Was ist daran verwerflich, sich als Politiker um Sorgen und Ängste von Bürgern/Wählern zu kümmern, oder sich diese gar zu Eigen zu machen? Wähler wählen gerne solche Politiker, und natürlich will jeder Politiker auch wieder gewählt werden. Das sind doch in der Demokratie normale Prozesse.
Mein Eindruck ist allerdings, das zur Zeit Politiker, die sich um die Sorgen von linken Wählern kümmern, es "richtig" tun, während Politiker, die sich um die Sorgen von nicht eindeutig linken Bürgern kümmern, als Populisten oder noch schlimmer verunglimpft werden.
Dein Eindruck ist an der Stelle offensichtlich falsch.
Denn Boris Palmer erwähnt in seinem Facebook-Beitrag die hessischen Grünen und ihren Koalitionsvertrag mit dem Hinweis, dass man in Hessen auf dem richtigen Weg ist.
Folglich machen sich die hessischen Grünen doch auch Gedanken über die Sorgen von "nicht eindeutig linken Bürgern", oder?
Die Unterschiede zwischen Boris Palmer und dem hessischen stellvertretenden Ministerpräsidenten Tarek Al-Wazir (Grüne) liegen demnach u. a im Auftreten und in der Wortwahl bei ihren Aktivitäten in den sozialen Netzwerken.
Ich würde natürlich alle SPD-Kanzler dazu zählen (wenn auch Schröder für meine Begriffe sich höchst pragmatisch zur Mitte hin orientierte und linke Dogmen über Bord warf...), und für meine Auffassung in manchen Aspekten sogar die letzten Jahre unter Merkel. Aber da kommt wohl auch zum Tragen, wer was im einzelnen unter links und rechts versteht. Übrigens kannst Du auch die rot-grünen und rot-rot-grünen Landesregierungen dazuzählen, da kommen schon ein paar zusammen.
.......
Ja, das bestätigt ja meine These - ein normales korrektives Rückpendeln nach einer Periode eher linker Mehrheiten.
Die CDU stellt bis dato 49 (bis Ende der Wahlperiode 52), die SPD 20 Jahre den Kanzler. Sowohl Schmidt (8) und Schröder (7 Jahre) bezeichnen Politikwissenschaftler nicht als tendentiell "links", sondern als "Pragmatiker der Mitte". Schmidt bildete Koalitionen mit der FDP, Schröder mit dem Realoflügel der Grünen. Mit dem Natodoppelbeschluss verlor Schmidt die Unterstützung der linken SPD und der Friedensbewegung, Schröder verlor diese mit dem Austritt Lafontaine´s, dem Sozialabbau und der Agenda 2010. Letztere führte zum Austritt vieler Linken aus der SPD und zur Gründung der WASG und brachte die Linke in den Bundestag. Die Kanzlerkandidaten der SPD lehnten bisher im Bund eine Koalition mit der Linke kategorisch ab. Ich frage mich schon, was dann "links" sein soll bei den Regierungen der vergangenen Amtsperioden. Es bestand nie die Möglichkeit für eine tendentiell linke Regierung in den letzten Jahrzehnten!
In meinen Augen verschiebt man einfach das politische Koordinatensystem, um die Rechte als Mitte erscheinen zu lassen, wenn man anfängt, Merkel´s Politik als "links" zu bezeichnen, weshalb ich mir die Mühe machte, das etwas aufzudröseln. Im Prinzip interessieren mich die Inhalte auch mehr als die Einordnung.
"Mit seinem Aufsatz scheint er mir aber eher die (begründeten oder unbegründeten) Sorgen und Ängste der Bürger zu füttern, und sie sich somit zur Wählerbindung selbst zunutze zu machen."
Es handelte sich doch lediglich um die Beschreibung einer realen Beoabachtung... ich glaube dass der permanente Versuch alles in dieser Richtung unter den Teppich zu kehren, dann aber doch an die Öffentlichkeit kommt, wesentlich mehr zur aufkommenden Angst beiträgt...
Geändert von ciclosport (07.01.2019 um 12:56 Uhr).
... Sowohl Schmidt (8) und Schröder (7 Jahre) bezeichnen Politikwissenschaftler nicht als tendentiell "links", sondern als "Pragmatiker der Mitte".
Die "Mitte" ist auch ein relativer Begriff. die beiden bleiben aber im relativen Politikgefüge die eher Linken im Vergleich mit Kohl oder Adenauer. die Ausschläge nach links und rechts wünsche ich mir eh möglichst gering, da Überschwinger mehr Probleme als Nutzen bringen.
Zitat:
Mit dem Natodoppelbeschluss verlor Schmidt die Unterstützung der linken SPD und der Friedensbewegung, Schröder verlor diese mit dem Austritt Lafontaine´s, dem Sozialabbau und der Agenda 2010. Letztere führte zum Austritt vieler Linken aus der SPD und zur Gründung der WASG und brachte die Linke in den Bundestag.
Bei der WASG und der Linken geht es um extreme Linkausleger, so wie die AfD ein extremer Rechstausleger ist. Meine Wunsch-Vorstellung von Links-Rechts wechsel bewegt sich in deutlich moderateren Bereichen.
Ansonsten zeigt das für mich, daß eine zu starke Bewegung einer großen Partei (besonders wenn an der Regierung) weg vom ursprünglichen Kern die Bildung von extremen Bewegungen auf der ursprünglichen Seite fördert: Schröder rückt von links zur mitte - die Linke erstarkt. Merkel rückt die CDU richtung links - die AfD erstarkt. Beides nicht unbedingt förderlich für ein stabiles System. Die Position von Strauß (rechts von der CSU gibt es nur die Wand) war ehrlicher.
Zitat:
Die Kanzlerkandidaten der SPD lehnten bisher im Bund eine Koalition mit der Linke kategorisch ab.
Tut ja die CDU in bezug auf die AfD genauso. Extreme Positionen sind nun mal nicht für jeden attraktiv.
Zitat:
In meinen Augen verschiebt man einfach das politische Koordinatensystem, um die Rechte als Mitte erscheinen zu lassen, wenn man anfängt, Merkel´s Politik als "links" zu bezeichnen.
Ebenso verschiebt man das Koordinatensystem in die andere Richtung, wenn man vorschnell Kritiker der Merkelschen Politik, die mehr Konservatives einfordern, als rechtsextrem brandmarkt. Seit Schröder ist es wohl mode geworden, daß sich jeder gerne als "Mitte" definiert - und damit andere leichter zum "Extrem" erklären zu können.
__________________
“If everything's under control, you're going too slow.” (Mario Andretti)
Mit welcher Partei würde Franz Josef Strauss wohl heute die größten Überschneidungen haben?
Das käme auf den Ort und die Umstände an.
Der in Bierzelten schwadronierende Strauß unterschied sich sehr wahrscheinlich von dem Strauß, der mit Lobbyisten und Spezln dubiose Deals einfädelte. "HS-30-Affäre", "Onkel-Aloys-Affäre", "Fibag-Affäre", "Starfighter-Affäre", "Airbus-Affäre".
.......
Die "Mitte" ist auch ein relativer Begriff. die beiden bleiben aber im relativen Politikgefüge die eher Linken im Vergleich mit Kohl oder Adenauer. die Ausschläge nach links und rechts wünsche ich mir eh möglichst gering, da Überschwinger mehr Probleme als Nutzen bringen.
.....
Also dann GroKo for ever mit CDU-Kanzler.
Bemerkenswert ist, dass es in den 7-Jahren Schröder mehr Umverteilung von unten nach oben gab (u.a. durch zahlreiche Steueränderungen, Sozialabbau sowie Privatisierung) als unter Kohl, und sein Arbeits- und Sozialminister Blühm die Rentenformel sowie die Parität bei Lohnnebenkosten vehement verteidigte, wo Schröder häppchenweise daran nagte. Das erklärt sich auch damit, dass unter einem SPD-Kanzler in der Regel die Gewerkschaften eher Opfer schlucken als unter der CDU. Die Rolle der SPD bestand in der politischen Integration der Arbeiterschaft ins System, vor allem in Krisenzeiten.
Nein, ich bin eher für abwechselnde Vorherrschaft, keine konstanten Kompromisse. So kann jeder für sich zeigen, was er drauf hat, und die Wähler die Chance, zu korrigieren, wenn's nicht passt.
Zitat:
Bemerkenswert ist, dass es in den 7-Jahren Schröder mehr Umverteilung von unten nach oben gab (u.a. durch zahlreiche Steueränderungen, Sozialabbau sowie Privatisierung) als unter Kohl und sein Arbeits- und Sozialminister Blühm die Rentenformel sowie die Parität bei Lohnnebenkosten vehement verteidigte, wo Schröder häppchenweise daran nagte. Das erklärt sich auch damit, dass unter einem SPD-Kanzler in der Regel die Gewerkschaften eher Opfer schlucken als unter der CDU. Die Rolle der SPD bestand in der politischen Integration der Arbeiterschaft ins System, vor allem in Krisenzeiten.
Das "Linke" an Schröders Regierung war für mich die Tatsache, daß sie bereit und mutig genug waren, notwendige, auch unpopuläre Reformen anzugehen (mit nachhaltig positiver Wirkung auf den Gesamtwohlstand des Landes bis heute), wogegen Kohls erzkonservative Regierung besonders zum Ende hin sich noch ans Status Quo klammerte und Änderungen zu verhindern suchte. Links bedeutet für mich nicht einseitig soziale Themen anzugehen, sondern einfach den Mut zu notwendigen gesamtgesellschaftlichen Veränderungen zu haben, um das Land fit für die Zukunft zu machen - was die Konservativen häufig zu zögerlich angehen. Übrigens sollte jede Regierung primär verantwortungsethisch im Sinne des Gesamtlandes und auf mittelfristige Zukunft hin handeln, nicht (nur) Stimmenfang-wirksame Interessenvertretung für einzelne soziale Schichten zu betreiben oder ideologische Steckenpferde umsetzen (ich weiß, bin Idealist).
__________________
“If everything's under control, you're going too slow.” (Mario Andretti)