"New York hat noch immer keinen ernsthaften Rivalen"
Der Architekt und Historiker James Sanders zum 400ten Jubiläum der Stadt
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Welche Folgen glauben Sie, wird die Wirtschaftskrise für New York haben?
Ich denke, sie wird New York letztlich gut tun. Es gibt ein Zitat der Urbanistin Jane Jacobs, das sagt: „Wenn die Reichen nur noch unter sich sind, dann langweilen sich sogar die Reichen.“ Wenn die Immobilienpreise fallen, wird New York wieder mehr Kreative anziehen, die Stadt wird vielfältiger werden. Zum anderen denke ich, dass New York immer attraktiver wird, je mehr Energie zu einem Problem wird. New York ist die nachhaltigste Stadt Amerikas, vielleicht der Welt. Kein Mensch hat hier ein Auto. Fünf Millionen Menschen fahren hier pro Tag U-Bahn. Bürgermeister Bloomberg ist in dieser Hinsicht ja sehr ehrgeizig. Ja, das finde ich ein wenig merkwürdig. Man muss New York nicht grüner machen, als es ist. Wichtiger wäre es, dass es noch fünf weitere New Yorks in Amerika gibt. Oder, dass noch zwei Millionen mehr Menschen hier her ziehen. New York ist nicht das Problem, der Rest des Landes ist das Problem.
Wir haben vorhin über die Krise gesprochen. Kann New York auf Krisen in seiner Vergangenheit zurückschauen und für die heutige Krise etwas daraus lernen?
Die Krise über die jetzt ständig geredet wird, ist natürlich die Grosse Depression. Damals war New York das Vorbild für das ganze Land. Roosevelt war 1928 bis 1932 Gouverneur von New York , bevor er Präsident wurde und er hat hier viele jener Programme ausprobiert, aus denen dann später der New Deal entstand. Und er hatte damit großen Erfolg – mit der Ausweitung von Sozialhilfe und Arbeitsbeschaffung im großen Stil beispielsweise. Er hat damals in New York erstmals in der Geschichte der USA moderne Sozialstaatlichkeit erfolgreich etabliert. Insgesamt scheint New York sehr krisenresistent zu sein, selbst von der lebensbedrohlichen Krise der 70er Jahre in der Stadt hat es sich erholt.
Woran liegt das?
Das Leben in New York kann sehr hart sein. Normalerweise ist amerikanisches Leben auf Komfort ausgerichtet. Nach New York kommen jedoch Leute, die nach mehr suchen, als nach Komfort. Sie nehmen sehr viel in Kauf, um ein interessantes, intensives Leben zu haben. Das macht sie stark in der Krise. New York war im 20. Jahrhundert lange Zeit ein Art Welthauptstadt. ##
Ist sie das noch oder verliert sie an Boden?
Ich denke New York hat bis auf London noch immer keinen ernsthaften Rivalen. Sicher hat New York nicht mehr den einzigartigen Status, den es lange Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg hatte, andere Zentren in Europa und Asien holen auf. Aber eine echte Konkurrenz gibt es noch immer nicht.
Wie glauben Sie, dass sich New York in den nächsten 10 oder 20 Jahren verändert, welche wichtigen Entwicklungen zeichnen sich ab?
Ich denke die Stadt wird wieder kulturorientierter und weniger finanzorientiert. Es wird auch wieder multikultureller werden, die jetzige Regierung ist ja Fremden gegenüber deutlich aufgeschlossener als die alte. Insgesamt glaube ich, dass alle globalen Entwicklungslinien in die Richtung von New York weisen – hin zu einer dichten, nachhaltigen Lebensweise, hin zu mehr Internationalität. New York wird noch mehr als bislang zum Vorbild urbanen Lebens werden, obwohl wir ja in dieser Hinsicht schon große Fortschritte gemacht haben. Die klassischen Suburbs versuchen heute Zonen einzurichten, in denen es aussieht, wie in Soho. So wie New York immer amerikanischer wird, wird im Gegenzug der Rest von Amerika immer mehr so, wie New York. Die Mehrheit der Amerikaner hat entschieden, dass sie leben wollen wie die New Yorker. Der interessanteste Trend der vergangenen 10 Jahre, der sich auch in die Zukunft fortsetzen wird, ist für mich jedoch, dass in Brooklyn ein komplett neues urbanes Zentrum entstanden ist. Brooklyn ist heute kulturell der spannendste Ort der gesamten Vereinigten Staaten.
Ist New York für Sie persönlich noch so spannend wie eh und je?
Es ist auf jeden Fall so, dass wir hier in New York noch immer viele Dinge für selbstverständlich nehmen, die für viele Leute anderswo sehr aufregend und außergewöhnlich sind.