dass Metaphysik (...) über den Rahmen der Einzelwissenschaften im Sinne von Möglichkeiten nachdenkt.
Dieses "Nachdenken über Möglichkeiten" ist natürlich nützlich und willkommen.
Ich gebe zwei Dinge zu bedenken:
Welche Rolle spielt eine bestimmte Motivation bei diesem Nachdenken? Bei der Physik, deren Hypothesen irgendwann experimentell geprüft werden, ist die Motivation bedeutungslos. Entweder stellt sich die Hypothese als korrekt heraus oder nicht. Falls nicht, hat das Konsequenzen. Physiker hüten sich deswegen davor, falsch zu liegen und korrigieren sich ggfs. selbst, bevor es andere tun.
Bei rein geisteswissenschaftlichen Disziplinen ist die Lage nicht ganz so eindeutig. Hier kann man Widersprüche einfach durch "unterschiedliche Denkschulen" bestehen lassen. Selbst offensichtliche Widersprüche oder Fehlschlüsse können mühelos Jahrhunderte, teilweise Jahrtausende, überstehen -- vorausgesetzt, es gibt ein Interesse daran. Dieses Interesse kann auch religiös motiviert sein.
Deswegen gehört die Prüfung, ob eine bestimmte Motivation verfolgt wird, zur geisteswissenschaftlichen Debatte dazu. Neutralität kann nicht einfach vorausgesetzt werden. Besonders wichtig finde ich eine solche Prüfung dann, wenn die Thesen nur als Steigbügel für religiöse Argumente benötigt werden, oder wenn sie alle in diese eine Richtung zeigen.
Ich frage mich, ob zumindest manche Vertreter der Meta-Physik diese nur dazu benutzen, um sich über jede Wissenschaft zu stellen, ohne selbst über wissenschaftliches Wissen verfügen zu müssen? Ist es das Ziel, Wissenschaft quasi "unschädlich" zu machen? Religion hätte daran ein offensichtliches Interesse. Es wäre beinahe verdächtig, wenn man solche Versuche nicht finden würde.
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Zweitens: Das "Nachdenken über die Möglichkeiten" ist ganz normaler Teil einer jeden wissenschaftlichen Disziplin. Jeder Physiker denkt darüber nach, ob bestimmte Projekte überhaupt eine Aussicht auf Erfolg haben. Gleichzeitig ist es aber auch die Fähigkeit der Wissenschaft, diese Grenzen immer wieder einzureißen.
Beispielsweise kommt man gerade der dunklen Materie auf die Spur, die nicht wechselwirkt. Wenn sie nicht wechselwirkt, ist sie jeder Messung entzogen. Hier wäre also eine prinzipielle Grenze der Erkenntnis. Dennoch können wir ihre Masse mittlerweile genau berechnen. Die Grenze hat sich als falsch herausgestellt.
Ich frage mich, wie ernst "die Physiker" überhaupt die Meinung "der Meta-Physiker" nehmen, ob irgendwas erforscht werden könne? Ich könnte mir vorstellen, dass "die Physiker" sich lieber auf ihr eigenes Urteil verlassen.
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Ich frage mich, ob zumindest manche Vertreter der Meta-Physik diese nur dazu benutzen, um sich über jede Wissenschaft zu stellen, ohne selbst über wissenschaftliches Wissen verfügen zu müssen? Ist es das Ziel, Wissenschaft quasi "unschädlich" zu machen? Religion hätte daran ein offensichtliches Interesse. Es wäre beinahe verdächtig, wenn man solche Versuche nicht finden würde.
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Ludwig Feuerbach veröffentlichte seine erste religionskritische Arbeit "Gedanken über Tod und Unsterblichkeit" anonym, 1830. Sie wurde anschliessend verboten, der Verfasser polizeilich ermittelt und er musste seine Vorlesungstätigkeit abbrechen und den akademischen Beruf aufgeben. Er finanzierte seine weiteren religionskritischen Schriften und sein Hauptwerk (Zum Wesen des Christentums) über die Porzellanmanufaktur seiner Frau als Privatier. Karl Marx bekam nach seiner Dissertation (über Demokrit und Epikur) natürlich auch keine Professur und arbeitete als freier Journalist. Er musste seinen Wohnsitz mit der Familie wegen staatlicher Ausweisungen / Internierungen zwischen Frankreich, Belgien, Deutschland wechseln, wurde staatenlos und arbeitete zum Schluss im Exil in London, wo er finanziell von Engels unterstützt wurde.
Das war nur etwas zugespitzt, ironisierend zwischen ".." formuliert, weil [...]
Ok.
Zitat:
Da bin ich halt der Ansicht, und es gab bisher kein inhaltliches Gegenargument, dass stattdessen die Erkenntnisse der Einzelwissenschaften die Weltbilder des Christentums änderten.
(Hvm)
Ich finde dies polarisierende Gegeneinanderstellen etwas überflüssig ...
Ansonsten würde ich persönlich den Blick auch etwas erweitern und mich, über das des hier im Fokus stehenden Christentums, allgemein für Weltbilder, oder wie ich es gerne nenne "Konzeptionen der Welt" interessieren.
(Hvm)
Ich finde dies polarisierende Gegeneinanderstellen etwas überflüssig ...
Ich finde die Gegenüberstellung angesichts der Formulierungen, welche die kath. Kirche manchmal wählt, schon sehr sachlich ausgedrückt. Ich habe mir gestern mal die Enzyklika "Humani generis, über einige falsche Ansichten, die die Grundlagen der katholischen Lehre zu untergraben drohen (12. August 1950)" wegen der Evolutionstheorie angeschaut und mir fielen echt die Augen aus dem Kopf über das, was da teilweise steht, sowohl zum Verhältnis Philosophie-Religion wie auch zum Verhältnis "Einzelwissenschaft-Religion-Philosophie. Nur zwei kleine Kostproben dazu:
"2. Die positiven Wissenschaften betreffend
"Es ist jetzt noch zu den Fragen Stellung zu nehmen, die aus den positiven Wissenschaften entspringen und mehr oder weniger mit den Wahrheiten des christlichen Glaubens zusammenhängen. Nicht wenige bitten ja dringend darum, die katholische Religion möge mit dieser Wissenschaft möglichst stark Rechnung halten. Es ist das lobenswert, soweit es sich um bewiesene Tatsachen handelt; es heißt aber, vorsichtig voranzugehen, wenn es sich mehr um Hypothesen handelt – auch wenn sie irgendwie wissenschaftlich begründet sind –, mit denen Lehren der Heiligen Schrift oder der Tradition in Berührung stehen. Wenn diese Hypothesen sich direkt oder indirekt gegen die Offenbarung wenden, so können sie in keiner Weise zugelassen werden."
a) Biologische und anthropologische Fragen
36 Aus diesem Grund verbietet das Lehramt der Kirche nicht, dass in Übereinstimmung mit dem augenblicklichen Stand der menschlichen Wissenschaften und der Theologie die Entwicklungslehre Gegenstand der Untersuchungen und Besprechungen der Fachleute beider Gebiete sei, insoweit sie Forschungen anstellt über den Ursprung des menschlichen Körpers aus einer bereits bestehenden, lebenden Materie, während der katholische Glaube uns verpflichtet, daran festzuhalten, dass die Seelen unmittelbar von Gott geschaffen sind. Es sollen diese Verhandlungen in der Weise geschehen, dass die Gründe für beide Ansichten, also dieser, die der Entwicklungslehre zustimmt, wie jener, die ihr entgegensteht, mit nötigen Ernst abgewogen und beurteilt, vorausgesetzt, dass alle bereit sind, das Urteil der Kirche anzunehmen, der Christus das Amt anvertraut hat, die Heilige Schrift authentisch zu erklären und die Grundsätze des Glaubens zu schützen[11]. Einige überschreiten nun verwegen diese Freiheit der Meinungsäußerung, da sie so tun, als sei der Ursprung des menschlichen Körpers aus einer bereits bestehenden und lebenden Materie durch bis jetzt gefundene Hinweise und durch Schlussfolgerungen aus diesen bereits mit vollständiger Sicherheit bewiesen; ebenso tun sie, als ob aus den Quellen der Offenbarung kein Grund vorliege, der auf diesem Gebiet nicht die allergrößte Mäßigung und Vorsicht geböte.
37 Wenn es sich aber um eine andere Hypothese handelt, den so genannten Polygenismus, lässt die Kirche nicht die gleiche Freiheit. Darum können Gläubige sich nicht der Meinung anschließen, nach der es entweder nach Adam hier auf Erden wirkliche Menschen gegeben habe, die nicht von ihm, als dem Stammvater aller auf natürliche Weise abstammen, oder dass Adam eine Menge von Stammvätern bezeichne, weil auf keine Weise klar wird, wie diese Ansicht in Übereinstimmung gebracht werden kann mit dem, was die Quellen der Offenbarung und die Akten des kirchlichen Lehramts über die Erbsünde sagen; diese geht hervor aus der wirklich begangenen Sünde Adams, die durch die Geburt auf alle überging und jedem einzelnen zu eigen istHumani Generis
Ich denke streng genommen muss das heißen "...deren Sein zu behaupten..."
Leider habe ich gerade 30min wie blöd meinen Eisler gesucht - finde ihn nicht. Wahrscheinlich jemandem geliehen und nicht zurück gekriegt. Hast du selbst einen? Dann schau doch mal bei "als ob". Bin recht sicher darüber steht einiges drin.
Den Eisler habe ich leider gerade nicht zur Hand, würde mich aber auf die Kritik der praktischen Vernunft, S. 134ff. berufen, wo z.B. Folgendes in Bezug auf die Ideen von Gott, Freiheit und Unsterblichkeit zu lesen ist:
„ ... Also wird durchs praktische Gesetz, welches die Existenz des höchsten in einer Welt möglichen Guts gebietet, die Möglichkeit jener Objecte der reinen speculativen Vernunft, die objective Realität, welche diese ihnen nicht sichern konnte, postulirt; wodurch denn die theoretische Erkenntniß der reinen Vernunft allerdings einen Zuwachs bekommt, der aber blos darin besteht, daß jene für sie sonst problematische (blos denkbare) Begriffe jetzt assertorisch für solche erklärt werden, denen wirklich Objecte zukommen, weil praktische Vernunft die Existenz derselben zur Möglichkeit ihres und zwar praktisch schlechthin nothwendigen Objects, des höchsten Guts, unvermeidlich bedarf, und die theoretische dadurch berechtigt wird, sie vorauszusetzen. ... “
... Meine Fragen auf diesen Seiten hast Du stets ignoriert. Ich würde mich aber weiter dafür interessieren, was Deine Ansichten zu Gott und Theodizee sind, d.h. Du kannst die versäumten Antworten gerne nachholen. Ich bin interessiert -- vor allem an den Belegen. ...
Ich hatte Dir ja angeboten, auf Deine Fragen zu antworten, sofern Du Dir erkennbare Mühe gibst meine Postion richtig zu verstehen und davon absiehst dieselbe nachweislich falsch darzustellen. Doch es geht genauso weiter wie zuvor:
Zitat:
Zitat von Jörn
...
Deine Stellungnahme zur Theodizee (warum gibt es Leid?) bestand vorwiegend darin, ...
...
So ist es mir, wie gesagt, zu viel Arbeit gleichzeitig Deine Falschaussagen richtigzustellen und Deine Unkenntnisse über Fragestellungen der Philosophie zu beheben.
Was sagt denn die christliche Religion, wie aus Nichts ein "Etwas" geschaffen wird?
Über das 'Wie', soweit ich weiß, nichts.
Zitat:
Zitat von Klugschnacker
Aus christlicher Sicht gibt es kein Nichts. Sondern Gott ist stets vorhanden. Er ist der Verursacher von allem, was anschließend geschaffen wurde.
Ja, Gott schöpft die Welt aus nichts.
Zitat:
Zitat von Klugschnacker
... die physikalische Sichtweise (die durchaus etwas über die Erschaffung der Welt aus dem Nichts aussagt)
Ach ja, was denn? (Irgendwelche hypothetischen physikalischen Anfangsbedingungen, Gesetzmäßigkeiten oder dergleichen zu einem hypothetischen Zeitpunkt Null oder sehr kurz danach sind übrigens nicht nichts.)
Zitat:
Zitat von Klugschnacker
Weiter sagst Du, die physikalische Sichtweise (...) sei Ausdruck einer begrifflichen Verwirrung.
Nein, das sagte ich nicht. Was ich sagte war, daß eine Verwechslung oder Vermischung der Beiden (Physik u. Religion) Ausdruck einer begrifflichen Verwirrung ist, schon angefangen mit dem Begriff 'nichts'.