Nehmen wir als Beispiel jenes moralische Handeln, welches die größte Auswirkung hat und deswegen ganz besonders unmissverständlich geklärt sein sollte: das Töten.
Ist es ein Verbot oder ein Gebot der christlichen Bibel, zu töten? Ist es strikt verboten oder wird es sogar angeordnet?
Verbietet der Koran des Töten kategorisch, oder ordnet er es (auch) an?
Gibt es Vorschriften im Judentum, das Töten zu unterlassen? Oder wird es von Jahwe sogar gefordert?
In allen drei Schriften gibt es widersprüchliche moralische Gesetze. Das Töten wird sowohl verboten als auch angeordnet. Ein moralisches System hat sich hier nicht gebildet. Sondern die Schriften empfehlen stets das, was zu ihrem Ausbreitungserfolg nützlich schien.
Deswegen wird die Leugnung religiöser Dinge mit der Tötung des betreffenden Menschen, hilfsweise auch des ganzen Volkes, bestraft. Nicht-religiöse Sünden werden hingegen kaum erwähnt, weil sie mit dem Ausbreitungserfolg der Religion sowieso nichts zu tun haben. Bei nicht-religiösen Regelungen geht es meist um läppischen Besitz, etwa Ochsen oder Esel, aber eher selten um menschliche Verfehlungen. Ehebruch wird als Eigentumsdelikt verstanden -- der emotionale Teil wird nichtmal erwähnt. Der emotionale Teil ist der geringste von allen.
Daran kann man sehen, wie hoch jene Taten bewertet werden, die religiöse Folgschaft bedeuten; und wie gering jene Taten bewertet werden, bei dem diese Folgschaft keine Rolle spielt. Jene Dinge, die wir heute als "Moral" verstehen, nämlich den emotionalen Teil eines Ehebruchs, spielte überhaupt keine Rolle, weil diese "Moral" aus einer Zeit stammt, zu der der Ausbreitungserfolg noch das bestimmende Kriterium darstellte.
Anstelle von Moral haben wir einen Mechanismus für den maximalen Ausbreitungserfolg. Was die Eigenschaft hatte, sich erfolgreich auszubreiten, wurde zur "Moral". Was dazu nichts beitrug, wurde moralisch nicht (oder kaum) geregelt. Das erklärt die widersprüchlichen Gebote/Verbote in allen drei Religionen. Töten ist nicht schön und möglichst zu unterlassen, aber Ungläubige soll man auf jeden Fall töten. Es ist nur scheinbar ein Widerspruch. Die angebliche Moral der Bibel ist vor allem eine Anleitung für den Ausbreitungserfolg für sie selbst.
Man kann das gedanklich überprüfen: Es ist moralisch, einem Scharlatan das Handwerk zu legen, denn der Scharlatan könnte potenziell jeden beschädigen. Es ist jedoch unmoralisch, einem Bischof zu sagen, er sei ein Scharlatan -- selbst dann nicht, wenn man Berge von Beweisen vorlegt. Es schickt sich einfach nicht. Es entspricht einer Jahrtausende alten Tradition, dass ein Priester (also der, der die Ausbreitung organisiert), moralisch unantastbar ist. Wer den Motor der Ausbreitung infrage stellt, handelt unmoralisch, egal was er sagt.
Die Sklaven durften sichh niemals wehren gegen körperliche Angriffe der Herrschenden (auch Bauern im Feudalismus nicht, Verfolgte und Unterdrückte usf..), Notwehr gegen Herrschende wurde oft mit dem Tode bestraft.
Alles richtig. Aber moralische Normen konnten die Sklaverei, der Feudalismus und das Pharaonentum deshalb setzen, weil sie sich ausbreiten konnten. Diese Ausbreitung verlief erfolgreich, weil die zugrunde liegenden Strategien erfolgreicher waren als konkurrierende Strategien.
Sklaverei: Eine mögliche Moral hätte darin bestehen können, dass jeder Sklave rackern muss, bis er tot umfällt. Mit dieser brachialen Moral hätte die Sklaverei jedoch keinen Erfolg gehabt und sich nicht ausgebreitet. Also gewährte man Sklaven minimale Pausen, die deren Arbeitskraft erhalten konnten. Auf diese Weise hatte die Strategie, sich Sklaven zu halten, Erfolg und breitete sich aus. Gleichzeitig etablierte sie die moralische Norm, wie Sklaven zu halten seien. Die Bibel hält diesbezüglich zahlreiche detaillierte Tipps bereit.
Moral kommt im Schlepptau der Strategien daher, denen es gelingt, sich stark auszubreiten.
Da sind wir einer Meinung. Wir sagen beide, dass Moral Ursachen hat. Sie wurde uns nicht vom Himmel herab gereicht.
Du konzentrierst Dich vor allem auf diese Ursachen; eine davon sind die sozialen und ökonomischen Verhältnisse, unter denen die Menschen leben. Ich konzentriere mich auf den Mechanismus, wie diese Ursachen auf die Moral wirken.
Die Ursachen einer Moral können in den sozialen und ökonomischen Verhältnissen liegen. Der Mechanismus, wie diese Ursachen eine bestimmte Moral unter mehreren möglichen herausgebildet haben, ist schlicht ihr Ausbreitungserfolg.
einverstanden, würde da nicht "können" stehen. (für weitverbreite, vorherrschende Moralnormen),
Es geht aber noch um mehr als um die Ursachen. Die Inhalte der Moral hängen mit den sozialen Verhältnissen dergestalt zusammen, indem sie in weiten Teilen die Normen der Herrschenden beeinhalten und die Ausbeutung anderer ermöglichen. Es ist deswegen kein "Zufall"; welche inhaltlichen Moralnormen gelten.
Alles richtig. Aber moralische Normen konnten die Sklaverei, der Feudalismus und das Pharaonentum deshalb setzen, weil sie sich ausbreiten konnten. Diese Ausbreitung verlief erfolgreich, weil die zugrunde liegenden Strategien erfolgreicher waren als konkurrierende Strategien.
Nein, das greift zu kurz. Die Entstehung auf Spieltheorie zu reduzieren funktioniert nicht. Es sind nicht immer die erfolgreichen Strategien/Normen die sich durchsetzen.
Alles richtig. Aber moralische Normen konnten die Sklaverei, der Feudalismus und das Pharaonentum deshalb setzen, weil sich sich ausbreiten konnten. Diese Ausbreitung verlief erfolgreich, weil die zugrunde liegenden Strategien erfolgreicher waren als konkurrierende Strategien.
Sklaverei: Eine mögliche Moral hätte darin bestehen können, dass jeder Sklave rackern muss, bis er tot umfällt. Mit dieser brachialen Moral hätte die Sklaverei jedoch keinen Erfolg gehabt und sich nicht ausgebreitet. Also gewährte man Sklaven minimale Pausen, die deren Arbeitskraft erhalten konnten. Auf diese Weise hatte die Strategie, sich Sklaven zu halten, Erfolg und breitete sich aus. Gleichzeitig etablierte sie die moralische Norm, wie Sklaven zu halten seien. Die Bibel hält diesbezüglich zahlreiche detaillierte Tipps bereit.
Moral kommt im Schlepptau der Strategien daher, denen es gelingt, sich stark auszubreiten.
Und was entscheidet in den Beispielen den Erfolg der Strategie (Ausbreitung) im Unterschied zu anderen: Die bessere Ausbeutungsökonomie für die Herrscher.
Die Inhalte der Moral hängen mit den sozialen Verhältnissen dergestalt zusammen, indem sie in weiten Teilen die Normen der Herrschend beeinhalten und die Ausbeutung anderer ermöglichen. Es ist deswegen kein "Zufall"; welche inhaltlichen Moralnormen gelten.
Auch hier bin ich Deiner Meinung. Moralische Normen sind alles andere als ein Zufall. Sondern das Ergebnis einer Auslese. Was sich gut ausbreiten kann, überlebt, was sich nicht ausbreiten kann, verschwindet.
Ich stimme mit Dir auch darin überein, dass sich moralische Normen nicht zwangsweise am Wohle der Menschen, genauer: am Wohl einer möglichst großen Zahl an Menschen, orientiert. Sie orientieren sich am Ausbreitungserfolg.
Der Feudalismus war gut für die herrschende Klasse, nicht jedoch für die Bauern, die bei weitem in der Mehrzahl waren. Denkt man sich zur gleichen Zeit eine bessere Gesellschaftsform, die sich jedoch nicht ausbreitet, so hat diese bessere Form keine Chance, moralische Normen zu setzen.
Das Christentum ist nicht deshalb so weit verbreitet, weil es die für den Menschen besten Normen enthielte. Sondern weil es mehr Ausbreitungserfolg als als konkurrierende Konzepte hatte.
Die Bewertung, ob eine Strategie gut oder schlecht für die Menschen ist, ist nicht einfach. War das Pharaonentum gut oder schlecht für die Ägypter? Den Sklaven ging es schlecht. Doch durch den Glaube an den gemeinsamen Gott waren die Ägypter zu gemeinsamen Handlungen fähig, etwa in der Verteidigung gegen äußere Feinde oder dem Bau eines gewaltigen Staudamms am Nil. Das half der Landwirtschaft und damit vielen Bauern.
In ähnlicher Weise ist es schwer zu beurteilen, ob das Christentum gut oder schlecht für die Menschen war und ist. Fest steht, dass es sich gut ausbreiten konnte, ebenso wie das Pharaonentum oder der Feudalismus zur jeweiligen Zeit.
Und was entscheidet in den Beispielen den Erfolg der Strategie (Ausbreitung) im Unterschied zu anderen: Die bessere Ausbeutungsökonomie für die Herrscher.
Nein, keineswegs! Wie kommst Du zu dieser Einengung? Es muss nicht immer eine Minderheit sein, die eine Mehrheit ausbeutet. Es kann auch umgekehrt gehen. Nämlich dass eine Mehrheit eine Minderheit ausbeutet. In einer Demokratie ist das sogar wahrscheinlich.
Ich gebe Dir mal ein lustiges Beispiel aus dem Tierreich.
Zwei Schweine stehen in einem großen Stall, ein starkes und ein schwaches. An der einen Seite des Stalls befindet sich ein Schalter. Wird er von einem Schwein betätigt, fällt eine Portion Futter in einen großen Trog. Allerdings befinden sich Schalter und Futtertrog an den gegenüberliegenden Seiten des Stalls. Also: Schalter drücken, dann rüberspurten zum Trog und fressen. Dann zurück zum Schalter und alles wieder von vorne.
Am Anfang wollen beide Schweine, das starke und das schwache, den Schalter drücken. Dann rennen sie gemeinsam los zum Futtertrog. Das schwache Schwein verliert jedes dieser Laufduelle gegen das starke Schwein und geht immer leer aus.
Das schwache Schwein lernt schnell, dass seine Strategie nichts taugt. Also verzichtet es auf das Drücken des Schalters und postiert sich von Anfang an direkt vor dem Trog. Soll doch das starke Schwein den Schalter drücken. Sobald das starke Schwein das tut, kann das schwache Schwein bereits futtern, während das starke Schwein noch zwischen Schalter und Trog unterwegs ist. Erst bei dessen Ankunft am Trog wird das schwache Schwein beiseite geschubst.
Dennoch gelingt es dem schwachen Schwein mit dieser Strategie, den Großteil des Futters zu erobern. Diese Strategie ist "evolutionär stabil". Das bedeutet, es gibt für das starke Schwein keinen Ausweg im Sinne einer besseren Strategie. Wenn es wenigstens ein bisschen Futter haben will, muss es zwischen Schalter und Trog hin und her rennen. Jede gerechtere Aufteilung wird das schwache Schwein ablehnen.
In diesem Beispiel beutet das schwache Schwein mühelos das starke aus, welches allein die ganze Arbeit macht. Die zugrunde liegende Strategie fragt nicht nach der Gerechtigkeit, sondern allein nach der Stabilität der Strategie selbst. Ist sie gegeben, breitet sie sich aus.
Nein, das greift zu kurz. Die Entstehung auf Spieltheorie zu reduzieren funktioniert nicht. Es sind nicht immer die erfolgreichen Strategien/Normen die sich durchsetzen.
Ist das ein Missverständnis?
Ich verwende den Begriff "erfolgreich" im Sinne des Ausbreitungserfolgs. Erfolgreich ist eine Strategie dann, wenn sie sich durchsetzen und ausbreiten kann. Ich verstehe daher nicht, weshalb Du sagst, es gäbe Strategien, die sich durchgesetzt hätten, gleichzeitig aber nicht erfolgreich wären.