Vielleicht ist jemand am theologischen Hintergrund von "Maria Himmelfahrt" interessiert? Ich finde das nämlich recht unterhaltsam, egal ob man nun daran glaubt oder nicht.
Die Himmelfahrt von Maria ist in der Bibel
nicht beschrieben. Überhaupt spielt Maria in der Bibel allenfalls eine kurze Statistenrolle. Wie also kommt die Theologie darauf, dass Maria in den Himmel aufgefahren sei, und zwar mit intaktem Leib? Woher will man das wissen?
Die Argumentation ist wie folgt:
• Gott ist allmächtig. Jesus aber ist Gott, und Gott ist Jesus. Daraus folgt die Allmacht von Jesus. Jesus hatte also die Macht, Maria von der Verwesung zu bewahren.
• Jesus ist durch die Zehn Gebote verpflichtet, Vater und Mutter zu ehren. (Das erklärt, warum die Ehrung Marias von Jesus ausging, und nicht von Gott). Diese Ehrung muss auch in Taten erfolgen (nicht nur in Gedanken). Hätte er Maria verwesen lassen, obwohl er es durch Allmacht verhindern konnte, wäre das keine besondere Ehrung gewesen.
• Zitat Papst Pius XII: "Da er ihr die große Ehre erweisen konnte, sie vor der Verwesung des Todes zu bewahren, muss man also glauben, dass er es wirklich getan hat".
Belege:
Offizielle Verkündigung von Papst Pius XII (englisch)
Deutsche Übersetzung, Absatz 38
Beachtenswert ist, dass dies eine logische Herleitung ist (keine Offenbarung, sondern eine Schlussfolgerung). Die Kirche kann also in anderen Debatten nicht behaupten, die Logik sei ungeeignet, theologische Fragen zu erörtern.
Dreisatz-Logik dieser Art ist berühmt dafür, dass man jeden Unsinn logisch "begründen" kann. Auch die Religion selbst lässt sich damit begründen: Warum hätte Gott die Religion erschaffen sollen, wenn sie nicht wahr wäre? Wenn sie nicht wahr wäre, hätte Gott sie gar nicht erst zu erschaffen brauchen.
Was verrät uns diese Logik über den Verbleib eines Tintenfischs nach dem Tode?
- Gott hat den Tintenfisch geschaffen, weil er es wollte.
- Gott hat die Macht, dessen Verwesung zu verhindern.
- Da er also die Macht hat, seine Schöpfung zu bewahren, muss man davon ausgehen, dass er tut. Ansonsten würde er gegen seinen eigenen Willen verstoßen.
Religiöse Leser sollten bedenken, dass es sich hier
nicht um eine göttliche Offenbarung handelt, die man eventuell nicht ganz verstehen kann, die man aber aufgrund der göttlichen Urheberschaft dennoch respektiert. Sondern es ist eine rein menschliche Herleitung, die falsch sein kann, wenn die Herleitung fehlerhaft durchgeführt wurde. Es ist also keine Schande, die Herleitung zu überprüfen.
Wie also hat der Klerus die Herleitung überprüft? Papst Pius XII erläutert es:
"• Nachdem wir also
• ohne Unterlass
• in Demut und mit Fasten
• unsere persönlichen und auch die gemeinsamen Gebete der Kirche
• Gott dem Vater durch seinen Sohn dargebracht haben,
• auf daß er durch den Heiligen Geist unseren Sinn leite und stärke,
• und nachdem wir auch den ganzen himmlischen Hof [die Engel und Heiligen] um seine Hilfe angefleht und inständigst den Heiligen Geist angerufen haben,
• erklären, verkünden und entscheiden wir (...)"
Quelle: Papst Pius XII in "Ineffabilis Deus", 1854, in der das Dogma verkündet wurde (Wikipedia, Kath.net)
Kurz: Die Logik wurde überprüft durch Fasten, Beten und "Flehen".
Religiöse Menschen könnten sich nun überlegen, ob man eine logische Schlussfolgerung durch "Flehen" oder "Fasten" überprüfen kann. Und falls ja, warum man dann überhaupt die Logik benötigt und nicht von vornherein eine Erkenntnis "erfleht".
Beachtenswert ist auch, dass die angerufenen Engel und Heiligen stumm blieben; jedenfalls wird mit keiner Silbe erwähnt, welche Antworten auf die Gebete erfolgten. Hätte es eine Antwort gegeben, wäre sie sicherlich als Beleg angeführt worden, aber das geschah nicht.
Der Klerus steht auf dem Standpunkt, dass Gott eine Antwort hätte geben
können, wenn er das Vorhaben des Klerus hätte verhindern wollen. Also ist die ausbleibende Antwort eine Bestätigung.
Es ist die gleiche Methode wie oben: Man kann damit alles und jedes begründen; auch das Gegenteil. Es ist also in Wahrheit
keine Begründung und
keine Überprüfung.
Ein weiteres berühmtes Beispiel für diese Art der Rechtfertigung: Verbrennung. Gott könnte durch seine Allmacht
verhindern, dass ein Mensch auf dem Scheiterhaufen verbrennt. Verbrennt er jedoch, beweist es, dass Gott seinen Tod wollte, und dass das Urteil gerecht war.
-------
Fazit: "Maria Himmelfahrt" ist ein Beispiel für eine irrtümlich/falsch angewandte Logik. Es ist weder "spirituell" noch "christlich", sondern einfach die Unkenntnis des Klerus darüber, wie Logik sinnvoll formuliert und überprüft wird.