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Ein Jäger und Sammler vor 10000 Jahren wurde nicht alt. Wenn der 35 Jahren wurde war er wohl schon alt. Wer bitte will Heute mit 35 sterben?
Das ist so nicht richtig. In Gräbern wurden durchaus auch für heutige Maßstäbe alte Menschen gefunden. Die Sterblichkeit in jungen Jahren war extrem hoch, daher die (geschätzte) statistische Lebenserwartung. Wer einmal das Erwachsenenalter erreicht hatte, konnte sich, gute Ernährung und Hygiene vorausgesetzt, auf ein langes Leben freuen.
Zitat:
Zitat von MattF
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Es ist auch evolutionstechnisch und für die Art gar nicht sinnvoll, dass ein Mensch älter wird, mit 30 hat er sich ausreichen reproduziert und muss Platz machen für die nächste Generation.
Auch das ist zu kurz gedacht. Es gibt offenbar evolutionär durchaus Vorteile, ältere, nicht mehr fortpflanzungsfähige Lebewesen einer Population zu erhalten. Bsp von alten Lebewesen gibts in der Natur genug.
Zitat:
Zitat von MattF
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Die Frage ist auch lebten die Menschen wirklich gesund oder war es nicht so, dass ein großer Teil an Heute belanglosen Krankheit starb und während seines Lebens an allen möglichen Gebrechen von Karies bis Ungeziefer litt?
Das ist m.E. eine wichtige Frage, weil in den Artikeln von Robert das Paläolithikum ja nahezu glorifiziert wird. Die Vorteile des Sesshaften müssen unsere Altvorderen aber so überzeugt haben, dass diese Revolution innerhalb kurzer Zeit überall angenommen wurde.
Zitat:
Zitat von MattF
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Es ist auch so, dass Tiere in Gefangenschaft durchaus z.b. ungesünder leben, sie leben i.A. aber auch bei weitem länger. Man muss sich da auch vielleicht einfach entscheiden. Leben mit Vollgas bis 30 oder extensiv bis 80.
Gemeinhin wird ja angenommen, je gesünder ich lebe, deste größer ist meine Lebenserwartung. Gilt auch die Umkehrung? Je älter ich werde, desto gesünder habe ich gelebt?
Das ist m.E. eine wichtige Frage, weil in den Artikeln von Robert das Paläolithikum ja nahezu glorifiziert wird. Die Vorteile des Sesshaften müssen unsere Altvorderen aber so überzeugt haben, dass diese Revolution innerhalb kurzer Zeit überall angenommen wurde.
Zu dieser Frage ist sich die Wissenschaft noch nicht so richtig einig und es werden diverse Theorien diskutiert.
"Glorifizieren des Paläolithikums" ist auch sehr drastisch formuliert... ich würde nicht unter den Bedingungen von damals leben wollen und habe stets betont, dass die "Errungenschaften der Zivilisation" durchaus auch ihre sehr guten Seiten haben. Mir geht es um die "Emulation" eines unserer Art gerecht werdenden Lebensstils um gesundheitlich topfit und sportlich bis ins hohe Alter leistungsfähig zu bleiben und dabei die "Fallen der Zivilisation" gezielt als solche zu erkennen und zu meiden.
In jedem Fall muss die von Dir gewählte Einschätzung einer "kurzen Zeit" realtiviert werden, denn die Prozesse der etwas unglücklich als "Revolution" bezeichneten Umwälzungen zogen sich über 5000 Jahre hin und die Unumkehrbarkeit stand erst sehr spät fest, wie man u.a. der recht kompakten und guten Darstellung des Themas bei Wikipedia entnehmen kann:
"„Der von Gordon Childe geprägte Begriff der „neolithischen Revolution‘ verkürzt die entwicklungsgeschichtlichen Vorgänge aus heutiger Sicht auf eine unzulässige Weise. Die Veränderung der Wirtschaftsform im Vorderen Orient, in China, Nordafrika oder später in Mittel- und Südamerika war ein über mehrere Jahrtausende ablaufender Prozess, dessen Unumkehrbarkeit erst spät feststand.“"
Auch interessant dazu die englische Variante, die stärker in die Details geht (wen es interessieren sollte):
Es gab in der Tat Populationen, die Ackerbau und/oder Viehzucht wieder aufgaben und sich wieder dem Lebenstil der Jäger- und Sammler zuwanden. So eindeutig vorteilhaft war der Wandel nicht, zumal die Sterblichkeit mit dem Ackerbau massiv anstieg und der Gesundheitszustand sich dramatisch verschlechterte. Dass durch die neolithische Revolution erst Eigentum definiert wurde und in der Folge Raub, Kriege und andere Spielarten der Kriminalität sich entwickelten, betrachte ich als interessantes Nebenthema, hat aber für unser Thema einer gesunden Ernährung sicher wenig beizutragen.
Hierzu wieder Wikipedia:
"Gewöhnlich wird der Wandel der Wirtschafts- und Lebensweise zu Beginn der neolithischen Ära als großer Fortschritt betrachtet, da die Menschen durch die landwirtschaftliche Produktion allmählich unabhängig von den Schwankungen im natürlichen Angebot der gesammelten und erjagten Nahrung wurden. Die Ergebnisse der Paläoanthropologie belegen, dass die Bevölkerung nach der Einführung des Ackerbaus stark anwuchs; ihre Versorgung wäre durch Jagen und Sammeln allein wahrscheinlich nicht ausreichend möglich gewesen. Der Feldanbau bedeutete jedoch auch die Konzentration auf wenige Nahrungsmittel und eine starke Abhängigkeit von der Ernte, die wiederum vom Wetter beeinflusst wurde. Die Sesshaftigkeit der Ackerbauern verhinderte rasche Ortswechsel bei Klimaschwankungen und begünstigte Hungersnöte.[11]
Die Skelettfunde aus dem Neolithikum belegen, dass die Körpergröße der Menschen in dieser Phase deutlich abnahm, was Rückschlüsse auf ihren Ernährungsstatus zulässt. Die Lebenserwartung sank deutlich im Vergleich zum Paläolithikum. Nachweislich erkrankten wesentlich mehr Menschen als vorher, vor allem an Infektionen. Die meisten dürften durch häufigen und engen Kontakt mit Vieh nach Einführung der Viehzucht entstanden sein; innerhalb größerer Populationen vermehren sich die Erreger und sterben nicht aus wie in kleinen Gruppen. Masern sollen ihren Ursprung in der Rinderpest haben.[11]
Eine andere Folge der Sesshaftigkeit war die Entstehung von sozialen Schichten, während es bei Jägern und Sammlern nur einen Gruppenführer gibt. Dass mit der Bevorratung von Nahrung und Saatgut und (später) von Viehherden eine Kapitalbildung vorlag, die ihrerseits den Raub lukrativ machen konnte und eine Vorkehr dagegen erzwang, ist nach Ansicht mancher Forscher durch die 11.500 Jahre alte Stadtmauer von Jericho nachgewiesen. Allgemein konnte man einander aufgrund des Sesshaftwerdens bei Konflikten nicht mehr ausweichen.
Zu dieser Zeit scheint der Krieg durch die neolithische Revolution bereits eingeführt worden zu sein."
Reichholf vertritt die originelle Theorie, dass es das Bierbrauen war, dass den Anreiz zum Ackerbau und der damit notwendigen Seßhaftigkeit gab. Insgesamt das spannenste Buch zur gesamten Thematik. Top-Urlaubslektüre.
Ansonsten haben wir diese Themen in den Threads zu meinen drei Paleo-Artikeln ausgiebig diskutiert.... .
Nach meinem Kenntnisstand ist das tatsächlich so und Du brauchst Dir keine Sorgen zu machen. Wenn Du allerdings Vitamin A (und andere fettlöslich Vitamine) in hoher Dosis zu Dir nimmst (zb über NEM's oder auch reichlichst Innereien wie Leber), dann kann das gesundheitsbeeinträchtigend sein.
Wie Du das machst, Dich zu 80% basisch zu ernähren, wenn Du Milch- und Getreideprodukte (und Fleisch/Fisch?) zu Dir nimmst, das würde mich interessieren. Ich gehe davon aus, dass Dir bekannt ist, dass diese Nahrungsmittel bis auf Molke teils extrem hohe PRAL-Werte aufweisen, also sauer verstoffwechselt werden.
Bei mir sieht's so aus, dass ich kein Fleisch esse (nur etwa alle zwei Wochen etwas Hühnchen) und außer Quark/ Joghurt und zwei Mal pro Woche Fisch keinerlei tierische Produkte zu mir nehme. Getreideprodukte beschränken sich auf etwa drei Vollkornsemmeln pro Woche und der Rest besteht somit ausschließlich aus Gemüse, Obst und hochwertigen Ölen (Lein- und Olivenöl). Zum Trinken gibt's sowieso nur stilles Wasser.
Zum (Pro-)Vitamin A: Vielen herzlichen Dank für Eure beruhigenden Antworten, jedoch sind dies letztlich auch nur Hypothesen ohne wirklich standfeste Begründung. Ich neige wohl etwas zur Übervorsicht und bräuchte wohl zur Beruhigung etwas "Handfestes".
Das ist so nicht richtig. In Gräbern wurden durchaus auch für heutige Maßstäbe alte Menschen gefunden. Die Sterblichkeit in jungen Jahren war extrem hoch, daher die (geschätzte) statistische Lebenserwartung. Wer einmal das Erwachsenenalter erreicht hatte, konnte sich, gute Ernährung und Hygiene vorausgesetzt, auf ein langes Leben freuen.
Wobei man auch sehen muss, wer wurde denn in Gräbern begraben die die Zeit überdauerten. Das waren zum großen Teil höher gestellte Personen die sich gute Ernährung und Hygiene auch leisten konnten.
Das war nicht unbedingt der normale Mensch.
Heute wird nicht nur die Oberschicht alt, sonder (fast) alle haben diese Chance. Wobei es auch Heute noch Unterschiede in den Lebenserwartungen zwischen den gesellschaftlichen Schichten gibt.
Geoff Bond schreibt in seinem "Natural Eating", dass es unmöglich ist, die einzelnen Mineralstoffe, Vitamine, Enzyme, etc. zu kontrollieren und genau die RDA davon in Form von Nahrungsmittel zu sich zu nehmen. Es ist die Hybris der modernen "Nahrungswissenschaft" zu glauben, jeden einzelnen im Körper ablaufenden Prozess zu kennen und zu verstehen. Es ist die Spitze des Eisbergs, wenn die Menschheit von Provitamin A, von Vitamin D oder von Calcium spricht und versucht, diese zu substituieren oder andere Nährstoffe zu meiden. Das greift alles viel zu kurz und reduziert uns hochkomplexes Lebewesen Mensch auf eine schlechte Maschine.
Aus dieser Perspektive liegst Du am richtigsten, wenn Du Dich möglichst "natürlich" ernährst und dich dabei wohl fühlst. Gedanken über einzelne Vitaminchen oder sonstiges Zeugs kannst Du getrost aussen vor lassen - Dein Körper ist viel intelligenter, als Du es nur vermutest!
Wobei man auch sehen muss, wer wurde denn in Gräbern begraben die die Zeit überdauerten. Das waren zum großen Teil höher gestellte Personen die sich gute Ernährung und Hygiene auch leisten konnten.
Das war nicht unbedingt der normale Mensch.
Heute wird nicht nur die Oberschicht alt, sonder (fast) alle haben diese Chance. Wobei es auch Heute noch Unterschiede in den Lebenserwartungen zwischen den gesellschaftlichen Schichten gibt.
MfG
Matthias
In Jäger und Sammler-Gesellschaften gab und gibt es keine Oberschicht. Und selbst wenn, wäre der Busch, hinter dem sie kackten nicht hygienischer als die Büsche der anderen
Bei mir sieht's so aus, dass ich kein Fleisch esse (nur etwa alle zwei Wochen etwas Hühnchen) und außer Quark/ Joghurt und zwei Mal pro Woche Fisch keinerlei tierische Produkte zu mir nehme. Getreideprodukte beschränken sich auf etwa drei Vollkornsemmeln pro Woche und der Rest besteht somit ausschließlich aus Gemüse, Obst und hochwertigen Ölen (Lein- und Olivenöl). Zum Trinken gibt's sowieso nur stilles Wasser.
Zum (Pro-)Vitamin A: Vielen herzlichen Dank für Eure beruhigenden Antworten, jedoch sind dies letztlich auch nur Hypothesen ohne wirklich standfeste Begründung. Ich neige wohl etwas zur Übervorsicht und bräuchte wohl zur Beruhigung etwas "Handfestes".
Viele Grüße
Ja - das klingt plausibel nach 80%! Prima!
Was das Provitamin-A-Problem angeht, so müssen wir uns leider alle auf das verlassen, was die Biochemie uns an Wissen zu Verfügung stellt. Dass solches Wissen leider nur allzu oft nicht alt wird, gibt in der Tat Anlass zur Skepsis. Da aber meines Wissens "Vitamin-A-Vergiftungen" in der Literatur ausschließlich in Verbindung mit Verzehr von reichlich Leber (Polarforscher zb) beschrieben wurden aber meines Wissens noch niemand zb an einer Überdosis Karotten zugrunde ging, würde ich es entspannt angehen...
Wobei man auch sehen muss, wer wurde denn in Gräbern begraben die die Zeit überdauerten. Das waren zum großen Teil höher gestellte Personen die sich gute Ernährung und Hygiene auch leisten konnten.
Das war nicht unbedingt der normale Mensch.
Heute wird nicht nur die Oberschicht alt, sonder (fast) alle haben diese Chance. Wobei es auch Heute noch Unterschiede in den Lebenserwartungen zwischen den gesellschaftlichen Schichten gibt.
MfG
Matthias
Zitat:
Zitat von kuestentanne
In Jäger und Sammler-Gesellschaften gab und gibt es keine Oberschicht. Und selbst wenn, wäre der Busch, hinter dem sie kackten nicht hygienischer als die Büsche der anderen
Zunächst hat Kuestentanne mit seiner Replik recht - J&S-Gesellschaften waren (und sind) weitestgehend egalitär und es wurden situativ Führungsrollen verteilt bzw ergriffen. Höher gestellt waren/sind allenfalls Schamanen.
Was den Gesundheitszustand der Oberschichten von seßhaften Kulturen angeht, so ist es entgegen der Meinung von Matthias nicht so, dass es der Oberschicht besser ging, sondern umgekehrt: Die Oberschicht des alten Ägypten litt massiv unter Zahnfäule, Osteoporose und wahrscheinlich auch Gicht und Rheuma, was beim "einfachen Volk" nicht der Fall war. Selten wurde ein Pharao mal älter als 30 Jahre alt.
Ähnliches kennen wir aus dem alten Rom bis in die Neuzeit. Lediglich die Spartaner erfreuten sich im alten Griechenland einer überdurchschnittlichen Gesundheit, was bei Herodot auf eine karge pflanzenbetonte und fleischarme Ernährung zurückgeführt wurde.
Die Gicht ist zb immer eine Krankheit des Wohlstandes gewesen und die Lebenserwartung des Adels und Klerus (die im Übefluss schwelgten) im Zeitalter des Absolutismus war signifikant geringer als die des einfachen Volkes.
Was Hygiene angeht, so ist diese eine sehr späte "Erfindung" (zb. Ignaz Semmelweis) und spielte vor 10.000 Jahren noch keine Rolle, da es auch in den Sippen keine räumliche Abgrenzung von Volk und Anführern gab wie in den seßhaften Kulturen. Probleme mit "unhygienischen Zuständen" kamen auch erst mit der Seßhaftwerdung und dem engen Zusammenleben mit Tieren auf. Die Jäger und Sammler kannten kaum virale Infektionskrankheiten, wie der oben gepostete Beitrag aus Wikipedia auch belegt.
Unterschiede in den Lebenserwartungen heutiger "Schichten" begründen sich durch einen tendenziell gesünderen Lebenstil gebildeterer Schichten (weniger Tabak, Alkohol, Fast-/Junkfood und mehr Sport, natürliche Lebensmittel, Obst, Gemüse, weniger Übergewicht, andere Erholungsrituale, Streßabbau etc.) m.a.w. die "höheren Schichten" orientieren sich bewußt oder unbewußt eher an einem artgerechten Lebensstil des Menschen als die "Plebs" - und deshalb werden sie eben auch älter.
Schön zu sehen ist das Absacken der Lebeserwartung als mittel- oder unmittelbare Folge des Alkoholmissbrauchs (der einfachen Schichten) in Russland, wo ein Mann derzeit lediglich eine Lebenserwartung von 50 Jahren hat.
Hier noch eine Statistik der Lebenserwartungen vom Paläölithikum bis heute, die zeigt, wie krass sich diese im Neolithikum nach unten änderte und erst in der Industrialisierung (Hygiene, Antibiotika, stabile Ernährungslage,...) wieder auf das alte Niveau von vor 10.000 anzog und dieses dann schließlich übertraf:
Lange Rede kurzer Sinn: Die Vorstellung, dass die Menschen in der Altsteinzeit alle früh starben und grundsätzlich von Siechtum geplagt wurden ist ein Amenmärchen. Dies trifft vor allem für die Jungsteinzeit bis hinein ins 18. Jahrhundert zu, wo es den Menschen im Schnitt gesundheitlich und sozial wesentlich schlechter ging als ihren altsteinzeitlichen Vorfahren. Für die Masse der Bevölkerung Europas brachte erst die Aufklärung und ihre Folgen spürbare Verbesserungen ihrer Lebenssituation.
Geändert von pinkpoison (29.04.2011 um 21:28 Uhr).