Es wird aber kaum jemand behaupten wollen, dass der Verzicht auf Wissenschaft und womöglich das Vertrauen auf Religion(en) die die Lösung wäre.
Zitat:
Erstens: Selbst wenn die Wissenschaft völlig verwerflich wäre, würde das keineswegs bedeuten, dass Religionen gut wären. Religionen müssen ihre Vorzüge eigenständig beweisen.
Ich glaube hier liegt ein Mißverständnis vor. Es geht mir nicht darum, die Religionen als bessere Lösung darzustellen. Vielmehr hat Jörn diese bereits ad acta gelegt und schlägt vor:
Zitat:
Ethik, Moral, Barmherzigkeit, Menschlichkeit, Güte: Das müssen wir ohne Religion auf die Reihe bekommen. Das ist auch kein Problem, wenn wir einfach das Richtige tun. So schwierig ist das nicht.
Das finde ich interessant und frage daher nach, wie das genau gehen soll.
Jörn schlägt vor:
Zitat:
Ich würde mich am Vorbild der Wissenschaftsgemeinde orientieren, weil diese das bisher erfolgreichste Modell hat. (Bis wir ein noch besseres finden.)
Ich bin sehr daran interessiert, ein besseres Modell zu finden, aber es muß seine
Zitat:
....Vorzüge eigenständig beweisen.
Dazu muß man Jörns These ebenso auf den Prüfstand stellen dürfen, wie das bei jedem einzelnen Bibelvers hier auch gemacht wird.
Also nochmal zur Wissenschaftsgemeinde als Vorbild und ihrem Vertreter Herrn Haber.
Mich würde interessieren, ob man das Wirken von Herrn Haber in der Summe als erfolgreich zu bewerten hat ?
Zitat:
Zitat von Jörn
Der Erfolg eines wissenschaftlichen Projektes bemisst sich nicht daran, ob jemandem das Ergebnis gefällt. Sondern es misst sich daran, ob das angepeilte Ziel erreicht wurde.
Mich würde interessieren, ob man das Wirken von Herrn Haber in der Summe als erfolgreich zu bewerten hat?
Ja, denn sein Ziel war es, eine Kriegswaffe herzustellen.
Die Wissenschaft kann Ethik nicht ersetzen. Was unter ethischem Handeln zu verstehen ist, müssen die Menschen untereinander aushandeln. Wir tun das bereits in Form von nationalen und internationalen Gesetzen, Menschenrechtskonventionen und so weiter.
Die Wissenschaft muss weitestgehend frei sein. Die Nutzanwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse ist es jedoch nicht. Sie wird kontrolliert von ethischen Maßstäben, über die wir uns zu verständigen haben.
Die Kernspaltung zu erforschen ist okay, sie für friedliche oder kriegerische Zwecke einzusetzen ist jedoch auch eine ethische Frage. Wir selbst müssen sie beantworten.
Die katholische Kirche auch unter dem jetzigen Papst exkommuniziert seit jeher einfach gnadenlos kritische prominente Gläubige, die aktiv Reformen praktizieren, so z.B. 2014 Martha Heizer, die damalige Vorsitzende der "Wir sind Kirche" Reformbewegung in Österreich, als Abschreckung. Papst-exkommuniziert-Chefin-von-Wir-sind-Kirche
Ist doch nicht erstaunlich. Die Dame ist Mitglied in dem Club, sie hält sich aber nicht an die Clubregeln und fliegt raus.
Davon abgesehen, hatte sie sich durch ihr Verhalten ohnhin bereits selbst exkommuniziert, denn sie scheint sich durch ihr Vorgehen der Häresie schuldig gemacht zu haben. Die Exkommunukation tritt hierbei von selbst ein, es handelt sich um eine Tatstrafe. (Dabei fällt mir gerade auf, dass vermutlich die überwiegende Mehrheit der Katholiken bereits, ohne es zu wissen, exkommuniziert sein muss )
Die zusätzliche Spruchstrafe vom Chef persönlich ändert dann auch nichts mehr daran. Somit hätte eigentlich der Hinweis des Vatikan über die Selbst-Exkommunikation ausgereicht. Aber wer, außer Jörn , kennt sich in dem Laden schon aus...
Du schreibst, dass Wahrheit im Grunde nur bedeutet, was sich in unserem Bewusstsein als Wahrheit manifestiert.
Ich weiß nicht genau ob ich das sagen so sagen wollte, wie ich den Satz, den Du geschrieben hast verstehe.
Ich meinte: Wir prüfen ob etwas (eine Tatsache) wahr ist, indem wir diese Tatsache gegen die Repräsentation der Wirklichkeit in unserem Bewußtsein prüfen. Je nach Ausgang dieser Prüfung, bezeichnen wir Aussagen über diese Tatsache als Wahrheit. Über eine Manifestation der Wahrheit in unserem Bewusstsein habe ich - zumindest absichtlich - nicht weiter nachgedacht.
Zitat:
Zitat von Jörn
Ich glaube jedoch nicht, dass diese Betrachtung etwas mit Religion zu tun hat. Du stellst den Zusammenhang mit Religion bewusst nicht her [...]
Wenn es nicht klar wurde - sorry. Der Zusammenhang ist eine Anwendbarkeit auf Beurteilung bzw. Kritik an Weltbildern und damit auch auf/an Religionen und ist folgender (Die Asteriske verweisen auf Anmerkungen):
1) Obiges beachtet ist einsichtig, dass der Ausgang einer jeglichen Wahrheitsprüfung grundlegend von der Repräsentation der Wirklichkeit in unserem Bewußtsein abhängt. Beispiele für Menschengruppen die wenigstens in Teilen andere Wirklichkeitsbegriffe haben, habe ich viel früher schon gegeben (Reichsbürger, Schamanen, Bruno Gröning Freunde, ...). In der Folge führen andere Wirklichkeitsbegriffe ggf. zu anderen Entscheidungen im Definitionsproblem (Erkenntnistheorie: Nach welchen Kriterien wird entschieden ob etwas wahr ist oder nicht?)*
2) Die Erzeugung eines Bewusstseins (und in der Folge eines phänomenalen Selbstmodells) durch unser Gehirn ("ontologische Maschine") ist wenigstens sowas wie adaptiv - im schlimmsten/besten (je nach Sichtweise ) Fall sogar emergent. Als einfaches Beispiel habe ich die "Gummihand Illusion" genannt und empfohlen für Weiteres Metzinges Buch "Der Ego Tunnel" zu lesen.
Im Anschluß daran wird klar, warum trotz eines anderen Wirklichkeitsbegriffes und in der Folge anderen Definitionen als Grundlage für Wahrheitsentscheidungen (Definitionsproblem) in Religionen, die Religionen aus naturwissenschaftlicher Sicht trotzdem** zu hinterfragen sind. Als Beispiel für einen Ausschnitt aus einer anderen Definition als Grundlage für Wahrheitsentscheidungen habe ich viel früher im Thread mal erläutert, dass "Gott" in der konkreten Religion keine Conclusio ist, sondern ein Axiom und Axiome sind grundsätzlich nicht zu beweisen. Siehe z.B. Konstruktion der Mathematik.
Ich zitiere an der Stelle jetzt mal Prof. Metzinger aus einem Interview (nicht aus dem Buch). Eventuell motiviert das sich in seine und die notwendige Sekundärliteratur zu vertiefen.
Eine falsche Theorie, die kulturell eingebettet worden ist, kann unser aller Selbstmodelle beeinflussen
Ich nehme an, dass wir uns, indem diese neuen wissenschaftlichen Informationen kulturell sehr gut zugänglich sind, tatsächlich schrittweise psychologisch verändern, möglicherweise auch unbewusst.
Ich habe neulich von einer ganz normalen Hausfrau gehört, die ganz beiläufig behauptete, Willensfreiheit gäbe es gar nicht, das sei doch jetzt geklärt, weil sie das neulich beim Bügeln im Radio gehört hätte. Das heißt: Es ist noch längst nicht begrifflich geklärt, was Willensfreiheit überhaupt ist, im welchen Sinne wir diese empirisch besitzen oder nicht, aber in den Medien werden Sachen behauptet, die sich manche Leute einfach zu eigen machen und dadurch möglicherweise ihr Erleben verändern.
Es gibt auch allererste wissenschaftliche Untersuchungen, die zeigen, dass Menschen, die mit Informationen konfrontiert werden, die ihren Glauben an die Willensfreiheit schwächen, zu egoistischerem Verhalten neigen und bei Tests auch häufiger betrügen, dass Aggressivität verstärkt und Hilfsbereitschaft geschwächt wird.
Jetzt stellen Sie sich vor, die Theorie, dass es keine Willensfreiheit gibt, wäre schlicht falsch, aber sie würde durch einen unglücklichen Zufall nicht nur in den Medien transportiert, sondern auch von Vielen geglaubt. Danach wird sie in einen kulturellen Kontext eingebettet, wodurch es sein könnte, dass sich Millionen von Menschen anders erleben und anders verhalten - eine falsche Theorie, die kulturell eingebettet worden ist, kann unser aller Selbstmodelle beeinflussen. Und das emotionale Selbstmodell steuert unser Verhalten - denken Sie nur an die organisierten Religionen.
Dieses Beispiel lässt sich auf ganz viele andere Bereiche übertragen, wobei aber die Theorien durchaus auch richtig sein könnten: Wenn immer mehr Menschen davon überzeugt werden, dass es kein Leben nach dem Tod gibt, dass das Bewusstsein grundlegend ein biologisches Phänomen oder kulturelle Evolution nur ein Sonderfall biologischer Evolution ist; falls das tatsächlich wahr ist und immer mehr Menschen verstehen und fest davon überzeugt sind, dass die Evolution auf beiden Ebenen kein Ziel verfolgt, dass deshalb zum Beispiel auch geistige Eigenschaften in einem Prozess entstanden sind, der niemals einen "Sinn" im traditionellen Verständnis hatte, dann verändert das uns emotional, intellektuell und möglicherweise auch unbewusst. Ich denke, das ist eine Entwicklung, die nicht frei von Risiken ist.
Anmerkungen:
*) Typischerweise ist es den Menschen lieber, dass wir Wahres von Falschem unterscheiden können. Der Grund liegt darin, dass man sich - basierend auf dem intersubjektiven Modell der Wirklichkeit (Danke Evolution!) in der Aussenwelt (im Unterschied zu der im "Ich" erlebten Innenwelt) besser zurecht findet, wenn man sich auf Wahres verlässt als auf Falsches. Im schlimmsten Falle führen falsche Wahrheiten zum Tod Das ist auch der Grund, warum stark veränderte Wirklichkeiten nicht vorteilhaft sind. Schon alleine das ist ein Grund, warum Religionen sicher noch weiter zurückgedrängt werden als sie es jetzt schon sind. Mit zurückgedrängt meine ich, dass Menschen den Gesetzen der Religionen immer weniger stur folgen, denn das hat Nachteile. Im Mittelalter war das anders, denn da hatte genau das Gegenteil ziemlich sicher den Tod zur Folge.
**) Trotzdem meint in dem Zusammenhang, obwohl Religionen und Naturwissenschaft einen anderen Wirklichkeits- und damit Wahrheitsbegriff haben. Eine ernsthafte Kritik an Religionen sollte deshalb nicht durch prüfen von Aussagen mithilfe von Methoden aus einem axiomatisch fremden System durchgeführt werden (Das Ergebnis der Prüfung wird praktisch für fast alle Aussagen "falsch" sein), sondern muss sich immer auf das Objekt (also in dem Falle den Menschen) beziehen. An der Stelle muss die Prüfung dann aber auch empirisch sein.
Falsch: "Die Bibel sowie mein Glaube sind wahr und alleine wahr. Ich und meine Glaubensgemeinschaft weiß es von Gott selbst."
Richtig: "Das Christentum oder Teile davon sagen mir etwas. Sie sagen mir persönlich etwas, haben aber dadurch nicht automatisch Gültigkeit für andere. Ein faktischer Wahrheitsanspruch wird nicht erhoben. Andere Menschen können mit dem gleichen Recht andere Haltungen vertreten."
Wer könnte dem nicht zustimmen? Rein aus dem Bauch heraus würde ich sagen, dass Punkt zwei von den meisten getauften Menschen in D so gesehen wird. Und nebenbei bemerkt, wird zumindest Glaubensfreiheit sogar vom Vatikan vertreten.
Falsch: "Die Bibel sowie mein Glaube sind wahr und alleine wahr. Ich und meine Glaubensgemeinschaft weiß es von Gott selbst."
Richtig: "Das Christentum oder Teile davon sagen mir etwas. Sie sagen mir persönlich etwas, haben aber dadurch nicht automatisch Gültigkeit für andere. Ein faktischer Wahrheitsanspruch wird nicht erhoben. Andere Menschen können mit dem gleichen Recht andere Haltungen vertreten."
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Der Wechsel vom absoluten, faktischen Wahrheitsbegriff hin zum literarischen, persönlichen Wahrheitsbegriff könnte viel helfen.
So versuche ich es auch zu tun. Kritikpunkte offen ansprechen, aber das Gute bewahren. Dabei gibt es natürlich Überschneidungen, aber wir haben ja Gesetze.
Meiner Meinung nach bringt das der Menschheit mehr, als Religionen komplett auszuschließen. Gibt es sie irgendwann nicht mehr, hat das seine Richtigkeit. Aber es muss sich entwickeln.
Wer könnte dem nicht zustimmen? Rein aus dem Bauch heraus würde ich sagen, dass Punkt zwei von den meisten getauften Menschen in D so gesehen wird. Und nebenbei bemerkt, wird zumindest Glaubensfreiheit sogar vom Vatikan vertreten.
Der Vatikan sagt, wer kein Christ ist, kommt in die ewige Hölle, und meint das ernst. Das ist ungefähr das Gegenteil von dem, was ich oben vorgeschlagen habe. Der Vatikan hält das, woran er zu glauben vorgibt, für eine faktische Wahrheit und Tatsache.
Odysseus und die Sirenen sind literarische Figuren. Sie existieren im Sinne des literarischen Wahrheitsbegriffs. Ihr Botschaft handelt von der Anziehung zwischen Mann und Frau. Wer sich dieser Botschaft nicht anschließen will, kommt weder in die Hölle noch wird er auf irgend eine andere Art betraft.
Jesus und der heilige Geist sind ebenfalls literarische Figuren. Jesus hat als Sohn Gottes nie existiert, der heilige Geist ebenfalls nicht. Sie existieren im Sinne des literarischen Wahrheitsbegriffs. Das Christentum verteidigt jedoch den faktischen Wahrheitsbegriff. Wunder sind hier tatsächliche Begebenheiten, Engel tatsächlich existierende Wesen. Luther will angeblich mit einem Tintenfass nach dem Teufel geworfen haben, der in seinem (Luthers) Arbeitszimmer auftauchte. Papst Franz hält den Teufel für eine reale Person.