Ich komme gerade vom Training nach Hause. Die Radklamotten habe ich noch an. Bin ordentlich paniert. Erst bin ich eine Stunde durch den See gepaddelt, und danach für 135 Kilometer auf’s Rennrad. Ein Schnitt von 31kommairgendwas, darin eine Stunde zwischen 38 und 41 km/h. Da kriecht mir auf dem Rennrad in meiner aktuellen Verfassung schön langsam die Müdigkeit die Füße hoch.
Jetzt schnell was essen und dann zügig in die Horizontale! Morgen vor der Arbeit steht ein 90min-Waldlauf mit meinem Freund Peter an. Freitag locker, Samstag ist dann die übliche S/B/R-Koppeleinheit mit ca. 6 Stunden Dauer fällig. Das ist meine wichtigste wöchentliche Keysession.
Meine Motivation schwankt. Bei den Einheiten, die mir Spaß machen, merke ich das nicht. Aber weh tue ich mir im Training andererseits nicht. Immer dort, wo man sich halt mal durchbeißen muss, mache ich es mit zu bequem. Im vergangenen Jahr wäre ich zum Beispiel lieber verreckt, als im Wasser die Füße von Urs ziehen zu lassen. Dieses Jahr fehlt mir diese Härte und ich bade halbzufrieden mit größer werdendem Abstand hinterher. Entsprechend mittelprächtig ist die Schwimm-, Rad- und Laufform. No pain, no gain. Andererseits: Ich war auch schon schlechter drauf. Und Spaß habe ich im Training auch. Das ist die Hauptsache.
Es gibt auch motivierende Momente. Sie kommen, wenn ich unterwegs sehe oder spüre, was meine Gäng und ich drauf haben. Beispielsweise Urs in der M55. Ich fahre 80 Kilometer lang einen 40er Schnitt und er bleibt wie angenagelt 50 Meter hinter mir. Beim anschließenden Koppellauf quält er mich 15 Kilometer lang. Oder Yvonne und Sabine, die beim Schwimmen auf den letzten 500 Metern locker an mir vorbei ziehen. Peter, der die langen Läufe mit mir stets nüchtern absolviert und vermutlich nicht seinen Rekom-Bereich verlässt, während ich kaum noch Luft zum Reden habe. Oder meine Wenigkeit, wenn ich mal auf dem Rad ein gutes Bein habe. Das alles kommt von harter und jahrelanger Arbeit.
Ich will damit auf folgendes hinaus: Kennt ihr das Gefühl in einer Gruppe, diese atmosphärischen Vibrationen, die man in sich spürt und bei den anderen wahrnimmt, wenn allmählich die Form kommt? Eine schwer schuftende Truppe beim Koppellauf, klatschnass geschwitzt, mit roten Gesichtern, gleichzeitig konzentriert und heiter, jeder mit Schmerzen, aber mit dieser besonderen Zuversicht, wenn man spürt, die Form kommt?
Vielleicht kann man das mit einem Bildhauer vergleichen, der lange Zeit mit dem Meißel auf harten Marmor eindrischt, sich Millimeter für Millimeter voran arbeitet, bis es nach Wochen und Monaten erstmals Zeit ist, einen Schritt zurückzutreten und die sich abzeichnende Statue als Ganzes zu betrachten. Ab diesem Moment fühlen sich die Schmerzen in den Fingerknöcheln anders an.
Ob ich mit der Statue, die ich gerade aus dem Stein meißle, rechtzeitig fertig werde und ob sie mir gefallen wird, weiß ich noch nicht. Sie wird definitiv kleiner als ich das ursprünglich vorhatte. Aber ich will jetzt, dass sie fertig wird.
Noch fünf Wochen.