Jeden Tag verhungern 10.000 Kinder. Die allermeisten von uns leben dagegen im Überfluss. Sind wir nicht für alle verhungerten Menschen, denen wir hätten helfen können, es aber nicht taten, verantwortlich?
Und falls ja: Ist demnach nicht jeder Besitz oberhalb des Existenzminimums, und damit meine ich die Grenze des eigenen Verhungerns, unmoralisch?
Allgemeiner gesagt, bin ich für alles Leid, das ich hätte verhindern können, es aber nicht verhinderte, verantwortlich. Ich sehe da keinen Ausweg, zumindest nicht auf dieser Ebene der Betrachtung.
Andererseits ist der Erfolg aller heute lebenden Arten gleichbedeutend mit dem Misserfolg anderer. Ein Baum, der sich zur Sonne reckt, vollstreckt ein Todesurteil über die im Schatten sterbenden Arten unter ihm. Erfolgreich jagende Raubvögel schnappen einem Fuchs die Beute weg, sodass dessen Aufzucht stirbt. Ein Bauer, der seine Äcker bestellt, schickt hunderte Arten ins Nirwana. Die Aktivitäten des Menschen auf der Erde lösten ein Massenaussterben ("Faunenschnitt") anderer Arten aus. Unsere bloße Existenz als Art ist, wie bei allen anderen Arten auch, das Ergebnis eines Massakers.
Wir sind erfolgreich aus diesem Kampf hervorgegangen, als nachfahren von Siegern – nicht von Engeln! Das Anhäufen, der Egoismus und die Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal anderer Sippen und Arten sind anscheinend Teil des genetischen und kulturellen Programms, das uns erfolgreich gemacht hat. Es ist schwer, das nun abzuschütteln.
(Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich bin strikt gegen jede Form von Tierquälerei.)
danke für den guten Beitrag. War klar das sowas kommt.
Ok Dirk es ist angekommen, das Thema ist Dir ernst.
Prämisse: Wir können uns Bio-Fleisch leisten. Ich fahr hier jeden morgen an glücklichen Rindern vorbei, die ganz bestimmt nicht unnötig leiden müssen. Wenn ich jetzt nur noch Fleisch von diesen Rindern esse, ist das Thema "unnötiges Leid am Tier" dann nicht durch? Wem muss ich dann noch was beweisen, wofür "ein Zeichen setzen" und Vegetarier werden?
Allgemeiner gesagt, bin ich für alles Leid, das ich hätte verhindern können, es aber nicht verhinderte, verantwortlich. Ich sehe da keinen Ausweg, zumindest nicht auf dieser Ebene der Betrachtung.
Interessantes Argument - aber ich sehe da einen entscheidenden Unterschied, Du tust nichts aktiv dafür, das die Kinder in Afrika hungern. Du tust aber etwas aktiv dafür, das Tiere sterben & leiden, in dem Du Fleisch kaufst und damit sozusagen "Beihelfer" des Metzgers wirst. Man mag argumentieren, das wir mit unserem westlichen Lebensstil auch zum Hunger in Afrika beitragen, aber das ist doch noch ein anderer Abstraktionsgrad und wesentlich indirekter.
Zitat:
Wir sind erfolgreich aus diesem Kampf hervorgegangen, als nachfahren von Siegern – nicht von Engeln! Das Anhäufen, der Egoismus und die Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal anderer Sippen und Arten sind anscheinend Teil des genetischen und kulturellen Programms, das uns erfolgreich gemacht hat. Es ist schwer, das nun abzuschütteln.
Diese Argumentation könnte Kriege, Sozialdarwinismus, beliebige Verbrechen rechtfertigen: "ich Sieger, Du Opfer". Ich bin auch nicht von ihrer Schlüssigkeit überzeugt. Vielmehr glaube ich, das die Fähigkeit zu Vernunft und Moral (oder nennen wir's Mitgefühl) mindestens genauso sehr Teil des Programmes sind, das den Menschen als Spezies so erfolgreich gemacht hat. Abgesehen davon finde "Sieger vs. Engel" zum einen etwas martialisch und zum anderen bisserl sehr schwarz/weiss.
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Whatever quantitative measure of success you set out to achieve becomes either unattainable or meaningless. The reward of running—of anything—lies within us.
Diese Argumentation könnte Kriege, Sozialdarwinismus, beliebige Verbrechen rechtfertigen - ich bin auch nicht von ihrer Schlüssigkeit überzeugt. Vielmehr glaube ich, das die Fähigkeit zu Vernunft und Moral (oder nennen wir's Mitgefühl) mindestens genauso sehr Teil des Programmes sind, das den Menschen als Spezies so erfolgreich gemacht hat. Abgesehen davon finde "Sieger vs. Engel" zum einen etwas martialisch und zum anderen bisserl sehr schwarz/weiss.
Es ist natürlich plakativ und zugespitzt, das hast Du völlig Recht. Aber wir haben eben diese beiden Seiten, das lässt sich nicht leugnen. Wer nur auf die eine Seite setzt (z.B. der Marxismus auf die Vernunft), wird den Menschen nicht gerecht.
Wie stehen Buddhisten zu diesen Fragen? Das buddhistische Kloster in Frankfurt a.M. schreibt dazu:
"Muss jeder Buddhist Vegetarier sein? Warum essen Buddhisten kein Fleisch?
Ein Buddhist muss nicht unbedingt auch Vegetarier sein.Man sollte auf keinen Fall selbst Tiere töten, darf aber Fleisch essen. Wenn unsere Barmherzigkeit größer wird und wir stärkeres Mitgefühl für andere Lebewesen empfinden, werden wir uns entscheiden, kein Fleisch mehr zu essen. Denn wir erkennen, dass für die Befriedigung unserer sinnlichen Begierde, Lebewesen sterben müssen.
Ein Erleuchteter hat sich bereits von jeglichen negativen Handlungen befreit, wir sind jedoch noch keine Buddhas oder Bodhisattvas. Inwieweit wir unsere Lebensweise an Buddhas Ratschlägen ausrichten, liegt daher bei uns selbst.
Buddha baute den Weg zur Befreiung stufenweise auf. Es gibt daher im Buddhismus kein muss für jeden, sondern die Handlung ist abhängig von der individuellen Entwicklung und Einsichtsfähigkeit. Buddha zeigte zwar deutlich auf, welche unheilsamen Folgen die unheilsamen Handlungen nach sich ziehen, er war sich aber auch bewusst, dass nicht jeder Mensch sofort alle negativen Handlungen einstellen kann. Daher sollte man die eigene Praxis langsam aber stetig vertiefen."