1966 geboren bin ich aufgewachsen als die RAF aktiv war; auch wenn ich die erste Generation nicht bewusst mitbekommen habe, so widerspricht Deine Einschätzung meiner Wahrnehmung als Heranwachsender.
O.k., dann ist meine Vermutung nicht belegbar; ich war ja damals in einem anderen Land, und kam erst 1980 hierher. Kann mich auch an Sprüche von damals erinnern, daß die damalige Justiz wohl eher auf dem rechten Auge blind sei - das passt dann eher zu Deiner Erinnerung. Sowas kann sich natürlich über Generationen ändern; heute ist es sicher anders.
Was ich in dem Kontext interessant fände, zu wissen: sind es die gleichen Leute, die damals "weg mit den Berufsverboten" skandierten, die heute dafür sind, AfD-Mitglieder und Sympathisanten aus von der Beamtenlaufbahn und aus Vereinen auszuschließen und in Lokalen nicht zu bedienen? Wenn es so wäre, wäre es um die Lernfähigkeit der Menschen aus eigener Erfahrung schlecht bestellt. Oder zeigt es gerade die Lernfähigkeit?
__________________
“If everything's under control, you're going too slow.” (Mario Andretti)
..
Merkwürdige Logik - ich glaube eher, Linksextremismus wurde einfach nie so ernst genommen, wie Rechtsextremismus - vielleicht historisch für Deutschland erklärbar, aber objektiv weltgeschichtlich gesehen nicht logisch.
Diese Einschätzung kann ich nicht nachvollziehen. Ein paar wenige Infos: Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, Spartakus-Parteivorsitzende und Abgeordnete, wurden nach Ende des 1. Weltkrieges von rechtsextremistischen Offizieren einer Garde-Kavallerie-Division schwerst misshandelt, erschlagen und ermordet und in den Landwehrkanal geworfen. Ein Gericht sprach später die Mörder frei!
Die KPD wurde 1919, 1923, 1933, 1956 in Deutschland verboten, was bis heute gilt. Das Verbot 1956 führte zu mehr als 100000 Ermittlungen und ca. 10000 Verurteilungen. Ein Teil der Mitglieder setzte sich in die DDR ab. Wer als KPD-Mitglied das KZ (und in Russland) überlebte, wurde 1956 in der BRD erneut verurteilt, z.T. mit Haftstrafen. Es gab in keiner anderen westeuropäischen Demokratie nach dem 2. Weltkrieg ein Verbot der kommunistischen Partei (aber starke Einschränkungen in den USA zu Zeiten der McCarthy Ära).
Wie schnodo schon schrieb, die RAF erfüllte beim Abbau der demokratischen Rechte eine ganz bestimmte Rolle., um den Abbau zu legitimieren und durchzusetzen. Der Terrorismus schadete der Linke sehr stark und diese kritisierte und verurteilte die RAF fundamental. Die Auseinandersetzung damit überlagerte andere sozialpolitische Themen. Gustav Heinemann sagte damals über die RAF: 'Anarchisten sind objektiv die besten Helfer der Reaktionäre.'
Sowas kann sich natürlich über Generationen ändern; heute ist es sicher anders.
Ja. Das Pendel ist gerade - auch wieder meine persönliche Sicht - in der Maximalauslenkung in der anderen Richtung.
Zitat:
Zitat von Schwarzfahrer
Was ich in dem Kontext interessant fände, zu wissen: sind es die gleichen Leute, die damals "weg mit den Berufsverboten" skandierten, die heute dafür sind, AfD-Mitglieder und Sympathisanten aus von der Beamtenlaufbahn und aus Vereinen auszuschließen und in Lokalen nicht zu bedienen? Wenn es so wäre, wäre es um die Lernfähigkeit der Menschen aus eigener Erfahrung schlecht bestellt. Oder zeigt es gerade die Lernfähigkeit?
Schwer zu sagen. Ich habe den Eindruck, dass viele der ganz Eifrigen den nachfolgenden Generationen angehören.
Etliche, die so alt sind wie ich oder älter, neigen eher zur Zurückhaltung, weil sie gesehen haben, wie schnell Existenzen zerstört werden, wie das Blatt sich wenden kann, wie oft sie in ihrem Leben daneben lagen und wie schwer es ist, ein gerechtes Leben zu führen. Ich stelle bei mir fest und nehme an, es geht anderen genauso, dass ich meinen Standpunkt immer öfter hinterfrage je älter ich werde und mir gelegentlich an den Kopf fasse, wenn ich darüber nachdenke, wie überzeugt ich früher von manchem Unfug war.
Damit macht man es keiner Seite recht aber auch das ist ein Geschenk des Älterwerdens: Es juckt mich nicht mehr so sehr, was andere sagen, wenn ich das Gefühl habe, ich bin mit mir im Reinen.
......
Was ich in dem Kontext interessant fände, zu wissen: sind es die gleichen Leute, die damals "weg mit den Berufsverboten" skandierten, die heute dafür sind, AfD-Mitglieder und Sympathisanten aus von der Beamtenlaufbahn und aus Vereinen auszuschließen und in Lokalen nicht zu bedienen? Wenn es so wäre, wäre es um die Lernfähigkeit der Menschen aus eigener Erfahrung schlecht bestellt. Oder zeigt es gerade die Lernfähigkeit?
Nein, die damals vom Berufsverbot betroffene Generation ist meistens schon in Rente. . Bekannte von mir aus meiner Studienzeit waren in Einzelfällen betroffen. Mit Ausnahme von Bayern vielleicht, wo der sog. Radikalenerlaß (1972) erst 1991 aufgehoben wurde. Es wurden in der BRD über 1000 Personen, fast alle als linksextrem eingestuft, nicht eingestellt, und mehr 100 entlassen, viele bewarben sich erst gar nicht im öffentlichen Dienst oder an Schulen, Hochschulen. Gegen ehemalige Nazis als Beamter oder Politiker ging der Staat kaum vor.
Ich würde auch nie für ein Berufsverbot im Öffentlichen Dienst von Mitgliedern einer Partei plädieren, weil es der Meinungs- und Vereinigungsfreiheit widerspricht. Die einzelnen Mitarbeiter müssen ihre Arbeit Sach- und Aufgaben gemäss erledigen, darauf sollte es in der Beurteilung nur ankommen. Tut jemand das nicht, gibt es die gleichen disziplinarischen Abläufe wie für alle.
Ausserdem erscheint mir die AFD viel zu wählerstark, als dass andere Parteien ein Berufsverbot bzw. Überprüfungen durchsetzen könnten und die AfD profitiert in dem Fall von den Erfolgen, die damals zur Aufhebung führten. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte urteilte 1995, dass die Berufsverbote gegen das Recht auf Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit verstossen und verurteilte DE zu Schadensersatz an ein ehemaliges DKP-Mitglied, das aus dem öffentlichen Dienst allein wegen Parteizugehörigkeit entlassen wurde.
Koalition von Konservativen und Nationalisten in Brüssel zur Wahl von der Leyens
Zitat:
Zitat von qbz
Ob Teile der rechtspopulistischen Parteien von der Leyen mitwählen werden, ist wohl noch unklar, aber wohl Vorausetzung, damit sie genug Stimmen bekommt.
........
"Ursula von der Leyen ist dieser Tage auf Stimmenfang in Brüssel. Eine gewisse Unterstützung dürfte ihr vor der Wahl am kommenden Dienstag im Europaparlament schon mal sicher sein. Die 13 Abgeordneten der ungarischen Fidesz-Partei von Viktor Orbán werden wohl für sie stimmen, weil ihr Boss sich dafür rühmt, von der Leyen als Kandidatin für den Vorsitz der EU-Kommission durchgesetzt zu haben - statt einen der Spitzenkandidaten des Parlaments für die Europawahl. Auch die 27 Vertreter der rechtsnationalen polnischen PiS Partei dürften sie unterstützen. Hinzu kommen wohl die meisten der 29 Abgeordneten der Lega-Partei des italienischen Innenministers Matteo Salvini. ......." https://www.spiegel.de/politik/deuts...a-1276280.html
Etliche, die so alt sind wie ich oder älter, neigen eher zur Zurückhaltung, weil sie gesehen haben, wie schnell Existenzen zerstört werden, wie das Blatt sich wenden kann, wie oft sie in ihrem Leben daneben lagen und wie schwer es ist, ein gerechtes Leben zu führen. Ich stelle bei mir fest und nehme an, es geht anderen genauso, dass ich meinen Standpunkt immer öfter hinterfrage je älter ich werde und mir gelegentlich an den Kopf fasse, wenn ich darüber nachdenke, wie überzeugt ich früher von manchem Unfug war.
Damit macht man es keiner Seite recht aber auch das ist ein Geschenk des Älterwerdens: Es juckt mich nicht mehr so sehr, was andere sagen, wenn ich das Gefühl habe, ich bin mit mir im Reinen.
Schön ausgedrückt - und trifft es recht gut, wie es mir auch geht.
__________________
“If everything's under control, you're going too slow.” (Mario Andretti)