First of all:
IRONMAN von Hamburg - große Klasse!
Herzlichen Glückwunsch!
Was für ein Rennen!
Sowas oder ähnliches habe ich im Ziel viel dutzend Mal gesagt, in mehreren Sprachen, während ich die Medaille umhängte. Und dabei in leuchtende Augen geschaut, die zumeist einen zerschundenen Körper krönten. Abklatschen, Hände drücken, Oberkörper stützen oder auch mal eine herzliche Umarmung ... jedenfalls echte Mitfreude.
Bevor es für mich soweit war, war ich auch schon ein wenig im IRONMAN-Modus. Hier ein kleiner Bericht, wie sich mein Wochenende in Hamburg gestaltete, so "am Rand des Ganzen" und doch mit dabei.
Anreise am FREITAG Abend mit der Bahn, gut 700 km, Weg zum Hotel gut gefunden, Stellingen ist mit 4 S-Bahn-Stationen perfekt zu erreichen. Gutes, günstiges Hotel gefunden, alles passt.
SAMSTAG früh Besuch bekommen, wir frühstücken im "Café de Paris" (TIPP!) im Zentrum. Ich schau mir schon mal die Handelskammer hinter dem Rathaus an (Treffpunkt am Sonntag für die Volunteers im Zielbereich). Es reeeegnet Bindfäden. Tribünen im Zielbereich sind schon fertig, aber über all noch viele Handgriffe. Straßensperren sind vorbereitet, wird sicherlich schnell gehen am Abend. Wir schlendern über die Messe, nichts, was sich aufdrängt. Bummel durch die Hafen-City und die Speicherstadt, kurzer Blick in eine kleine Kaffee-Rösterei und das Gewürzmuseum. Auf dem Rückweg ist die Schlange an der "Elphi" nicht mehr so lang, also rauf auf die Plaza und den trüben Ausblick auf Hamburg "genossen". Was wohl die Athleten morgen erwartet? Wie die wohl heute denken? Ob sie dem Wetterbericht trauen, der ja eine deutliche Besserung verspricht?
Eine Seltenheit an den Landungsbrücken: Die "Cap San Diego", die sonst immer fest vertäut da liegt, ist weg. Kommt aber gerade wieder. Ein- bis zweimal im Jahr macht das Museumsschiff kleine Ausflüge bis nach Cuxhaven. Jetzt ist sie wieder da. Drei Schlepper drehen das Schiff gekonnt und bugsieren es an seinen Liegeplatz. Beeindruckend!
Besuch verabschiedet, selber noch einen Bummel rund um die Alster gemacht. Der Schwimmein- und ausstieg wird gerade ebenso gebaut wie der Ausstieg an der Kleinen Alster. Am Ballindamm sind die Räder jetzt eingecheckt, Beutel hängen. Aber wieso die im Regen keine Fahrrad-Garagen für die Rennmaschinen ausgegeben haben, verstehe ich nicht. Mancher hat mit dem "Gelben Sack" oder anderen Utensilien eine notdürftige Lösung gebastelt.Die Absperrgitter am Jungfernstieg werden aufgestellt und verankert, da sind Profis am Werk, das geht fließbandartig und richtig schnell! Auch sind immer wieder kleine Betonquader dazwischen gebaut - damit nicht ein Wahbnsinniger ...
Beim Pastafuttern in einem Restaurant noch andere Athleten getroffen, kurzer Wortwechsel und Daumen gedrückt.
Um 23:30 Uhr im Hotel, gut, dass ich nicht um 3 Uhr aufstehen muss. Aber ich stelle den Wecker auf 6 Uhr und lade nochmal meine Kamera auf.
SONNTAG: Wie mag es den Aktiven jetzt gehen? Kurz vor dem Start? Wenn ich nur daran denke, werde ich auch etwas aufgeregt. Doch ich kann mich zurücklehnen und um 7 Uhr mit der S-Bahn zum Jungfernstieg fahren. Dort tobt bereits das Leben im Wasser. Es brodelt und kocht, doch sind die meisten ruhig und zügig gleitend unterwegs. Die Sonne glitzert herrlich - das sind tolle Bilder, die ich da einfangen kann! Und doch weiß ich vom ITU-Triathlon, dass man es als Schwimmer gar nicht mag, wenn die Sonne so tief steht und man vor lauter Blendung kaum die nächste Boje sehen kann...
Immer mal wieder zum Schwimmausstieg gewechselt, Fotos gemacht. Tolle Stimmung, Freunde und Verinskollegen feuern an, was die Kehle hergibt. Wie immer, hängen auch jetzt (nur mit dem IM-Logo) die Schilder "Enten füttern verboten"; und ein Zuschauer witzelt angesichts des letzten müden Viertels des Feldes: "Die müssten noch >
Lahme< davor schreiben..."
Wenn ich an der T1 vorbeikomme, höre ich den Sprecher dort, wie er die Athleten motiviert. Und wie er über "Johannes" berichtet.
"Johannes steht nun schon fast eine Dreiviertelstunde hier und kriegt sein Rad nicht flott. Vier Schläuche schon verbraucht, welch ein Drama! Ich würde ihm ja gerne ein neues Hinterrad besorgen, damit das endlich ein Ende hat, aber dann erschießt mich die Kampfrichterin. Johannes, gib alles, dass der fünfte Schlauch endlich passt!"
Zwei Stunden zwanzig, es wird eng für einige. Die letzten 15 bekommen jeweils persönliche Begleitung von DLRG-Leuten im Kajak oder auf dem Surfbrett. Zehn Minuten vor Ende wird eine Frau beim Ausstieg rausgenommen, die zittert unglaublich am ganzen Körper. Rettungsdecke, 3 Sanis, ab zum Krankenwagen.
Soweit ich sehen kann, schaffen es wohl alle in der Cut Off-Zeit, das Schwimmen zu beenden.
Ich gehe frühstücken in der nahen Schanzenbäckerei (TIPP!). Lecker, günstig und vielseitig. Dabei sehe ich wieder ein Sicherheitsdetail: Die Mönckebergstraße ist durch einen quer stehenden LKW gesperrt - nicht, dass da einer die Straße runter Richtung Rathausmarkt rast... Nur, wenn ein Krankenwagen passieren will, fährt der Laster kurz vor und wieder zurück. Gut so!
Weiter auf Fototour, diesmal zum Wendepunkt der Radstrecke. Die ersten kommen schon zurück, ich sehe Daniela Sämmler und den einen oder anderen Mann. RESPEKT! Die anderen haben gerade erst die Hälfte hinter sich, sehen aber schon etwas angefasst aus...
13:45 Uhr ist Treffpunkt an der Handelskammer, ich bummele wieder zuück. Unglaublich: Die Schwimmstrecke ist schon abgebaut, alle Bojen und Pfeile entfernt, der normale Alster-Schifffahrtsbetrieb läuft wieder.
Ich bin eine halbe Stunde zu früh da, kann aber dabei beobachten, wie die Ziel-einlauf-Kids mit T-Shirts und Luftballons ausgestattet und instruiert werden. Sie sollen nachher mit den beiden Siegern einlaufen. Auch wir 7 werden über unsere Aufgaben beim Medaillenverteilen informiert, bekommen eigene Zugangsbändchen, ebenso wie die "Finishline-Catcher", die die einkommenden Athleten nachher ins Athletendorf bringen und betreuen werden.
Ich sehe die Medaillen: Wirklich tolle Auszeichnungen, mit der Elbphilharmonie als Motiv, ein Prunkstück jeder Sammlung. Irgendein hilfreicher Geist hat schon die ersten 1000 einzeln verpackten Dinger ausgepackt und kunstvoll auf einen Tisch drapiert sowie in 50er-Bündeln mit Kabelbindern an das obere Zeltgestänge gehängt.
Um 14:38 Uhr wird der erste Finisher erwartet, heißt es. Doch mit dem haben wir nichts zu tun. Mit den Profis generell nicht. "Das machen wir, dafür brauchen wir die und die Bilder", heißt es immer wieder von einigen aufgeregt wirkenden "wichtigen" Leuten. "Ihr stellt euch solange hier an der Rand". Herr X und Frau Y und der Senator Z müssen aufs Bild. Ja, gute Bilder sind wichtig und Teil des Profi-Geschäfts. Gut, dann mache ich eben selbst Fotos, vom Finish der TOP 3 und der Siegerehrung gleich im Anschluss. Die arme Daniela Sämmler darf nicht weggehen, auch wenn sie über eine halbe Stunde auf die Dritte warten muss und trotz dreier Decken und Folien jämmerlich friert. Auch ihre pers. Doping-Kontrolleurin weich ihr nicht von der Seite.
Kurz nach 16 Uhr frage ich mich, wieviele Medaillen ich wohl heute verteilt kriege, wenn das so weitergeht. Unsere Schicht soll ja schon um 18 Uhr enden. Doch dann nimmt der Strom der Finisher zu und wir geben unser Bestes, um sie im Ziel willkommen zu heißen. Wenn ich sowas wie eine Langdistanz jemals fertig bekäme, würde ich mich auch freuen, wenn ich im Ziel gefeiert und nicht abgefertigt würde.
"Ironman Thomas, schön dass du da bist - herzlichen Glückwunsch!"
Naztürlich weiß ich, dass ich hier auch den Veranstalter und die Firma IM repräsentiere, aber das ist eben so. Ich habe mir das genauso ausgesucht wie die Athleten, dass sie hier und heute dabei sein wollen. Und finishen!
"Pedro, welcome and congratulations! Well done - what a race!"
Irgendwann habe ich mir ein zweites Namensschild zugelegt, weil ich auch an die Foris denke. Links habe ich den Vornamen, rechts "Foxi" aufgeklebt. Später wird mich tatsächlich einer aus einem Berliner Forum erkennen.
Jetzt gehen die 50er Bündel doch recht schnell weg, doch hinter jeder Medaille, die ich vergebe, steckt eine persönliche Geschichte, die 9, 11 oder 13 Stunden gedauert hat. Oder länger.
"Neun Monate, meine Fresse!!", schreit ein Athlet, als er es geschafft hat und platt ist wie eine Finkenwerder Scholle.
Und auch der Zielsprecher hat seinen großen Auftritt. Immer wieder motiviert er das Publikum auf der Tribüne mit der Frage:
"Hier sind die Finisher - und wo ist Hambuooooorg???!!" Was ein ohrenbetäubendes Gebrüll und einen Begeisterungsorkan hervorruft. Und immer, immer wieder fällt das:
"And you - are an IRONMAN"!
Zur 2. Schicht sind übrigens nur 4 Leute erschienen; wenn ich Dienst nach Vorschrift gemacht hätte, wäre es eng geworden.
Den Athleten, den ich mir persönlich "ausgeguckt" hatte, den mit der Nr. 2238, verpassse ich irgendwie dann doch im Trubel. Plötzlich liegt Thorsten Schröder, der Tagesschau-Ironman, hinter mir am Boden, die NDR-Kameras auf sich gerichtet. Er reckt die Faust und feiert - und ist noch voller Adrenalin.
"Das war ein verdammtes Rennen, ein ver-damm-tes-Scheiß-Rennen!" brüllt er als erstes, und versucht sich zu sortieren.
Später erfahre ich, dass er 6. der AK (von 303) geworden ist, in 9:45 h. Hammerzeit!! Doch ob es reicht für seinen Traum von Hawaii, ist in diesem Moment noch offen.
Um 20:30 Uhr gehe ich zurück zur Handelskammer, ich habe seit dem Frühstück nichts gegessen und getrunken, fast nur gestanden. Die Pause ist fällig! Nach einigen Brötchen, Keksen und Holsten Alk-frei gehe ich um 22 Uhr wieder zurück zum Zielbereich. Ich will das Finale miterleben, sowas hat man schließlich nicht oft. Die Abstände werden größer, die Athleten immer kaputter, aber immer glücklicher, wenn sie reinkommen.
Um 23 Uhr ist Zielschluss. Daniela Sämmler ist plötzlich wieder da, verteilt selbst in der letzten halben Stunde Medaillen und gratuliert. Sie wirkt in Freizeitkleidung locker und entspannt, so als habe sie heute nicht schon ein bärenstarkes Rennen abgeliefert und gewonnen.
Zehn vor 11 werden Wunderkerzen verteilt, das gibt ein tolles Licht. Wir ehren noch einige Finisher und hängen ihnen die Medaillen um. Um 22:59 Uhr kommt noch jemand in Ziel, überglücklich. Dann werden wir Helfer und Offizielle alle vor die Ziellinie gescheucht.
"Raus, raus, geht nach vorn, das gibt tolle Bilder!" Alles ist in rotes Licht getaucht. Es wird runter gezählt, das Ziel offiziell geschlossen.
Eine halbe Minute später kommt noch einer, läuft auf den roten Teppich und dann ins Ziel. Und nun? Natürlich bekommt er alles, was die anderen auch bekamen, aber ob er nachher in der Liste steht?
Ich hab mal nachgeschaut: Der letzte Finisher steht mit 15:44 h drin... Wo sind die anderen???
Zum letzten Schluss wechselt dann auch die Musik. Statt der satten Rhythmen wird es jetzt volkstümlich, der alte Schlager von Heidi Kabel wird gespielt: "In Hamburg sagt man Tschü-üß... beim Auseinandergehn." Da wechseln sogar die Cheer-Girls den Step-Rhythmus und fangen an zu schunkeln.
Um 5 nach elf beginnen die Abbauarbeiten. Die Sponsor-Plakate und Folien werden abgeknipst, Lichtorgeln abgestöpselt usw.
Ich lege mit den anderen Helfern die letzten Medaillen in den Karton, verabschiede mich und gehe - voller intensiver Eindrücke und doch weit, weit weg von dem, was die Atheleten heute erlebt haben. Ihnen gebührt mein großer
RESPEKT.
Auch all denen hier aus dem TS-Forum.
Aber einige Male gehört zu haben: "Schön, dass Ihr heute für uns da wart!", das hat auch was ...