...von geborstenen Hinterrädern und zerstörten Betten...
- Ein Rennbericht in 3 Akten -
Akt1: Dienstag, 13.07 9 Uhr in Hip: Die Wettkampf-Leistungsdiagnostik bei Jürgen S.
Inspiriert durch Arnes Artikel habe ich mich entschieden aus purer Neugier die -ich nenne sie die Wettkampf-Leistungsdiagnostik bei Jürgen Sessner zu buchen. Neugierig auf das was auf mich zukommen sollte machte ich mich auf den Weg nach Hip.
Es war meine erste Leistungsdiagnostik und ich hatte eine grobe Vorstellung was auf mich erwarten würde – man hat den Ablauf ja schon mehrfach gehört. Nunja...was soll ich sagen: Der Test verlief wie erwartet und Jürgen ist ein ausgesprochen sympatischer und zurückhaltender Zeitgenosse.
Die Testergebnisse selbst lagen ungefähr in dem Bereich, in dem ich mich selbst auch im Vorfeld einsortiert hätte: 220-230 Watt bei 142 Richtpuls auf dem Rad hätten für eine Radzeit von ungefähr 5:30 reichen sollen. Überraschend positiv viel der prognostizierte Laufsplit aus: 5:45/km bei einem Richtpuls vonm 150. Das wäre nach Adam Rise ne knappe 4h auf den Marathon. Ich selbst hätte „aus dem Bauch heraus“ eher Richtung 4:15-4:20 getippt.
Ich fuhr also frohen Mutes mit einigen Tipps zur Renngestaltung, einem Satz bunter Graphen und einem guten Bauchgefühl wieder Richtung Heimat.
Das Training schien sich gelohnt zu haben, das prognostizierte Rennergebnis lag etwas über meinen eigenen Erwartungen – voila, es kann losgehen!
Akt2: Samstag, 17.07: Der Vor-Wettkampftag
Die Nacht von Freitag auf Samstag hatte ich richtig gut geschlafen, von Nervosität wenig bis nichts zu sehen. Nach einem ausführlichen Frühstück stieg ich dann gegen 12 Uhr aufs Rad um noch 30min einzurollen – mit eingestreuten 90Sekunden Antritten und 2xmin KT3 an einer Welle. Die Beine fühlten sich soweit OK an und es konnte weiter zum finalen Check am Rad gehen.
Hier kams zur ersten Überraschung des Wochenendes: Das maximal 400km gefahren Vollcarbon Xentis TT Hinterrad löste sich in Wohlgefallen auf. Um genau zu sein war die Bremsflanke über eine Länge von ca 15 cm eingerissen. Shit. Da kauf man sich schon WK-Material und dann gibt der Rotz kurz vorher den Geist auf. Ich war in Gedanken kurz bei Steilküste der sich ironischerweise vor einigen Monaten für den von mir angebotenen „alten“ Mark 1 Laufradsatz interessiert hatte. Leider gabs ein Kommunikationsmißverständnis zwischen mir und Jan, so dass ein anderer Forumsteilnehmer nun glücklich und hoffentlich pannenfrei seine Runden mit den Mark 1 dreht.
Naja, besser jetzt als im Rennen. In meiner Materialparanoia hatte ich selbstverständlich noch nen Satz Eurus dabei. Der is ja auch nicht gerade schlecht. Also nicht so lange fackeln, Reifen wechseln, Schaltung neu einstellen, nochmal 20min Probefahren. Danach Mittagessen und einchecken.
Wers noch nicht gesehen hat wirds nicht glauben, aber so ne Wechselzone am Tag vor einem großen Langdistanzrennen hat Ihren ganz eigenen Charme. Für mich wirkt das immer ein bisschen wie die Düsseldorfer Kö des Sports. High-Tech wohin das Auge reicht, viele angespannte Gesichter und ganz selten mal ein lächeln. Ein lockerer & nett gemeinter Spruch an den Wechselzonennachbar wird da schon mal mit Unverständnis quitiert – was wohl der Anspannung vor dem Rennen zu schulden ist.
Nach dem Einchecken gings zügig wieder Richtung Heimat um ein kleines Abendessen einzunehmen und den rest des Abends so gut es geht entspannt vor dem TV zu verbringen. Gegen 21 Uhr gings dann ins Bett, wobei an einschlafen nicht wirklich zu denken war. Zu viele Gedanken gingen mir durch den Kopf, die allgemeine Anspannung hielt sich nichts desto trotz gefühlt in Grenzen. Irgendwann gegen 23:30 muss ich dann eingeschlafen sein um ca. 30min wegen Stechmückenalarm von meiner Freundin geweckt zu werden. Als zuständiger Revierheld erledigte ich den Störenfried selbstverständlich mit einem gezielten Handtuchstreich. Die Regierung ging ins Bad um etwas Salbe gegen die Stiche aufzuragen, ich lag schon wieder im Bett.
Nun folgte Überraschung Nummer 2: Aus heiterem Himmel scherte das Kopfteil des massiv wirkenden Bettes ab und ich lag ein Stockwerk tiefer. Um allen Spekulationen vorzubegen:
Nein, wir haben nicht im Bett rumgeturnt. Nicht in der Nacht vor ner Langdistanz.
Also wieder raus aus dem Bett, den Schrott aus dem Schlafzimmer räumen und auf den Matrazen weiterpennen.
Um 3 klingelte dann der Wecker und das übliche Programm nahm seinen mehrfach einstudierten Lauf: Morgentoilette, Frühstück, die obligatorische Pre-Race Kippe zur Verdauungsförderung, nochmal kurz ins Bad und ab von geht die Reise in WZ1.
Akt3: Sonntag, 18.07: Der Wettkampftag
Das Geplänkel spare ich mir an dieser Stelle. Rad fertigmachen, danach ne Radplane geschnappt und am Zaune hinter den Toiletten mein Lager bezogen. Gemütlich noch ne Kleinigkeit gefuttert, über den unsäglich schlechten Challenge Song mehrfach geschmunzelt und am Zaun Bekanntschaft mit ner ganzen Band Supporter gemacht. Falls Ihr das hier lest: Ich bin derjenige der Eure Mädels mit Toilettenpapier beglückt hat ;-)
15 Minuten vor dem Start Neo anziehen und ab in den Startbereich. Zügig ins Wasser um die gefühlt immer sehr kurzen 5 Minuten bis zum Startschuss dazu zu nutzen was einem wohlerzogenen Menschen im frühem Kindesalter erfolgreich aberzogen wurde. Ran an die Startlinie, nochmal ne Startsong „genießen“ müssen und Startschuss.
In gefühlt leichtem Draft nahm ich das Schwimmen auf und hab sehr schnell einen für mich guten und anstregungsfreien Rythmus gefunden. Atmung stabil, Herzfrequenz super und Tempo fühlte sich OK an. Also weiter so. Irgendwo zwischen Kilometer 2,5 und 3 wurde ich dann etwas nachlässiger mit dem navigieren und habe den einen oder anderen unnötigen Meter eingestreut.
So what, daran wirds nicht scheitern. Nach 1:15 raus aus dem Neo. Erstens Zwischenfazit: Schwimmen lief OK, jetzt sollte meine Lieblingsdisziplin an der Reihe sein.
Ruhiger Wechsel, rein in die Radgalloschen und langsam den Rythmus finden.
Nach 10min wanderte das erste Gel rein und bis hin zum zweiten Wechsel verlief die Verpflegung 1a. Ich konnte essen und trinken wie ein großer, nur was ich nicht konnte war Druck aufs Pedal bringen. Spätestens auf dem langen Flachstück Richtung Greding spürte ich dass das nicht mein Tag werden würde. An den Asphaltblasen (Danke Drullse für die Wortschöpfung) hielt ich mich Konsequent an die Vorgabe MaxPuls= 150. Nur die Kraft wollte sich einfach nicht einstellen. Selbst im Flachen, meiner „Paradedisziplin“ konnte ich den Zielpuls nur unter maximalem Kraftaufwand erreichen – dies würde zur Konsequenz tote Beine in WZ2 bedeuten.
Am Ende der ersten Radrunde stand also ein 31er Schnitt auf dem Tacho und damit war mehr oder weniger klar, dass die erwartete Radzeit sich sehr wahrscheinlich nicht einstellen würde. Mein Entschluss war so konstant wie möglich weiterzufahren und mein „Glück“ beim lauf zu suchen.
Bei km 150 kamen die ersten leichte Krämpfe im Oberschenkel, welche sich allerdings recht schnell durch ein verlassen der Aeroposition wieder vertreiben ließen.
In die WZ2 gings dann mit einer entäuschenden 5:47:irgendwas....also weit hinter Plan.
Zweiter Wechsel, Isogels einpacken und weitergehts.
Die Laufbeine waren schnell gefunden und bis km 8 fühlte sich alles OK an. Die Laufpace näherte sich von KM zu KM immer näher dem angepeilten Schnitt – allerdings dessen oberen Ende (sprich sowas um die 6min/km). Lange Rede, bei km 15 war Schluss mit lustig und die Beine gingen komplett zu.... an der Stelle war das Rennen für mich mental gelaufen.
Zielseit schon längst im Eimer, bereits jetzt abzusehen das es deutlich schlechter läuft als im Vorjahr, wozu weitermachen? Naja..meine Freundin stand an der Strecke und hatte überraschender Weise meinen ältesten Freund und Blutsbruder mitgebracht. Und die beiden wollte ich nicht entäuschen. Zudem war dies sicherlich meine letzte Langdistanz auf absehbare Zeit. Bis dato habe ich noch keinen WK aufgegeben (bis auf einen im Vorfeld geplanten Ausstieg im Kraichgau), also diesen auch nicht. Also wandern/walken wir eben in Ziel. Am Ende steht eine 12:38

derso....für mich ein wenig respektables Ergebnis.
Die Zielzeit spiegelt nicht im Ansatz den Trainingsaufwand wieder den ich bertrieben habe, aber es zählt eben am Ende nur was dabei rauskommt. Sonst könnten wir uns ja alle nur testen lassen und auf den Wettkampf verzichten.
@Dude, ich musste mehrfach an Deinen Kommentar diesbezüglich denken und in mich reinschmunzeln – und das obwohl mir nicht wirklich zum schmunzeln zu Mute war.
Lange Läufe, harte Koppeleinheiten, progressive Läufe, KT3 am Berg, Bahntraining – you name it, I did it.
Fazit?
Am Ende des Tages hätte mich mir selbstverständlich einen gelungeneren Abschied vom Langdistanztriathlon gewünscht. Aber wenn man einen gebrauchten Tag erwischt oder sonstwas schiefläuft hat man eben auf der Langdistanz selten eine zweite Chance. Aus meiner Beobachtung heraus sind die Versuche mittelprächtiger Akler ne vergeigte LD durch eine zweite in der gleichen Saison rauszureißen zum Scheitern verurteilt. Dies ist aus meiner Perspektive auch der größte Nachteil von Langdistanzrennen: Monate des Trainings kulminieren in einem einzigen Tag. Geht‘s aus irgendwelchen Gründen daneben war‘s das in aller Regel wieder für ein Jahr.
Natürlich bietet die Langdistanz auch einen ganz besonderen Reiz, aber wenn das finishen per se nicht mehr im Vordergrund steht, dann verfliegt dieser Reiz auch recht schnell wenns mal nicht so läuft...
Abschließend noch ein Satz zur im Eingang erwähnten Leistungsdiagnostik: Ich persönlich glaube an die Validität der ermittelten Ergebnisse. Nichts desto trotz ist und bleibt eine derartige Diagnostik ein rein theoretischer Wert den es in der Praxis zu untermauern gilt. Wer dazu wie ich nicht in der Lage ist, sollte primär die Ursachen bei sich selbst und nicht in der Untersuchungsmethode suchen.
Ich würde bei einem theoretischen erneuten Langdistanzstart jederzeit wieder zu Jürgen gehen um mein individuelles Pacinggefühl gegenchecken zu lassen. Sorry Jürgen das ich kein besseres Beispiel für Deine Arbeit geboten habe.....
Ich für meinen Teil konzentriere mich erst einmal auf’s Papa werden...