Meanwhile, in Berlin. Exakt vor zwei Tagen.
Rein, rauf, runter und raus, und zwar ich im Op-Saal und auf dem Op-Tisch.
Und das kam so:
Möglicherweise habe ich es doch ein wenig übertrieben in den letzten zwei Wochen; 1. Mai Radtour nach Hamburg 295 km, dort dann zweimal zweimal und einmal einmal umme Alster gelaufen, danach drei Tage später 200 km aufm Rad, Tags drauf auch wieder und was man halt noch so tut dazwischen.
Auf jeden Fall habe ich irgendwann bei einer Radtour rechts im Chamois-Bereich (wäre ich Besitzerin eines Skrotum, dann könnte ich die Stelle jetzt anatomisch präzise beschreiben als zwischen Sack und Oberschenkel befindlich) eine kleine, harte und mega druckdolente Raumforderung bemerkt. Natürlich dachte ich gemäss Sutton‘s law an einen Abszess, musste aber nach eingehender Untersuchung die Diagnose revidieren: im Ultraschall sah das einfach ganz klar nicht nach Abszess aus; ich hab dann trotzdem und wider bessern Wissens noch ein oder zweimal probatorisch reingeschnittene - war wirklich kein Abszess. Keine Ahnung, was es stattdessen war, klein, hart, etwa Bohnengross, subkutan gelegen, glattberandet und verschieblich.
Da es nun 14 Tage vor Abfahrt ins Trainingslager war und ich diesen shit wirklich nicht mit nach Freiburg nehmen wollte, war klar: weg damit.
Mein lieber Freund und ehemaliger Oberarzt aus Klinikzeiten sollte nun das Privileg bekommen, mir das Mistding da wegzuschnibbeln; Lokalanästhesie, bisschen Adrenalin dazu, damit es nicht blutet, aufmachen, rauspräparieren, kleine Naht, fertig. Leider war Christof aber grad selber zum Radfahren im Urlaub, ganz toll, Du musst Deine Notfälle besser planen, Stef, sagte er zu mir und verweist mich an eine unserer Oberärztinnen.
Ich also Montag Morgen vor der Sprechstunde inne Klinik, Hose runter, Slip zur Seite ruff uffn Gyn-Stuhl. Allmächtiger, sagt sie, das ist doch richtig tief, das kann ich nicht mal eben so wegschneiden, da brauchen wir richtig Anästhesie, was wenn das blutet, da sind doch relevante Strukturen, das müssen wir im Op machen und schwuppdiwupp stand mein Name für Freitag 12:00 Uhr auf dem Op-Plan, am Tag davor die Anästhesievorstellung. Ich meine, ich habe ja ganz grundsätzlich immer und zwar richtig große Lust auf eine schöne Vollnarkose, aber das ganze erst am Freitag??? Da bleibt nur eine Woche bis Kirchzarten und Trainingslager??? Plus zwei Tage, die ich meine Sprechstunde umbestellen muss jeweils ab elf Uhr, und wohin soll ich an die 25 Patientinnen denn verschieben, so kurz vor dem Urlaub?
Ich also meinem Denkapparat angeworfen und mich dran erinnert, dass der Mann einer einer Sprechstundenhelferinnen Chirurg ist, Facharzt für plastische und rekonstruktive Chirurgie. Come on, wer Möpse grösser und Wampen kleiner und Schwerverletzte wieder heile machen kann, der kann mir auch ne Bohne aus der Leiste schneiden.
Gesagt - getan.
Einen Tag später bin ich nach der Sprechstunde ins Unfallkrankenhaus Berlin Marzah gegurkt, wobei die ganze Fahrt dorthin ungefähr dreimal so lang gedauert hat, wie die Op selber.
20 Minuten maximal: kleine Lokalanästhesie reingeknallt, aufgeschnitten, rauspräpariert, ich sag noch, brauchst Dir keine Mühe zu machen wegen der Naht, er meint als Plastiker hinterlässt er doch überall seine Visitenkarte, fair enough. Schadet ja auch nicht, wenn es danach wieder gut aussieht.
Wir haben dann noch kurz überlegt, ob wir das Präparat in die Patho schicken sollen, ich habe mich dann aber doch entschieden, es der hungrigen Op-Katze hinzuwerfen.
Die Diagnose war auch so vollkommen klar: anhand der Anamnese plus der klinischen Präsentation war das ein Bikerknoten, gerne auch Biker‘s nodule.
Alternative Therapie wäre eine längere Radpause gewesen oder die intraläsionale Injektion von Steroiden und/oder Hyaluronidase.
Ersteres kommt nicht in Betracht, das mit der Spritze wäre Plan B gewesen.
Am Abend nach dem Eingriff und gestern Morgen vorsichtshalber mal je eine Ibu eingeworfen, falls es anfangen sollte, weh zu tun. Fing es aber nicht. Sprechstunde lief super, abends Krafttraining. Heute ein gechilltes 13 km Läufchen, Naht sieht super aus.
Wohl dem, der ringsherum Ärzte im Freundeskreis hat. Auf normalem Weg wäre das eine never ending story gewesen.
Natürlich ist das irgendwie auch unfair all den anderen gegenüber und ich bin wirklich sehr dankbar, dass das so schnell und gut über die Bühne ging.
Und ich empfinde auch eine gewissgradige Demut angesichts der Tatsache, dass ich hier so launig heitere Geschichten über Luxusprobleme zum besten geben kann; Luxusprobleme verursacht durch meinen luxuriösen Sportlebenswandel.
Ich versuche, wann immer ich kann, mich dafür zu revanchieren, und zwar genau bei denen, die so viel Privileg nicht habe.
Und nun keep fingers crossed. Die Rezidivrate nach chirurgischer Exzision eines biker‘s nodule gilt als extrem hoch
Cheers, ich bin dann mal wieder raus hier
