Eigentlich brauche ich ja kaum noch was zu dieser Fahrt schreiben, aber ein paar Seiten sind es dennoch wieder geworden...ich gehe gleich mal in medias res:
Wie schon in den letzten Postings berichtet, stand das Zeitfahren HH-B dieses Jahr unter keinem so günstigen Stern: nach ca. 20 km, kurz nach einer Kreuzung (links abbiegen) kam eine Stück gesperrte Bundesstraße, die B205. Die Sperrung war allerdings alles andere als gut zu erkennen. Just zu diesem Zeitpunkt waren außerdem die Sichtverhältnisse am schlechtesten und wir, d.h. ein anderer Einzelfahrer (Martin) und ich, waren gerade von 5-er Gruppe überholt worden und hatten uns dieser angeschlossen. Die Gruppe bog also nach links in die B205 ein, auf der in Fahrbahnmitte typische Baustellenpoller die Fahrbahnen unterteilte.
Plötzlich lautes Geschrei wie "weg da", "Vorsicht" und dann sehe ich nur, wie ein Auto langsam in "unserer" Spur fährt und ums Verrecken nicht ein paar Zentimeter nach rechts fährt, sondern im Gegenteil immer weiter nach links kommt und uns Radfahrern die Tür zumacht. Wenige Meter vor dem Auto denke ich "Scheiße, das war's jetzt, ich werde volle Kanne über die Motorhaube in die Windschutzscheibe reinfliegen." Irgendwie schaffe ich es dann aber doch noch, in allerletzter Sekunde ein paar Zentimeter nach rechts zu ziehen, und haue mit ziemlicher Wucht mit dem Oberschenkel an Kotflügel und Spiegel des PKW. Ich habe keine Ahnung wie ich es schaffte, auf dem Rad zu bleiben, aber ich stürzte nicht. Ein echtes Wunder. Ich stieß bei der Aktion leicht mit einem anderen Radler zusammen, dieser musste auch anhalten und sein Rad inspizieren, somit hielten auch seine Gruppenkollegen an.
Ich drehte um, fuhr neben die Straße und stellte das Fahrrad ab, um zu schauen, was genau mir und meinem Rad passiert war. Der Oberschenkel schmerzte einigermaßen, aber das Rennrad schien in Ordnung zu sein. Dann ging ich zu dem Autofahrer, der erst einmal auf die Radfahrer allgemein und mich im Besonderen schimpfte. Wir gehörten alle verprügelt. Da habe ich ihm gesagt, dass er doch herkommen soll

Des Weiteren bejammerte er den Umstand, dass in seinem 6 Monate alten Fahrzeug jetzt der Kotflügel reingedrückt wurde, und das nur wegen einem scheiß Radfahrer. Er bestand dann darauf, die Polizei zu rufen. Die 5er Gruppe war inzwischen wieder startklar und setzte ihre Reise Richtung Berlin fort. Der erste Fahrer der Gruppe sagte mir noch, dass er mir im Ziel seine Adresse etc. geben wird, und er als Zeuge zur Verfügung steht.
Martin, mit dem ich seit dem Start zusammen gefahren war, wollte dann auch die Fahrt fortsetzen, aber ich bat ihn zu bleiben, da er den gesamten Unfallablauf am besten gesehen hatte. Dem stimmte er zu und so warteten wir auf die Freunde und Helfer, die nach ca. 20 Minuten auftauchten. Der erste Kommentar der Polizei war, dass Ausschilderung und Sichtverhältnisse miserabel seien, und sie kaum zum Unfallort gefunden hätten. Anschließend nahmen sie die Personalien auf und fragten Autofahrer, mich und den Zeugen nach dem Unfallhergang. Der Autofahrer, von Beruf Brummifahrer, sagte, dass er in der Zeitung gelesen hätte, dass die Strecke in - aus seiner Sicht - Gegenrichtung gesperrt sei und er somit nicht mit Gegenverkehr rechnen musste. Dagegen spricht allerdings, dass in der Zeit, als wir am Straßenrand standen, auch mindestens ein PKW diese Gegenspur nutze. Aus seiner Richtung kamen die Fahrzeuge auf der rechten und der linken Spur, es war das reinste Chaos. Ich fragte ihn mehrmals, warum er denn nicht einfach ein kleines Stückchen nach rechts gefahren ist, worauf er mir keine Antwort geben konnte. Es drängte sich der Verdacht auf, dass er absichtlich weiter in unsere Fahrspur reinzog. Die Polizei konstatierte, dass er als stärkerer Verkehrsteilnehmer eine höhere Sorgfaltspflicht gegenüber schwächeren Verkehrsteilnehmern habe und auf diese Rücksicht nehmen müsse. Er behauptete außerdem noch, dass wir teilweise ohne Licht gefahren wären (was nicht stimmt) und in mehreren Reihen (stimmt auch nicht, erst unmittelbar vor dem Unfall kamen wir etwas nebeneinander).
Grundsätzlich hat er aber schon Recht, dass wir dort nichts zu suchen hatten, außerdem gab es noch einen Radweg in diese Richtung, den wir hätten benutzen können (war allerdings voller Laub und Eicheln o.Ä., sehr schmal und damit auch nicht gerade einfach zu befahren). Der Polizist stellte dann noch fest, dass wir als Rennradfahrer gewisse Rechte hätten, die Straße zu benutzen, er diese aber nicht aus dem Stegreif nennen könnte. Seine Partnerin machte dann noch Fotos von Rennrad und KFZ. Der Polizist sagte, dass aus seiner Sicht beide Verkehrsteilnehmer eine Teilschuld hätten (dem stimme ich zu). Wir Radfahrer hätten da nichts zu suchen, und der Autofahrer müsse jederzeit mit Gegenverkehr oder anderen besonderen Situationen rechnen und darauf reagieren können. Ein Zeitungsbericht allein befreie ihn nicht von seiner Sorgfaltspflicht (ich dachte mir auch, dass Ball spielende Kinder nicht im Voraus in der Zeitung angekündigt werden

).
Es war insgesamt eine saublöde Situation, und der Autofahrer beruhigte sich einigermaßen und sah auch ein, dass er nicht optimal reagiert hatte - zumindest in Anwesenheit der Polizei, das ändert sich vielleicht noch. Wir beide bekommen in den nächsten Tagen Post von der Polizei und müssen nochmals schriftlich zum Unfall Stellung nehmen. Ich baue stark auf meine Zeugen und mit etwas Glück gibt es sogar Videomaterial von der Situation, denn eines der Gruppenmitglieder teilte mir mit, dass in der Gruppe eine GoPro-Kamera am Rad montiert war, aber noch nicht bekannt sei, ob die betreffende Situation aufgezeichnet wurde. Ich bin gespannt.
Nach geschätzten 45 Minuten löste sich das Meeting an der Landstraße auf, und wir konnten einigermaßen weiterfahren. Ich dachte zunächst, dass mich die Prellung am linken Oberschenkel stärker behindern würde, aber es ging. Schon nach wenigen Kilometern wurden wir wieder von einer Gruppe überholt, der wir uns erneut anschlossen. Sehr starke Fahrer, aber wir kamen ganz gut mit. Ich erzählte dem Capo von dem Unfall und er meinte, dass wir keine Führungsarbeit machen müssten und sie uns helfen würden. Das ging bis km 43 gut, als es einen heftigen Knall gab und mein Hinterrad platt war. Der Reifen saß zwar noch auf der Felge, aber war beidseitig nicht mehr im Felgenbett, sodass ich mir den Einsatz der Reifenheber sparen konnten. Also Hinterrad raus, Ersatzschlauch rein, und auch wir hatten derart kalte Pfoten, dass wir über 15 Minuten herumdokterten, bis das Rad wieder lief, zumal ich die Bremse noch etwas justierte. Das war auch das letzte Mal, dass ich einen Schlauch von Vittoria verwendete, denn selbiger war auf einer Länge von 8 cm eingerissen und gerade mal 150 km im Einsatz gewesen (also mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Montagefehler meinerseits, sonst wäre er wohl schon früher geplatzt).
Das alles passierte im strömenden Regen, der direkt nach dieser Panne aber merklich nachließ und schon bald ganz aufhörte. Als Entschädigung wurde er durch stark auffrischenden Wind nahtlos ersetzt. Ich hatte im Vergleich zum Vorjahr zwei größere Streckenänderungen vorgenommen, nämlich kurz vor Hitzacker umfuhren wir die sog. "Alpen von Hitzacker", drei bis vier "Berge" mit je ca. 50 Höhenmetern. Und direkt nach Hitzacker machten wir einen Bogen um die verwinkelte und mit Kuhscheiße zugekleisterte Strecke und blieben auf der Bundesstraße, was uns sowohl etwas Zeit sparte als auch jede Menge Dreck ersparte. Vergleichsweise sauber kamen wir nach rund vier Stunden an der Kontrollstation Dömitz an, wo wir uns knapp 20 Minuten verpflegten.
Anschließend ging es weiter Richtung Wittenberge, bei jetzt teilweise sehr heftigem Gegenwind, manchmal kilometerlang geradeaus über Wirtschaftswege. Andere Fahrer bekamen wir so gut wie nie zu Gesicht, nur an der Kontrollstelle hatten wir einige gesehen. In Wittenberge dann die dritte größere Streckenänderung. Wir blieben in Havelnähe und sparten so etliche Kilometer. Abgesehen von 2-3 fiesen, aber zum Glück kurzen Kopfsteinpflasterpassagen eine gut zu fahrende Strecke. Hinter Wittenberge frischte der Wind weiter auf, und unser Zweierteam hatte alle Mühe, die Tachonadel auf ca. 28 km/h zu halten. Kollege Martin fuhr als der stärkere Fahrer ca. zwei Drittel vorn.
Bei km 180 erreichten wir schließlich nach Havelberg, wo wir im Vorjahr die Tanke nicht gefunden hatten und bis Rhinow gefahren waren (wo sich Carlos Truppe dieses Jahr verpflegte). Dort stärkten wir uns erneut mit Kaffee und Kuchen. Hinter Havelberg dann drei oder vier sehr fies zu fahrende Abschnitte mit Kies und Schlaglöchern. Hier waren die Straßen einfach weggerissen worden, um das Elbe-Hochwasser in die Havel ablaufen zu lassen (so hatte ich das jedenfalls an der Tanke verstanden). Leider scheint man das Asphaltieren vergessen zu haben. Bald erreichten wir Rhinow, aber ich merkte schon, dass mein Hinterrad wieder Luft verlor. Ich war mir nicht sicher, ob das von den Schotterpisten kam oder ob es ein Schleicher war und ich schon länger Luft verlor. Wir kombinierten eine Pinkelpause mit dem Aufpumpen des Hinterrads (nicht ganz parallel

) und wurden von etlichen Fahrern überholt, die wir unsererseits kurz zuvor zügig eingesammelt hatten. Überhaupt trafen wir jetzt viel mehr Teilnehmer unterwegs.
Nach weiteren 10 km war klar, dass 2-3x Nachpumpen nicht reichen würde, somit wurde der nächste Schlauch aufgezogen, was wieder etwa 15 Minuten dauerte, zumal wir äußerst penibel den Mantel kontrollierten, um weitere Probleme im Keim zu ersticken. Wir hatten jetzt noch knappe 50 km zu fahren und traten nochmals kräftig in die Pedale. Zwischen Nauen und Falkensee holten wir die große Gruppe wieder ein und fuhren mit weiter hohem Tempo Richtung Berlin. Vor Falkensee wurden wir auf 3 km Strecke von vier DHL-Lastzügen überholt, für die offenbar das recht neue Tempolimit für Leicht-LKWs von 160 km/h zu gelten scheint.
Inzwischen war es dunkel geworden, aber wir hatten Glück und bis Spandau nur zwei oder drei rote Ampeln. Klar war, dass es 10 km vor dem Ziel wieder anfangen musste zu regnen, erst leicht, dann stärker. Passenderweise fiel bei Kollege Martin das Rücklicht aus, während mein Vorderlicht in den Blinkmodus überging

Ich war jetzt kurz vor einem Hungerast und hatte erstmals Mühe, Martin zu folgen. Was wiederum gefährlich für ihn war, da er ohne Rücklicht kaum zu sehen war. Die letzten Kilometer zählte ich einzeln runter. Vor dem Ziel Nähe Olympiastadion ging es nochmals steil bergauf mit Kopfsteinpflaster. Ich glaube, das ist der Einstieg zur Havelchaussee, dem Trainingsrevier des Captain. Um 19.18 kamen wir im Ziel an, hatten also brutto 11.45h benötigt. Eine Zeit, mit der man angesichts der Umstände mehr als zufrieden sein kann.
Martins Familie wartete bereits seit geraumer Zeit im Ziel auf ihn und war aufgrund der Verspätung schon etwas in Sorge. Sie ließen es sich nicht nehmen, mich nach Duschen & Abendessen zum ZOB zu fahren, mit Ehrenrunde am Olympiastadion vorbei. Inzwischen goss es aus Kübeln und gewitterte heftigst, sodass ich sonst komplett durchnässt meine Fahrt im Nachtbus nach München hätte antreten müssen. Vielen Dank für den super Service
Wen's interessiert: meinfernbus.de kann ich absolut empfehlen, auch wenn meine Größe "nicht ganz optimal" für längere Busfahrten ist. Fahrradtransport kostet unabhängig von der Streckenlänge 9€, Berlin->München 22€. Das Rad wird auf einem Träger ähnlich AHK-Befestigung am PKW festgemacht, wird also bei Regen nass. Mein Rad war allerdings nach der Busfahrt sauberer als vorher.
Ich glaube, nächstes Jahr muss ich nochmals starten und auf Westwind hoffen. Allmählich kenne ich die optimale Strecke und das flache Terrain liegt mir recht gut. Dieses Jahr wäre ein TT ein größerer Vorteil gewesen, mal sehen, vielleicht nächstes Jahr wieder mit Zeitfahrrad.
Korrigieren muss ich dann noch jannjazz' Info zum Startgeld, dass nicht 30€ sondern lediglich 20€ betrug. Dafür gab es ein fürstliches Frühstück am Start im Fährhaus Altengamme plus Bananen etc. für unterwegs, den Gepäcktransport nach Berlin in einem LKW, die Verpflegungsstation an der Brücke Dömitz und eine Zielverpflegung in Form von Tomatensuppe oder Kesselgulasch (ausgezeichnet!) und natürlich Duschmöglichkeit. Zusätzlich den ganzen Verwaltungskram und einen Fotodienst mit ca. 700 kostenlosen Bildern. Besser geht's nicht!
Schade, dass die Zeit etwas knapp war und mit den Foris vom HSV nur ein kurzes Wiedersehen bzw. Kennenlernen stattfinden konnte. Ich dachte eigentlich, dass wir uns noch im Ziel wiedertreffen, aber aus genannten Gründen wurde daraus nichts. Carlos & Freunde (hast du nur zwei?

) habe ich kurz vor dem Start noch in beiden Frühstücksräumen und im Parc fermé gesucht, aber sie zogen es ja vor, sich für die 280 km warmzufahren, weshalb ich sie nicht fand. Wahrscheinlich habt ihr uns beim Unfall an der Straße stehen sehen.
Und zuletzt nicht zu vergessen: ein dickes Dankeschön an BigWilly, der mich am Freitag Abend am Bhf. in Buchholz erwartete und am Samstag um 5.15 Uhr bei Bekannten abholte und zum Start fuhr. Super Sache!
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