathonmarke, die ich schon etwa nach 1:40h passiere, erlaube ich mir das erste Rechenspiel. Wie lange darf ich brauchen, um noch unter 10h zu bleiben? Über 2 Stunden und 5 Minuten, kann das wirklich stimmen? Das sollte ich ja wohl schaffen können? Zugleich immer im Hinterkopf das Bangen, dass das Bein Probleme machen könnte oder ich einfach platze.
Vom Kanal weg wird es dann hart. Das Streckenprofil ist ab hier etwas rollend, die Pace nicht mehr so konstant. Zudem macht sich immer mehr das linke Bein bemerkbar, die Wunderheilung ist also aus geblieben. Ab km 28 schalte ich in den Überlebensmodus, es tuen sich immer mehr Baustellen auf. Jetzt fängt alles an zu schmerzen und mir wird klar, dass das jetzt ein ordentlicher Kampf wird. Ich fange an mit mir zu verhandeln wie lange ich noch das Tempo hochhalte und den Rest dann einfach zu Ende trabe. Lüge mir vor, dass es ja eigentlich nur bis km 36 geht, weil wir danach nur noch bergab nach Roth zurück laufen und man es dann eh quasi schon geschafft hat.
Die zwei Kilometer nach Büchenbach hoch haben es dann in sich. Ich schaffe es weiter zu laufen, allerdings nicht gerade schnell. Viele der Mitstreiter müssen hier gehen und es kostet mich alle Willenskraft, es ihnen nicht gleich zu tun. Oben angekommen fühle ich mich gebrochen und gehe ab hier jede Verpflegungsstation. Die Kilometer, auf denen ich mich zurückhalten musste, um nicht schneller als 4:40 zu laufen, sind nur noch eine ferne Erinnerung.
Von Büchenbach hinunter komme ich aber noch einmal ins Rollen. Die sub 10 sind jetzt nur noch Formsache, ich suche mir ein neues Ziel, um die letzten Kilometer zu überstehen. Eine Marathonzeit unter 3:30h wäre doch eine feine Sache. Ich finde neuen Rhythmus, laufe zwischen den Verpflegungen so zügig wie ich noch kann und gehe dann in diesen. Man kann jetzt das Stadion schon hören und langsam weichen die Schmerzen der Erleichterung und dem Stolz. Ich genieße die letzten Meter und den Stadioneinlauf und die Uhr bleibt stehen bei 3:28h für den Marathon. Nicht aber ohne vorher noch Küsschen und Umarmungen an die Familie zu verteilen
Im Ziel
Nach dem Zieleinlauf kämpfe ich mit den Emotionen und der Erschöpfung. Ein erstes Nachrechnen sagt mir, dass ich in 9:48h gefinisht habe. Dicke unter 10 und damit super zufrieden. Erst über eine Stunde nach dem Finish und erst nachdem ich die offiziellen Ergebnisse angesehen habe, stelle ich fest, dass das Kopfrechnen nicht mehr so gut geklappt hat. Ich habe nicht in 9:48h gefinisht, sondern in
9:38h!
Wirklich unfassbar und eine Zeit, die ich mir nicht hätte träumen lassen. Ich habe mich 8 Monate lang akribisch vorbereitet und bin mit einem Sahnetag belohnt worden. Von den äußeren Bedingungen bis hin zur Verpflegung hat alles perfekt gepasst und es wurde eine Traumzeit. Auch über die Zahlen hinaus war es ein unvergessliches Erlebnis und ich werde noch lange brauchen das alles zu verarbeiten. Falls Helfer oder Zuschauer von gestern das lesen: VIELEN DANK! Man merkt bei jedem Helfer, dass er Bock hat und es gab so viele Zuschauer, die ich nicht kannte, die mich aber beim Namen angesprochen haben und motivierende oder witzige Worte übrig hatten. Das hat sehr geholfen und es zu einem besonderen Tag gemacht.
Jetzt brauche ich etwas Erholung und danach will ich mir Gedanken machen, was das nächste sportliche Ziel wird. Danke auch an alle, die konstuktiv zum Thread beigetragen haben, auch das hat beim Erreichen des Ziels geholfen. Allen voran Arnes Inhalte hier und bei YouTube, dadurch habe ich sehr viel gelernt. So Long
