Ich hab die letzten Tage nicht wirklich alles im Detail gelesen, aber für mich hat sich eine mögliche Schlussfolgerung ergeben:
Hafu kam es merkwürdig vor, dass Iden mit deutlicher Wattersparnis auf der zweiten Hälfte unterwegs war. Er hat die Erklärung darin gesehen, dass er auch bei 20 m einen deutlichen Windschattenvorteil hat. Dies wurde ja seitenweise diskutiert.
Jetzt ergab sich, dass die Hütchen doch nicht 20 m Abstand hatten. Mutmaßlich haben aber die Athleten und die Karis diese als Orientierung genutzt. Demnach ist Iden unter der Annahme regelkonform gefahren. Könnte es nichts sein, das er wohl deutlich weniger als 20 m Abstand hatte, (nicht weil er schummeln wollte, sondern weil er sich auf die Hütchen als Orientierung Verlassenheit) und damit da auch erklärbar den messbaren Windschattenvorteil hatte? Keine Kritik an Iden, nur für mich eine Erklärung!
Da wird also zu Tode analysiert, x leistungsdiagnostiken gefahren, windkanaltests gemacht noch und nöcher aber wenn es dann darum geht die für sich optimale Taktik zu finden, dann ist es auch wieder nicht ok...
Die Windkanaltests sollen ja helfen im Kampf gegen Gegenwind und Seitenwind aus unterschiedlichen Richtungen das optimale Material und die optimale Position zu ermitteln, Leistungsdiagnostiken helfen den Trainingsprozess zu optimieren um letztlich ein besserer Athlet zu werden inwiefern dies dem naiven Grundgedanken des Triathlon widerspricht weiß ich nicht.
Im Hinblick auf eine 10m-Windschattenbox (die in der Realität von vielen Ironmanwettkämpfen sich oftmals eher als sieben bis acht Meter Abstand herausstellen) machen komplexe Windkanaltests dagegen nicht wirklich Sinn.
Wettkampfformate, in denen Taktik wichtiger als die reine Leistung in drei Diziplinen über eine bestimmte Dauer ist gibt es ja längst im Triathlon. Die finden bei der ITU und der Superleague statt und haben da zu 100% ihre Existenzberechtigung. Und diese Formate schaue ich auch ausgesprochen gerne, weil sie eben nach anderen Gesetzen funktionieren. Echter, klassischer Triathlon ist das für mich aber nicht.
Für den Triathlon ohne Windschattenfreigabe wünsche ich mir Rennen, die nicht vom Rennverhalten anderer Athleten (egal ob Teamkollegen wie bei Lange 2018 oder Gegner wie am WE) abhängen, sondern in erster Linie von der individuellen Leistung der Protagonisten selbst und gegebenenfalls noch vom schlauen Pacing, dass die Kraft/ Energie so gerade bis zur Ziellinie reicht.
Im Prinzip wünsche ich mir für Triathlon ein Rennformat, wie es das Einzelzeitfahren für Radprofis darstellt. Da will man auch nicht sehen, wie Fahrer den Windschatten von Führungsfahrzeugen oder von überholenden Konkurrenten nutzen sondern man interessiert sich als Zuschauer in erster Linie dafür, wer aus eigener Kraft am schnellsten vom Start zum Ziel kommt.
Für Anhänger taktisch geprägter Rennformate bietet der radsport genügend andere Disziplinen. Im EZF geht es einzig und alleine um die Überwndung von Wind- und Rollwiderständen sowie ggf. die Bewältigung eines Streckenprofils. Keine anderen Aspekte haben da was zu suchen.
Im Einzelstartmodus würde das zweifellos auch im Triathlon am besten klappen, weshalb solche Rennen durchaus (zumindest gelegentlich, als Standard wäre es zu langweilig) eine Überlegung wert sind. Es klappt aber auch bei hoher Leistungsdichte und 20m-Regel auch auf flachen Kursen, wenn die Kampfrichter aufpassen und die Athleten mitspielen, wie mehrere Austragungen in Samorin überzeugend nachgewiesen haben.
In Daytona hat es leider aus verschiedenen längst genannten Gründen nur suboptimal geklappt:
Weil das Starterfeld für die 4km-Runde mit 60 Athleten zu groß war;
weil es keine klare Regeln für das Verhalten überrundeter Athleten gab (die es im Autorennsport übrigens auch nicht gibt, aber sich dort überrundete Autos als ungeschriebenes Gesetz auf die Außenbahn oder die Innenbahn zurückzziehen wenn es Überrundungsvorgänge gibt);
weil einige Athleten hinsichtlich Fairness nicht so mitgespielt haben, wie es wünschenswert war;
weil die Kampfrichter bezüglich mancher Regelverstößen schlecht geschult oder unaufmerksam waren;
weil einige Kegel nicht so aufgestellt waren, wie es den Athleten im Vorfeld erzählt wurde
weil die Wetterbedingungen beim Wetter so war, dass der Windschatten in den Laborbedingungen eines Autorennstadions ausgeprägter war, als es bei stärkerem Seitenwind oder bei einem Rennen auf offenen Straßen zu erwarten gewesen wäre.
Zitat:
Zitat von Estebban
...bist du ja durchaus ein Anhänger davon den Sport weiter zu professionalisieren bzw. teilweise die Rennen zwischen Amateuren und Profis zu trennen?
Diese professionalisierung zu Ende gedacht lässt hingegen die romantische (die ich durchaus sehr schön finde) Idee, die du da hast wahlweise naiv oder böse gesagt dumm erscheinen.
Die Argumentation verstehe ich in diesem Zusammenhang nicht. Professionalisierung beim Triathlon ohne Windschattenfreigabe bedeutet doch auf keinen Fall bei den Regeln mal eben 5 gerade sein zu lassen, sondern im Gegenteil das Reglement an moderne Zeiten anzupassen und auch professionell zu überwachen.
1978 als die schnellsten Radfahrer 36km/h mit rennlenker und Flattertop fuhren, waren 10m Abstand komplett ausreichend. Heute im Jahr 2020 bei über 43km/h auf der Langdistanz und über 45km/h auf der Mitteldistanz sind 10m Abstand nur nocht anchronistisch. Ebenso anachronistisch wie auf das Augenmaß von Schiedsrichtern bei der Regeleinhaltung zu vertrauen, anstatt diese mit technischen Hilfsmitteln zu unterstützen.
Zitat:
Zitat von Estebban
dann soll es plötzlich romantisch sein und dem „historischen Grundgedanken“ entsprechen.
"Plötzlich" würde ich diesen historischen Grundgedanken", den John Collins schon 1978 mit seinem "whoever finish first-Spruch" formuliert hat, jetzt nicht gerade nennen.
Im Daytona-Livestream eine Viertelstunde vor dem Start des Frauenrennens gab es übrigens einen sehr schönen vorproduzierten Einspieler über John Collins und dessen Frau Judy mit kurzem Interview, fotogen zusammengeschnitten mit historischen Aufnahmen und Fotos von 1978.
Wenn man von Triathlon spricht, sollte man IMHO diese Grundidee unseres Sports nie komplett aus den Augen verlieren, ist sie es doch warum viele den Sport überhaupt begonnen haben.
I...Mutmaßlich haben aber die Athleten und die Karis diese als Orientierung genutzt.
Nicht nur mutmaßlich. Die Pylonen wurden eigentlich zu genau diesem Zweck aufgestellt und das wurde auch im offiziellen Briefing den Athleten und den Offiziellen ausdrücklich so kommuniziert.
Die Veranstalter hatte durchaus die Intention ein möglichst faires Rennen zu veranstalten und teilweise ist ihnen das auch gelungen (typisches zu lobendes Beispiel am WE Verhalten von Motorrädern und des (einzigen) Kameratrucks, die viel Seitenabstand gehalten haben und das Rennen nicht beeinflusst haben. Das habe ich schon so oft z.B. Olympia in Rio oder bei der Erstaustragung in Rio katastrophal anders erlebt)
Zitat:
Zitat von moorii
I...
Demnach ist Iden unter der Annahme regelkonform gefahren. Könnte es nichts sein, das er wohl deutlich weniger als 20 m Abstand hatte, (nicht weil er schummeln wollte, sondern weil er sich auf die Hütchen als Orientierung Verlassenheit) und damit da auch erklärbar den messbaren Windschattenvorteil hatte? Keine Kritik an Iden, nur für mich eine Erklärung!
Ist auf jeden Fall eine nachvollziehbare Erklärung
Und aus der subjektiven Sicht von Iden hat dieser wohl genau das Rennen so gemacht. wie er es wollte.
Trotzdem bleibt Raum für subjektive Bewertungen der Taktik, die ich jetzt aber nicht zum xten maö wiederholen möchte.
Erstmal danke HaFu, dass du so ausführlich antwortest.
Ich bin da zum größten Teil auch absolut bei dir.
Kurz nur zur Erläuterung warum ich professionalisierung in dem Zusammenhang ins Spiel gebracht habe:
Wenn ich echten Profisport möchte, wenn ich möchte, dass eine breitere Schicht Athleten davon nachhaltig leben können, dann geht das (für mich) nicht mit dem Grundgedanken zusammen „es treffen sich ein paar verrückte und der stärkste gewinnt“. Dann braucht es ein starkes Regelwerk, welches auch durchgesetzt wird. Dann gibt es gleiche Voraussetzungen für alle. Und dann gehört für mich auch dazu, dass jeder schaut mit welcher Taktik es für ihn am besten passt - Lucy charles schwimmt weg und versucht dann vorn zu bleiben: Toll! Sebastian Kienle fährt 2014 einen uneinholbaren Vorsprung raus und läuft das nach Hause: Toll! Patrick Lange fährt im Rahmen des Reglements (!! Alles andere ist natürlich zu ahnden) und läuft hinterher alles in Grund und Boden? Bitte sehr, auch toll.
Klar, kann man über 10,12,20 Meter diskutieren - aber das wird immer eingefärbt sein von dem was man kann. Schwimmer und Radfahrer wollen große Abstände - der Läufer eher nicht, das ist nachvollziehbar.
Einem Iden, einem Lange vorzuwerfen, das Reglement nach seinen eigenen Stärken zu nutzen? Alles andere wäre einfach Unprofessionell. Je professioneller der Sport umso stärker wirkt sich dass dann auch aus - dann versaut man nicht nur sein eigenes Rennen, sondern ebenso dass von Coaches, Physios, Partnern die große Opfer bringen, Sponsoren etc.
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Klar, kann man über 10,12,20 Meter diskutieren
Eigentlich kann man mit dem Erkenntnisstand von 2020 darüber schon nicht mehr (was Profis mit ihren separaten, kleinen Startgruppen anbelangt) ernsthaft diskutieren. Die 10 bzw. 12m-Regel passt einfach nicht mehr in die Zeit und die Mehrheit der Profis fordert deshalb längst die generelle 20m-Regel. Kaum jemand versteht, warum Ironman nach wie vor daran festhält.
Mit 20m-Regel würde selbst das Hawaii-Rennen enorm an Spannung gewinnen, weil das Überholen nämlich nicht schwerer sondern leichter werden würde. Es würde dann nämlich gar nicht erst eine ermüdend lange 25-Mann-Perlenkette auf den 70km nach Hawi entstehen, sondern mehrere kleine Gruppen, weil es gar keinen Sinn macht, bei der deutlich kleineren Wattersparnis von echten 20m (unter Hawaii-Windbedingungen, wo es stets Crossinde gibt) sich nach dem Tempo von Konkurrenten zu richten statt nach dem eigenen Leistungslevel.
Hat auch Flo Angert gestern richtigerweise erwähnt.
Zitat:
Zitat von Estebban
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Einem Iden, einem Lange vorzuwerfen, das Reglement nach seinen eigenen Stärken zu nutzen? Alles andere wäre einfach Unprofessionell. .
Bestimmte Sportler oder auch bestimmte Mannschaften sympathischer als andere zu finden ist doch geradezu das Wesen des Sportes und natürlich auch des Profisportes. Ohne Emotionen und persönliches Commitment sowie auch im Idealfall schwer vorhersehbare Renn- bzw. Spielausgänge funktioniert Sport nicht, bzw. wäre nur banale, inszenierte Show wie z.B. Profi-Wrestling.
Im Fußball ist es absolut nicht unprofessionell, wenn man die Spielweise eines bestimmten Teams bevorzugt selbst wenn es mit z.B. offensiverer Ausrichtung weniger erfolgreich ist, als ein andere defensiveres Team.
Lange hat seine Fanbase, Iden längst auch. Die brauchen mich nicht als Bewunderer. Ich respektiere Idens Transparenz mit Trainingsdaten (und Wettkampfdaten) und habe ihn vor ein paar Wochen sogar neben ein paar anderen Namen als leuchtendes Beispiel eines Sportler genannt, der sich im Ausdauersport unzweifelhaft auf Weltklasse-Niveau befindet und den ich (vom Bauchgefühl her) für ungedopt halte. Trotzdem war er mir noch nie richtig sympathisch. Im Gegensatz zu seinem sehr unähnlichen Trainingspartner Blummenfelt, dessen Art Rennen zu bestreiten, Ansagen zu machen sowie mit Siegen und insbesondere auch Niederlagen umzugehen, mir erheblich mehr liegen.
Hier der letzte Streich. Die Korrektur war gar nicht so dramatisch wie befürchtet, weil ich mir "nur" die Teile genau anschauen musste, bei denen Idens Vordermann ein DNF-Fahrer war.
Bildinhalt: Gustav Iden – Wechsel des Vordermannes
Es gibt nur zwei kurze Segmente mit DNF-Fahrern, die für die Abstandsregel relevant sein könnten. Im allerersten Segment war der Vordermann (Pearson) so weit weg, dass der Abstand nicht mehr ins Diagramm passt. Die durch DNF betroffenen Punkte sind rot markiert.
Bei den zwei blauen Punkte unter 15 m vermute ich, dass der Wechsel des Vorausfahrenden nicht dem korrekten Segment zugeordnet wurde, weil im Stream die Einblendung des Rankings leider oft mit großer Verzögerung kam. Bei meiner vorherigen Markierung von Hand konnte ich mich auf den dahingehend genaueren Tracker verlassen.
Bildinhalt: Gustav Iden – Abstand zum Vordermann in Daytona, mit DNF
Wenn es jemand nachvollziehen möchte, so habe ich die entsprechenden Stellen aus dem aufgezeichneten Stream in einem kurzen Video zusammengestellt. Die Schnittmarken hatte ich mir ja bereits zusammengesucht.
Könnte es nichts sein, das er wohl deutlich weniger als 20 m Abstand hatte, (nicht weil er schummeln wollte, sondern weil er sich auf die Hütchen als Orientierung Verlassenheit) und damit da auch erklärbar den messbaren Windschattenvorteil hatte? Keine Kritik an Iden, nur für mich eine Erklärung!
Das wäre eine Erklärung, wenn nicht die Splits im Tracker dagegen sprächen. Wie ich bereits sagte: Ich glaube nicht, dass die Zeitmessung so vergeigt wurde, dass auch diese nicht stimmen. Und aus den Splits ergibt sich per einfacher Rechnung der Abstand zum Vordermann. Die Sonderfälle mit DNF, die ich nicht auf dem Schirm hatte und die nun zumindest identifiziert sind, haben daran nicht prinzipiell etwas geändert.
Was man erkennen kann, ist, dass es in der ersten Hälfte einige riesige (250 m, jenseits des Diagramms) bis sehr große (über 40 m) Abstände zum Vordermann gab, während in der zweiten Hälfte der Abstand deutlich geringer war und auch ziemlich oft unter 20 m; wobei ich das eher – in dubio pro reo – dem Positionswechsel zuschreiben würde als einem systematischen Betrugsversuch.