Ich möchte noch einmal auf den von qbz verlinkten Lohfink -Text eingehen, weil ich die dortige Argumentation interessant finde - sie begegnet einem ja immer wieder von Seiten der Kirche.
(es ist etwas lang geworden..sorry.. es waren ja auch pdf-13 Seiten)
„Den 11. September hat uns der Islam beschert“. An der Katholischen Akademie in Bayern kann man das offensichtlich widerspruchsfrei sagen. Eigentlich schon ein Hammer zu Beginn, dieser Satz. Da möchte ich doch gleich im gleichen Niveau antworten: „Die Kreuzzüge hat uns das Christentum beschert“ oder auch „den Judenhass hat uns das Christentum beschert“.
Lohfink nimmt sich den Begriff des Monotheismus vor: er sagt, dies sei keine Selbstbezeichnung, sondern sei erst im 17. Jahrhundert entwickelt worden. Mit definitorischen Übungen wie „verschiedene Erfahrungen des einen Gottes“ und „Einheit des Göttlichen im Polytheismus“ möchte er den Begriff Monotheismus entwerten, als läge er nicht im Wesen der Religionen selbst. Wie passt das zum ersten Gebot „Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.“? Es ist lächerlich, zu versuchen, über Begrifflichkeiten dem Christentum den monotheistischen Charakter abzusprechen.
Lohfinks nächstes Argument ist die Gewalt selbst, die sich überall zeige, wo Menschen sind. Dies gelte insbesondere für die Zeit, in der das Alte Testament entstanden sei. Das faktische Israel sei zum großen Teil und lange Zeit hindurch polytheistisch gewissen. Bereits in dieser Zeit habe in allen Legenden Gewalt geherrscht. Die Gewalttat „Vernichtungsweihe“, als „die Ausrottung der Bevölkerung einer eroberten Stadt“ als „Opfergabe an die eigene Gottheit“ sei keine Erfindung Israels, sondern gang und gäbe gewesen. Auch in den polytheistischen Ländern Ägypten und Azur mit ihren Weltherrschaftsideologien habe die Gewalt geherrscht.
Dieser Betrachtung kann ich etwas abgewinnen: der biblische Text wurde nunmal von Menschen in dieser Zeit verfasst. Die Bibel ist ein historischer Text. Lohfink selbst schreibt „Für den Historiker ist eine zeitgenössische Inschrift, die man unter der Erde gefunden hat, eine viel zuverlässigere Quelle als eine Erzählung in einem biblischen Buch, die der literarischen Gattung nach lange nur als Sage umging, erst Jahrhunderte nach den Ereignissen niedergeschrieben und uns nur in noch späteren literarischen Darstellungen erhalten ist“ Diese Argumentation benutzt er, um die Historizität der Aussagen zur Gewalt aus der Bibel anzuzweifeln.
Lohfink erklärt dann allerdings wie die Bibel als heiliges Buch richtig zu lesen sei (offenbar erkennt er keinen Widerspruch zu seiner vorherigen Aussage, es seien menschliche Texte vor zeitgebundenem Hintergrund).
„Man muß heilige Bücher so lesen, wie sie in ihrer Rezeptionsgemeinschaft selbst gelesen wurden und werden. Das Alte Testament, einmal zum Kanon geworden, ist deshalb als Einheit zu lesen. Seine Bücher selbst stammen aus verschiedenen Epochen und spiegeln verschiedene Weltsichten. Als Teile des Kanons wachsen sie jedoch zur Einheit zusammen, treten ins Gespräch miteinander und stimmen sich in ihren Aussagen aufeinander ab“
Diese Forderung ist kühn. Der „Dialog der Teile des Kanons miteinander“ ist eine „elegante“ Möglichkeit, die eklatanten Widersprüche der Textteile zueinander aufzulösen. Dabei ist Erklärung viel einfacher: Menschen zu unterschiedlichen Zeiten haben Unterschiedliches geschrieben. Natürlich kann ich so nachvollziehen, wie er das Buch verstanden wissen will. Aber könnte er selbst diesem Anspruch auch z.B. bei einem hinduistischen Text folgen? Ich sehe die Notwendigkeit, dem zu folgen, um seine Gedanken nachzuvollziehen - aber teilen kann ich sie nur deswegen nicht.
Gott habe die Welt als Paradies geschaffen, der Mensch habe die Gewalt ins Spiel gebracht, die mit Gottes Hilfe durch „legitime“ Gegengewalt gebändigt worden sei. Die zweite neue Welt (nach der Sintflut) habe Gott „mit eingebauter Gewalt im begrenzten Maß" geschaffen. „Diese Aussagen der biblischen Urgeschichte […] beanspruchen Geltung. Um die Gewalt zu bändigen, ist leider Gewalt vonnöten.“ Und später schreibt er von „legitimer Gewalt Israels“.
„Das Alte Testament in der Fülle seiner Texte ist nun das höchstkomplizierte Zeugnis des für Israel selbst nötigen Weges aus der Gewalt“ Dann wählt er unterschiedliche Textbeispiele aus dem AT, um einen Weg zu beschreiben, den aus der Gewalt. Das ist eine wünschenswerte Sicht, aber natürlich eine zeitgebundene, dem 21. Jh. verhafteter Blick. ("Schwerter zu Pflugscharen"). Die Kirchengeschichte zeigt, zu welch eklatant anderen Auslegungen man kommen kann, und welche Arten von Gewalt über Jahrhunderte mit ebenso elaborierten Interpretationen üblich waren.
Mit welcher Kompetenz ist Herr Lohfink ausgestattet, dass ich seiner Interpretation vertrauen soll und nicht einer ganz anderen?
In diesem Zusammenhang würde mich noch interessieren, wie er den elegant ausgeklammerten Begriff des Auserwählten Volkes im Sinne des AT, des NT, des Judentums und des Islam interpretiert. Wer ist jetzt auserwählt?
(Wer es bis hierhin gelesen hat - danke fürs Lesen

)