Zitat:
Zitat von Klugschnacker
Wie denkst Du über die Ungleichheit zwischen den Ländern? Der Wohlstand des globalen Nordens und die relative Armut des globalen Südens?
Ich frage vor dem Hintergrund des Bevölkerungswachstums. Für mein vorläufiges Verständnis sind die hohen Geburtenraten eine Folge der Armut und damit eine Folge der Ungleichverteilung des weltweiten Wohlstands. Ist nicht unsere kapitalistische Wirtschaftsform eine der Ursachen dafür?
|
Wir haben heute nur noch sehr wenige Gebiete auf der Welt, die von der Bevölkerung wachsen. Die meisten haben mittlerweile eine Fertilitätsrate erreicht, die auf Schrumpfung hinausläuft. Man kann sehr genau sagen, welche Gründe die Abnahme der Fertilitätsrate erklären:
Das ist erstens eine geringe Kindersterblichkeit. Diese basiert auf mehreren Säulen. Die wichtigsten sind Hygiene, Impfungen, ausreichend Nahrung und medizinische Versorgung.
Die zweite Säule ist der Ausbildungsstand von Frauen. Je besser ausgebildet Frauen sind, umso niedriger ist die Geburtenrate.
Beide Punke korrelieren stark mit dem wachsenden Wohlstand. Und wir haben hier global eine phantastische Entwicklung hingelegt. Das haben wir auch dem Kapitalismus zu verdanken. Sicher könnte hier vieles besser sein. Aber die Lebenssituation in den Entwicklungs- und Schwellenländern messen wir gern an unserem Standart. Wenn man sich die Entwicklung dort anschaut, sieht das aber wirklich gut aus. Dennoch haben wir in den nächsten Jahren noch einen Bevölkerungswachstum. Der kann aber nicht mehr auf die Fertilitätsrate zurückgeführt werden. Die jetzt geborenen und jüngeren Menschen haben eine deutlich höhere Lebenserwartung. Dieser Effekt nennt sich Bevölkerungsmomentum und wird erst aufgelöst, wenn die aktuelle lebende Bevölkerung sich ihrem biologischen Ende zuneigt. Liest sich wenig charmant, ist aber so. Dieses Momentum haben wir natürlich auch den deutlich verbesserten Verhältnissen und somit auch dem Kapitalismus zu verdanken.
Eine kleine lesenswerte Literaturempfehlung an der Stelle wäre "Factfulness" von Hans Rosling, einem Professor am Karolinska Institut.
Zitat:
Wenn ich mir vorstelle, dass in Afrika noch vor Ende dieses Jahrhunderts 4 Milliarden Menschen leben werden, dreimal so viele wie heute, dann habe ich eine Katastrophe vor Augen. Wie denkst Du darüber?
|
Das ist ein riesiges Problem. Afrika ist glücklicherweise der einzige Kontinent, wo die Fertilitätsrate noch über Reproduktionsgröße liegt. Aber das deutlich, siehe hier:
https://de.statista.com/statistik/da...h-kontinenten/
Das Problem liegt hier in Nigeria und Umland sowie im Kongo. Schaut man sich die Prognosen der Fertilität an, sind wir auf einem guten Weg:
Durch den Momentum Effekt wird es aber dennoch in die von Dir vermutete Richtung gehen. Das ist ein wenig wie beim CO2 Effekt. Wenn sich jetzt was verändert, spürt man die Auswirkungen deutlich später. Positiv ist aber, daß die Tendenz global sehr klar und in Afrika zumindest tendenziell in die richtig Richtung geht.
Damit ist Deine Frage aber nicht beantwortet. Ich denke, daß wir hier leicht positive Effekte erzielen können und den Prozess zumindest leicht beschleunigen können, wenn wir fairen Handel mit den Ländern betreiben, so daß diese sich mehr und mehr die Voraussetzungen schaffen können, um die Geburten vielleicht jetzt schneller sinken zu lassen. ich habe aber kein Gefühl wie stark dieser Effekt wäre. Aber jeder Versuch ist es wert, wenn man dann die Situation nicht verschlimmbessert.