Bei mir wirds länger und weiblicher
Fast schon zu routiniert ging es ans Packen und auf die Reise mit dem T4 Richtung Frankreich zur Fähre von Calais nach Dover. Hatte ich wirklich nichts vergessen?
Vor der Überfahrt schliefen wir im Auto, vormittags schipperten wir bei schönstem Sonnenschein hinüber nach England, machten Mittag am Strand und kamen am frühen Abend entspannt in unserem Appartement nahe Tenby in Wales an.
Hier waren wir bereits 2011, es ist ruhig und ländlich und wir fühlten uns sofort wieder heimisch.
Durch viel Arbeit zu Hause haben wir uns erst hier wirklich um die Räder gekümmert, ich musste noch viel umbauen und neu einstellen, der Radkurs hat es ja in sich, zum Glück hat Mario dafür ein gutes Händchen und die nötige Geduld.
Die Vorhersagen waren wunderbar für Sonntag: kaum Wind, trocken, bestenfalls mal ein Schauer.
Startunterlagen abholen, bissel Messe gucken, letztes Training – alles lief glatt.
Die Pastaparty war diesmal außerhalb von Tenby, ca. 10km entfernt, schade, das die Pro’s nicht vorgestellt wurden, das find ich immer interessant. Die Nudeln waren etwas besser als 2011 aber kein Kracher.
Samstag fiel dann endlich auch meine Kette nicht mehr runter und das Radl durfte in die Wechselzone zusammen mit Bike – und Laufbeutel.
Langsam stieg das Adrenalin, denn auf einmal wusste ich nicht mehr wirklich, was ich anziehen sollte und wurde zunehmend unruhig. Die Wetteraussichten wurden zudem immer widersprüchlicher.
Eisig kalt war es 4 Uhr am Rennmorgen an unserem Quartier, gerade mal 7 Grad. Doch in Tenby am Meer war es trockener und fühlte sich milder an.
Bereits 6:15 Uhr mussten alle Athleten die Wechselzone verlassen, denn es ging noch gemeinsam einen guten KM zum Schwimmstart quer durch die Stadt im Neo.
Am Strandabgang dann Haken für Beutel, in denen wir die Schuhe für den Rückweg deponierten.
Ich bin in den letzen Minuten vor dem Start immer ausgeblendet, mein Kopf fühlt sich an wie ein Ballon. Es war dennoch toll da – keine Wellen, eine angenehme Stimmung. Ich konnte noch den sächsischen Profi Markus Thomschke kurz umarmen und ihm ein gutes Rennen wünschen, verabschiedete mich von Mario und Uwe, einem Vereinsfreund.
Von nun an machte jeder sein Rennen, jetzt wird sich zeigen, was die letzen Wochen Training gebracht haben.
Ich wusste, wo ich stehe, nicht alles war optimal verlaufen, die letzten Wochen haben mir aber noch einen Schub gegeben, vor allem mental.
Es ist bei mir immer so: das Schwimmen und den ersten Wechsel überstehen und nach 10 Minuten auf dem Rad weiß ich, was der Tag bringt.
He, das Schwimmen war aber easy – das Wasser hell und klar, die Schwimmer ziemlich rücklichtsvoll.
An der ersten Boje holte ich weit nach außen aus, da kassierte ich 2011 eine kleine Platzwunde und eine blaue Gesichtshälfte. Meine Mutti hatte zum Abschied gemeint, ich soll aufpassen, dass sich nicht wieder mein Gesicht verschlechtert Ok, mach ich!!
Nach 36 Minuten der erste Landgang – he, jetzt freute ich mich und weiter ging’s mit etwas mehr Mut und Kraft. Platz war genug, aber immer wieder geriet ich nun in kleine Pulks.
Nach 1:14h entstieg ich sehr fröhlich den Fluten und war direkt neben Uwe. Bei 1620 Startern ist das schon eine tolle Sache.
Wir flitzten gemeinsam die steile Zickzack-Rampe hoch, der Puls war schneller.
Mit Schnappatmung stand ich an meinem Schuhbeutel und hatte noch nicht mal den Neo geöffnet und auch gerade keinen Plan. Also Neo auf, Schuhe an, Krampf in dem Oberschenkeln, loswatscheln, erneuter Versuch, nun aber Neo aus.
Es war kalt, aber es könnte so schneller sein. Ich musste endlich meine Gedanken zusammennehmen!!
Das Wechselzelt ist zu eng, ruhig bleiben. Trikot an, Weste an, Armlinge, Handschuhe, Helm, Söckchen, Radschuhe, Brille. Ich hab alles nochmal kontrolliert, auf einmal war ich hellwach und ganz bei mir – jetzt ging es los.
Ich hatte mir ein tolles Rennen gewünscht, bei dem ich das Gefühl habe, alles abrufen zu können, was ich leisten kann. Die Straßen waren nass, es regnete leicht, die ersten engen Kurven im Ort hab ich vorsichtig genommen doch dann bin ich davongeflogen auf meinem Rad, meine Beine waren stark.
Ich dachte noch an den Knappenman-Triathlon vor 2 Wochen, wie schön das dort war.
Mir war alles egal, die Kälte, der Regen. Ich freute mich auf die erste Radrunde zum Meer und es schien heller und freundlicher zu werden.
Es geht etwa 35km Richtung Westen zum Meer, wo man einen wunderschönen Weg durch die Dünen nimmt. Irgendwann überholte mich Mario, dann kam Uwe. Was haben die nur so lange gemacht? Oder war ich schnell?
Der wunderbare Rundkurs am Meer ist gleichzeitig der Auftakt zum Kampf, denn ab jetzt geht’s los mit den Hügeln und Rampen, mit brennenden Beinen und Adrenalin in kurvigen steilen Abfahrten. 2350 Höhenmeter hat der Radkurs.
Wie zum Abschied gab es einen kurzen Regenschauer und dazu die Sonne und ein Regenbogen. Das sollte es nun aber gewesen sein, es regnete sich ein und nach wenigen Minuten hatte ich keinen trockenen Faden mehr am Leib.
Los anstrengen, nicht nachlassen, warm bleiben, essen. Bergan Beine leicht machen (von Romy )..
Ich sagte mir das wie ein Mantra, ließ keine dunklen Gedanken zu. Ich bin stark, ich bin ein Ironman, das ist mein Tag.
Solange es hoch ging, konnte ich mich selbst gut bei Laune halten. Bergab kam ich an meine Grenze. Es gab Momente, wo die enge Straße überspült war, wo Unrat herumfloss und ich nicht wusste wie und wann ich bremsen sollte. Ich bin ohnehin ein Angsthase, das war hart für mich und ich ließ an den Abfahren viel Zeit liegen.
Einen sehr schweren Sturz hatte ich gesehen mit zwei Schwerverletzten und zwei weitere leichte. Defekte und Reifenpannen waren nicht zu zählen.
Ich wollte gesund ankommen, nur kein Risiko hier.
Supporterin Isabel sprang fröhlich auf und ab, als ich durch Tenby fuhr auf dem Weg zum letzten Drittel des Radkurses.
Irgendwann hatte es endlich aufgehört zu regnen, bisher hatte mich nicht eine Frau überholt. Dann 20km vor dem Wechsel kam eine AK-Konkurrentin auf, sehr stark nahm sie die letzten Rampen, die es nochmal heftig in sich haben.
Ich hatte es geschafft, Rad an die Stange: 7:01h Rad -13 Minuten schneller als 2011. Unter 7h war unter den Bedingungen für nicht machbar. Ich war super zufrieden mit meiner Leistung bisher.
Nun die ersten Schritte zum Wechselzelt mit steinernen Beinen. Der Wechsel ging jetzt flott, ich musste ganz gut liegen, Podest war das definierte Ziel.
Ein Marathon im Ironman ist lang, der in Wales ist länger, fast noch 600 Höhenmeter muss man bewältigen, Sekunden streikte mein Geist.
Doch da war sie, die schnelle Radfahrerin von eben und da waren meine Beine und meine Uhr und klar: Ich bin hier die Läuferin, macht Euch frisch, ich kann beißen – yeah.
Isabel war unsere aufmerksame und liebe Supporterin, die uns die SMS-Nachrichten aus der Heimat mitteilte. Platz 5 für mich bisher. Ok, glaub ich nicht, ich schau mal.
Mann war das hart, ewig geht’s hoch.
Da standen Bekannte, die Profi Markus auf seiner letzten Runde betreuten – der hat es gut, darf gleich ausruhen.
Die Anfeuerungen der Jungs taten mir gerade sehr gut. Danke!
Auf dem Rückweg läuft man sich entgegen, ich checkte jede Frau nach Startnummer und Rundenbändchen. Nach Runde 1 lieg ich laut Support plötzlich auf Platz drei.
Nun wusste ich, dass ich mich nicht verrückt machen wollte. 2011 hat nix gestimmt mit dem Tracker. Außerdem konnte ich eh nicht schneller, mein linker Fuß krampfte, es gab kein Salz, nur staubige Salzkekse, ich nahm Powerbar-Liquid Gel, weil das viel Salz enthält, fürchtete aber Unverträglichkeiten.
Da kam sie: Frances aus GB, die Favoritin, ich hatte Vorsprung aber wie viel? Die Rolle der Gejagten gefiel mir nicht, sie sah so dolle fit aus.
Einmal WC musste dann doch sein, schon war sie vorbei. Ok, sie ist stärker, es waren sicher noch gut 2 Runden von 4, ich werde nicht dranbleiben können, aber weiter kämpfen.
Der Gang auf Runde 3 war hart, nochmal diesen elenden Anstieg hoch, ich konnte mich mit den Füßen nicht mehr abdrücken, musste also die Beine heben, das sagt sich aber leichter als getan.
Nächste Wende: Aber hallo, das waren keine 100 Meter Rückstand zu Frances.
Nach der Wende dann die Bergabpassage: Großhirn an Beine: Frequenz verdoppeln und sprinten! Ich zog in den Krieg, ich witterte meine Chance.
Ein Freund hat gesagt, dass man sich bergab das Laktat aus den Beinen läuft, der Gedanke brachte mich hier zum Grinsen. Ich wusste nicht, wie viel Vorsprung mir diese Aktion gebracht hat aber auch nicht, wie ich die vierte Runde nun bewältigen werde, das Laktat war noch da.
Ich hatte solche Schmerzen.
Nur noch hoch und dann rollts runter. Isi rief mir Platz 2 zu und in meinem Kopf der Satz „Go for Kona“.
Was geht einem im Kopf herum nach 12 Stunden hartem Kampf? Ich hatte mir so weh getan, nein, das kann heut keine Frau meiner AK hier besser machen, Platz 2? Glaub ich nicht.
Aber erstmal egal, ich will ankommen. Nein, von außen kein schöner Zieleinlauf, ich seh nur noch Sterne, mir wird übel, ich hab mein Pulver verschossen, sinke in eine Ecke.
Helfer reichen mir noch eine Tüte, ich würgte und würgte, bekam einen Krampf im Bauch davon. Sie wickeln mich in silberne Folie, holen einen Rollstuhl, rollen mich zur Finishermedaillenfrau und legen mich ins Zelt auf eine Liege.
Alles egal, ich bin so ruhig und zufrieden in mir – ich hatte heute alles erreicht, was ich wollte, hab in jeder Minute alles gegeben.
Tee, trockene Sachen und gute Worte und das wunderbare Gefühl des erfolgreichen Finishs haben mich schnell wieder auf die Beine gebracht.
Mario auf Platz 3 hat damit die Quali für Hawaii.
In der Ergebnisliste steht auf Platz 1 meiner AK ein belgischer Name: Liewen v.d. B. Den haben wir gegoogelt als Mann. Einfach ein Datenfehler.
Ich hatte alles richtig gemacht.
Es folgte wie immer eine Nacht der Schmerzen und der Schlaflosigkeit, gegen 2:00 Uhr stand ich dann im Netz auf Platz 1 und hoppla: in der W40 hätte ich auch gewonnen – das ist doch mal was fürs alternde Ego.
Die Awards-Party war wieder außerhalb und verbesserungswürdig, trotzdem schön, das Rennen so noch ausklingen zu lassen und sich mit befreundeten Athleten auszutauschen.
Und nach etwas Ruhe bekam mein armes eingesautes Rad eine Extraportion Pflege – das hat es sich redlich verdient.
Und endlich ist auch Zeit, die vielen Brombeerhecken zu plündern und die wunderschöne Gegend zu genießen.
Kona 2014 – ja, ich will!
Das Ganze in Zahlen: 1:14h Swim / 7:01h Bike / 3:51h Run – 12:22h (nur 19 Frauen blieben unter 12h)
Platz 1 in AK 45 / Platz 24 Frauen gesamt (von 175) / Platz 338 overall (von 1620)
Ernährung:
Ein Kaugummi beim Schwimmen
Sprite mit Elektrolyten beim Bikestart in der Aeroflasche, dann pro Stunde 1 Riegel von Squeezy und 1 Westberg-Gel (alles laktosefrei), nur Wasser aufgefüllt und Elektrolyte rein.
Beim Laufen 2 Westberg-Gel und 3x Powerbar-Liquid vom Veranstalter, Cola und 8 Ultra-Sport-Gel-Pads.
