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Zitat von ziel
Sorry für das anstrengende folgen 
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Hallo Martin/Ziel,
danke für Deine Antwort, auf die zwischenzeitlich von qbz und Jörn ja schon verschiedenes geschrieben wurde - ich hatte heute noch keine Zeit, an den Computer zu gehen, deshalb antworte ich erst jetzt. Insbesondere qbzs Hinweise zur Entwicklung der judenfeindlichen Standpunkte des Christentums hätte ich auch selbst erwähnen wollen, wenn er es nicht schon getan hätte. Ich finde es mutig von Dir, hier von deinem persönlichen Glauben zu schreiben, und finde Deinen Standpunkt in seiner Weise bereichernd, auch wenn ich ihn nicht teilen kann. Ich finde Deine Ausführungen auch nicht anstrengender als die anderer Teilnehmer.
Zur Zeit lese ich das Buch "Inorthodox" von Deborah Feldman, die ihr Aufwachsen in einer ultraorthodoxen jüdischen Gemeinde in Williamsburg (New York) beschreibt. Die dortigen Gemeindemitglieder glauben trotz allem, was dem jüdischen Volk über die Jahrhunderte widerfuhr, dass ihr Gott sie nur prüfe und sie alleine mit dem Befolgen strengster uralter Regeln sich vorbereiten auf die Gnade Gottes. Das geht so weit, dass sie den Holocaust als Gottes Strafe für die Assimilation der Juden auffassen. Deshalb ist jetzt jede Annäherung an nciht nach den reinsten Regeln lebende Juden unmoralisch; sie wechseln die Straßenseite, wenn sie an einem katholischen Gotteshaus vorbeigehen, damit sie nicht versehenltich einen Blick der Statuen erhaschen und vieles mehr
Was diese Welt mit Deiner Welt gemeinsam hat, ist, dass sie ausschließt, dass jemand anders auf andere Weise zu himmlischem Glück gelangen kann. Je mehr ich aber über die Welt erfahre und lernte, umso
unglaublicher erscheint mir der Gedanke, dass unter all den Religionen nur eine einzige den Schlüssel zum Himmelreich erhalten haben soll. Ich finde den Standpunkt naiv und bezüglich des vorhandenen Wissens auch provinziell und ignorant, dass ein allumfassender Gott nur ein Volk auserwählt hat.
Dein persönlicher christlicher Glaube ist in meinen Augen sehr radikal, weil Du die Bibel wörtlich verstehen willst, obwohl bekannt ist, dass sie erst
lange nach dem Leben Jesu von
Menschen aufgeschrieben wurde und wir in vieler Hinsicht wissen, wo sie als Text historisch fehlerhaft ist. Dein Glaube ist insofern aber entwaffnend, weil Du daraus nur den Wunsch nach dem Guten für alle ziehst, und das kann und will ich natürlich nicht kritisieren

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Aber in dieser Absolutheit des eigenen Glaubens steckt natürlich grundsätzlich (nicht bei Dir persönlich) der Kern der Intoleranz. Bedford-Strohm antwortete in einem sehr viel früher zitierten Interview auf die Frage nach anderen Gläubigen sinngemäß "wer bin ich zu beurteilen, wer die ewige Gnade Gottes finden wird". Auf die Nachfrage, ob er sich insofern vorstellen könne, dass auch ein Muslim Gottes Gnade erfahren werde, antwortete er (wie Du) dass er sich das nicht vorstellen könne; er glaube, dass der Weg zu Gott nur über Jesus funktionieren kann.
Ich finde diesen Gedanken wirklich provinziell und er kann auch nur in Provinzen funktionieren, wo alle das Gleiche glauben (sollen). In Jerusalem ist das nicht der Fall und die Menschen dort begegnen sich mit größter Ablehnung und Feindschaft. Ich finde das beispielhaft für das, wozu dieser Alleinvertretungsanspruch einer als ewig behaupteten Wahrheit führt.
Und dann gibt es ja neben diesen drei abrahamitischen Religionen weltweit noch so viele andere Götter mehr, von denen wir heute alle wissen - oder zumindest wissen könnten. Wenn man sich eine Weile mit dem Glauben der Hinduisten oder der Buddhisten beschäftigt hat, drängt sich doch umsomehr die Frage auf, ob man selbst ein solches Glückskind ist,
ausgerechnet in den geografischen Bereich der Erde geboren zu sein, wo die Auserwählten sitzen. Das kann ich persönlich nicht glauben.
Es wirft in meinen Augen auch ein schräges Licht auf diese Gottesgestalt, der den größten Teil der Menschheit herumirren lässt, obwohl er nichts dafür kann, und nur den Juden, dann diesen aber doch nicht, sondern den Christen, dann diesen aber auch nicht, dann endlich aber den Muslimen er ein für alle Mal erklärt, wo es lang geht. Am Schluss kommt nur ein ganz kleiner Teil in den Himmel; das ganze vorher geschehene Elend an Schuldigen und Unschuldigen und auch das Elend am Jüngsten Tag selbst (was kann denn z.B. ein Kind in Bangladesch dafür, wenn es vor dem jüngsten Tag noch ncihts von Jesus gehört hat?) liegt in der Verantwortung dieses Gottes.