Ein junges und neues Forumsmitglied, SimonF, hat mich um mein Feedback zu seiner Schwimmtechnik gebeten. Simon ist ein ambitionierter Kurzdistanzler, krault seit zwei Jahren, und schwimmt aktuell auf der Kurzbahn die 400 m in ca. 6:40 min. Er würde gerne unter 6:00 min kommen. Er schwimmt viermal pro Woche und das Schwimmen ist seine größte Baustelle.
Erfahrungsgemäß ist es oft hilfreich, nicht nur eine Meinung zu hören, sondern mehrere, weil sich aus der Diskussion allgemeiner Erkenntnisgewinn ergeben kann. Deswegen habe ich vorgeschlagen, diesen Thread zu erstellen. Weil Simon im Umgang mit dem Forum noch nicht so firm ist, übernehme ich das für ihn.
Die linke Hand wird in der Abdruckphase vergleichsweise weit zum Oberschenkel gebracht.
Der Beinschlag ist meist ziemlich kompakt und durch die für einen Triathleten flexiblen Fußgelenke zumindest nicht hinderlich.
Was besser geht:
Beim Abstoßen könnte die Streamline enger sein. Die Arme gehören möglichst nahe zusammen hinter den Kopf. Generell könnte das Abstoßen etwas mehr Dynamik vertragen.
Der Blick sollte eher in Richtung Beckenboden gehen statt fast direkt nach vorne. Dadurch würde vermutlich auch die Hüfte, die etwas tief hängt, höher kommen.
Auf beiden Seiten klappen beim Anstellen zuerst die Hände ab, rechts ganz extrem. Ziel sollte es sein, Hand und Unterarm vom Eintauchen bis zum Finish in einer Linie zu haben. Dadurch wird das Anstellen – momentan links nur rudimentär, rechts gar nicht erkennbar – besser deutlich besser werden.
Durch die extreme Handhaltung rechts fällt auch der Ellbogen stark ab.
Die Körperrotation ist durch die einseite Atmung sehr ungleichmäßig. Bei Zügen ohne Atmung liegt der Körper fast flach, bei Zügen mit Atmung fast komplett zur Seite gekippt.
Der Arm wird rechts in der Druckphase viel zu früh gestreckt und das mit Druck nach unten. Links sieht das besser aus.
Aus meiner Sicht sind die zwei wichtigsten Baustellen die Armbewegung, speziell das Anstellen, und die übertriebene Rotation.
Die Armbewegung würde ich begleitend auf dem Trockenen mit dem Zugseil einüben und darauf achten, dass Hand und Unterarm mindestens bis zur Hüfte immer auf einer Linie bleiben. Am besten vor dem Spiegel oder per Video überprüfen, ob alles passt.
Im Wasser würde ich mit Schnorchel und Doggy-Paddle-Drill versuchen, ein Gefühl dafür zu entwickeln, wie sich richtig und falsch anfühlt und das auch unter Wasser beobachten. Dazu vielleicht noch Sculling in sämtlichen Variationen. schnodo's Schnorchelei könnte Dir ein paar Anregungen geben. In meinem Kraul-Armzug-Video spreche ich einiges von dem an, was bei Dir schiefläuft, vielleicht wirfst Du auch da mal einen Blick rein.
Für die Überrotation würde ich versuchen, auch zur anderen Seite zu atmen, die Kopfbewegung zu minimieren und das Atem-Timing etwas knackiger zu machen. Pull Buoy in Kombination mit Knöchelband könnte als Feedback-Werkzeug hilfreich sein, um zu spüren wie die Hüfte abfällt und wie schwer es ohne Beineinsatz ist, diese wieder zu normalisieren.
Ich glaube, wenn Du die Zugmechanik etwas aufräumst, dann bist Du innerhalb weniger Wochen/Monate unter den gewünschten sechs Minuten. Dazu noch etwas mehr Stabilität in der Rotation und die Post geht ab.
Aus meiner Sicht bringt dort das Handankippen nichts, im Gegenteil, er stellt die Handaußenseite GEGEN das Wasser, schiebt die Hand GEGEN das Wasser. Das sind Feinheiten für sub1min/100m Schwimmer. Hand gerade lassen und dafür viel lieber die Ellenbogenvorhalten, praktisch das Ankippen des Unterarms, trainieren. Und selbst das ist nicht zwingend.
Ich glaube, dass er mit mit ordentlichem Trainingsplan, sprich richtigen Intensitäten, recht schnell auf 6min kommen kann, den groben Handfehler abgestellt vorausgesetzt.
Hallo zusammen
Erst einmal vielen Dank an Schnodo für das erstellen des Threads und das ganze weitere!
Dann vielen Dank auch an jeden der sich mit der ganzen Problematik befasst!
Das mein rechter Arm Katastrophe ist, ist mir auch aufgefallen.
Ich werde die genannten Drills von Schnodo gleich in die nächste Einheit einbauen.
Zum 2. Punkt, das erklärt evtl auch warum ich mit Pullbouy unglaublich langsam schwimme...
Meine Frage wäre, wie sollte ich meine 4 Einheiten über die Woche strukturieren? Aktuell fühle ich mich ein wenig planlos und weis nicht so recht was ich schwimmen soll...
Macht es Sinn erstmal nur an meinem Armproblem zu arbeiten und hauptsächlich Technik zu schwimmen? Wenn ja wie könnte so eine Einheit dann aussehen? Ich bräuchte vor allem in die Richtung Trainingsplanung ein wenig Hilfe.
Mit dem Filmen habe ich zudem erst diese Woche begonnen (erst jetzt fällt mir auch auf wie krass mein rechtes Handgelenk abknickt). In Zukunft werde ich mich mind. 2x wöchentlich filmen und schauen wie es im Wasser aussieht. Evtl kann ich die Videos dann hier auch posten?! Weis nicht ob das möglich ist... Schnodo kann mir da sicher helfen
Vielen Dank für jeden Kommentar, Tipp, sontiges... möchte unbedingt weiter kommen im Schwimmen!
Meine Frage wäre, wie sollte ich meine 4 Einheiten über die Woche strukturieren? Aktuell fühle ich mich ein wenig planlos und weis nicht so recht was ich schwimmen soll...
Macht es Sinn erstmal nur an meinem Armproblem zu arbeiten und hauptsächlich Technik zu schwimmen? Wenn ja wie könnte so eine Einheit dann aussehen? Ich bräuchte vor allem in die Richtung Trainingsplanung ein wenig Hilfe.
Wie schwimmst Du denn momentan? Hast Du Dir selbst einen Plan zurechtgelegt, von jemandem erstellen lassen oder schwimmst Du nach Lust und Laune?
Ich würde an Deiner Stelle versuchen, den Schwerpunkt mehr auf die Technik zu legen, aber die schwimmerische Fitness trotzdem zu bewahren. Und auch in der ganzen Lage würde ich versuchen, bewusst auf ordentliche Ausführung zu achten. Wenn Du regelmäßig filmen kannst, ist das für die Erfolgskontrolle natürlich eine super Sache.
Wichtig ist es, dass Du in der Lage bist, das was Du spürst, mit dem, was sich tatsächlich im Wasser abspielt, zur Deckung zu bringen. Manchmal denkt man, dass man radikal überkorrigiert hat und die Bewegung absurd aussehen muss und stellt dann fest, dass man es von außen überhaupt nicht unterscheiden kann. Eine wichtige Erkenntnis.
Und da hätte ich an Deiner Stelle auch keine Hemmungen, gerade die schwierigen Übungen, also Schwimmen mit Pull Buoy und Knöchelband oder den UNCO-Drill zu filmen und zu überprüfen, ob Dein Empfinden bei den Korrekturversuchen sich mit dem deckt, was Du im Video siehst. Da lassen sich dann Fragen stellen und beantworten wie diese: "Ist das, was ich als kerzengerade empfinde, tatsächlich gerade oder liege ich quer und abschüssig wie eine verendende Seegurke im Wasser?"
Der UNCO-Drill ist aus meiner Sicht ein tolles Universalwerkzeug, dass gnadenlos Probleme aufzeigt, aber auch direkt Rückmeldung gibt, wenn es gut läuft. Gleichzeitig schult er Rhythmusgefühl und lehrt den Impuls aus der Hüfte.
Ich fand bei mir selbst, dass ich mit häufigem visuellen Feedback zumindest recht bald in der Lage war, zu spüren, wenn etwas schief läuft. Das hat die Korrektur nicht immer leichter gemacht, mit meiner abstürzenden Hüfte kämpfe ich immer noch, aber überhaupt beim Schwimmen zu merken, dass etwas daneben ist, ist aus meiner Sicht schon die halbe Miete. Manchmal habe ich den Eindruck, dass viele Hobbyschwimmer die Bewegungen wiederholen wie ein Roboter und dabei die Sensorik komplett abgeschaltet haben. Das gilt es zu vermeiden. Wenn man es schon nicht nachhaltig ändern kann, sollte man wenigstens die Gelegenheit haben, sich darüber zu ärgern.
Wirf mal einen Blick in den 45min Schwimm-Kurzprogramm für Anfänger Thread von andreasf. Eventuell kannst Du Dir dort ein paar Anregungen fürs Training holen, wie z.B. die, Dir Sheila Taorminas Swim Speed Workouts zuzulegen.
Ansonsten kannst Du Dir natürlich von einem Profi für Geld ein Programm schreiben lassen oder baust Dir selbst ein Gerüst zurecht. Holger Lüning hat eine umfangreiche Sammlung einzelner Trainingspläne und wenn Du etwas kreativ bist und Dir ein paar Gedanken machst, wirst Du vermutlich bald in der Lage sein, Dir die Bausteine nach Deinen Bedürfnissen auszusuchen und anzupassen. Für den Anfang reicht eine 0815-Struktur, wenn Du Deine speziellen Technikdefekte im Fokus behältst und insgesamt etwas Längen- und Tempovariation einbaust.
Zitat:
Zitat von SimonF
In Zukunft werde ich mich mind. 2x wöchentlich filmen und schauen wie es im Wasser aussieht. Evtl kann ich die Videos dann hier auch posten?! Weis nicht ob das möglich ist... Schnodo kann mir da sicher helfen
Das kriegen wir schon irgendwie hin. Wenn Du noch keinen YouTube-Account hast, dann ist das eine gute Gelegenheit, Dich zu registrieren.
Am Anfang habe ich mich gefragt ob wäre ein Film in Zeitlupe
Von ein junge Kerl erwarte ich mehr Kraft und Schnelligkeit in der Sache
Das habe ich auch festgestellt, aber den Punkt wollte ich lieber noch etwas zurückstellen, bis die Mechanik halbwegs sitzt, sonst führt das vielleicht dazu, dass die falsche Bewegung dynamischer durchgeführt wird. Schneller macht das natürlich auch, aber nicht in der Form, in der wir uns das wünschen.