Habe heute mal freundlich per Mail nachgefragt, ob mein Kind vielleicht etwas falsch verstanden hatte. Nee, hat er nicht. Der nette Leichtathletiktrainer schreibt, dass wir versehentlich nicht auf dem letzten Mailverteiler gewesen seien. Es täte ihm sehr leid, schreibt er, insbesondere, da das Kind ja sicherlich schon auf eine Nachricht gewartet habe. Und ja, der Dicke sei weiterhin herzlich eingeladen.
Das Kind hat sich die Mail durchgelesen und meinte: "Cool." Als ich später nachgefragt habe, ob er sich denn darüber freuen würde, sagte er einfach nur: "Auf jeden Fall, Mama."
Danke für den Link ! Matt Russ beschreibt so viel, was ich aktuell bei unserem Dicken in der Elternschaft seiner Fußballmannschaft beobachte. Ich hatte dazu gerade eine Diskussion mit zwei Vätern, die sich dann mit "Ja, ich bin ehrgeizig" und "Ich will eben beides: langfristige Entwicklung UND ich will gewinnen" geoutet haben.
Unser Sohn ist mindestens dreimal die Woche mit Fußball beschäftigt (meistens eher noch mehr). Wir hatten überlegt, den Dicken von einem sogenannten "Fördertraining" abzumelden, das wir privat bezahlen. Daraufhin musste ich mir vorhalten lassen, dass er ja alles nur halb und nichts richtig macht. Er ist in seiner Mannschaft sicherlich nicht der beste Spieler, aber auch nicht der schlechteste, würde ich sagen.
Der Druck auf die Kinder ist mittlerweile so groß, dass es bei uns zu Hause nur noch heißt: "Es ist alles nicht so wichtig. So lange du Spaß am Spielen hast, ist das ok, aber wenn du aufhören möchtest, ist das genau so in Ordnung." Desweiteren haben wir auch erklärt, dass Trainer manchmal rumbrüllen, weil sie selbst so einen Stress haben und sich damit abreagieren. Der Dicke bekommt fast nie Ärger, aber er registriert natürlich sehr genau, wer in welcher Art und Weise kritisiert wird und findet das Ein oder Andere auch schon mal richtig fies.
Als ich neulich ein bisschen darüber rumjammerte, dass uns das als Eltern ja jetzt schon keinen Spaß mehr macht, schrieb mir ein Freund, der viel im Fußballleistungsbereich unterwegs ist: "Pantone, das ist erst der Anfang. Es ist im Verhältnis so viel unschuldiger als das, was da kommt."
Das Kind hat in den Weihnachtsferien sein Goldabzeichen im Schwimmen gemacht. Wer weiß, was sich sportlich in seinem Leben noch so tut. Aber ob´s woanders besser ist?
Auf das heutige Leichtathletiktraining freut sich das Kind aus zwei Gründen besonders. Erstens, weil es heute ein Geschenk gibt. Beim letzten Training haben die Kinder irgendwelche Übungen gemacht und den letzten beiden Mohikanern wurde für den kleinen gelungenen Wettkampf eine Überraschung versprochen. Dabei hatte sich das Kind schon so gefreut, dass es zusammen mit einem 13-Jährigen übriggeblieben war ("Mama, der ist schon 13!").
Zweitens, weil wir uns danach ein Hot Dog im schwedischen Möbelhaus ganz in der Nähe gönnen werden. Essentechnisch sind wir undogmatisch. Pommes, Hot Dogs etc. werden von Elternseite nicht aktiv angeboten, aber durchaus mal erlaubt, wenn danach gefragt wird. So lange das Kind genau so gern andere Sachen isst, geht das klar. Umgekehrt ist es mir eher unangenehm, wenn sich der kleine Dicke in der Öffentlichkeit als Musterknabe präsentiert. Neulich zum Beispiel waren wir zu einer Party eingeladen und standen gemeinsam am Buffet an. Ruft das Kind begeistert: "Oh, lecker, Mama, es gibt Salat!" "Ohja", antworte ich, "lecker, nehm ich auch!" Der Herr hinter uns hatte sich dann interessiert in unser Gespräch eingeschaltet und wir hatten angenehm geplaudert. Als Nächstes ruft das Kind vom linken Büffetrand: "Mama, ich geh schon mal an unseren Tisch. Du musst nur noch eine Serviette mitbringen, Besteck für dich hab´ ich schon." Sag ich nur seufzend zu dem mir Unbekannten: "Sie bekommen einen völlig falschen Eindruck!" Der Mann lacht kopfschüttelnd.
Die Veranstaltung war im Rahmen einer Autorenparty gewesen. Der kulturelle Teil hatte sich für uns darin erschöpft, Bücher signieren zu lassen und ansonsten die Party zu genießen. Gestern hatten wir es dann auch mal wieder mit Kultur versucht. Eine Familienführung zu Werken des Hühnermalers Peter Gayman mit anschließendem Workshop. Beim kreativen Teil hatte das Kind erst eine Art Irrgarten und dann ein Fußballfeld gemalt. Pantone, denke ich mir, du wirst es nicht aufhalten können. Ein anderer Teil in mir denkt, dass das alles viel zu früh ist und dass es doch noch was anderes als Sport geben muss.
Zumindest den ersten Teil denkt auch der heimische Fußballtrainer. Warum wir denn das Kind woanders vorspielen lassen, will er wissen. Weil der Dicke sich das gern angucken möchte, sagen wir Eltern. Selbstverständlich will uns das niemand ausreden, aber die nächsten Minuten hören wir nur, was an einem und diesem Nachwuchsleistungszentrum im Besonderen alles schlecht ist. Erst nachdem ich das Gespräch habe sacken lassen, ist mir klar, was mich daran so stört. Es ist kein Satz darüber gefallen, warum man das Kind denn gern behalten wolle. Ein einfaches: "Er ist ein netter Kerl, wir mögen ihn und wir würden ihn einfach gern weiter dabeibehalten" hätte uns schon gefreut, statt uns einfach nur zu erzählen, wie schlecht es in der Fremde ist.
Der Dicke hingegen hat in der Fremde richtig viel Spaß gehabt. Vor dem Probetraining war er mächtig aufgeregt. Außer ihm hatten noch zwei andere Jungs vorgespielt. Die Väter machten einen netten Eindruck. Der eine hat ebenfalls keine Ahnung von Fußball und meinte trocken: "Was die da machen, kann ich ALLES nicht!" "Oh," hatte ich geantwortet, "da würden Sie sich aber gut mit meinem Mann verstehen, der hat mit Fußball auch nichts am Hut!" Der andere Vater hat selbst mal gespielt und trainiert seinen Sohn. Während des Abschlussspiels fragt er, wer denn der Spieler in der gelben Jacke sei. "Das ist meiner", antworte ich. "Der ist gut", meint er. "Danke," freue ich mich und füge hinzu: "Normalerweise macht er aber keine Tore." "Wer die Tore macht, ist nicht wichtig", erklärt mir der Mann, "aber der Junge läuft sich gut frei und sieht die leeren Räume." "Ah," antworte ich und dann lieber nichts mehr. Der Scout sagt später, der Dicke sei sehr gut gewesen und möge bitte noch mal wiederkommen. Auffällig sei seine Spielintelligenz. "Ah," sage ich und denke, dass ich das schon manchmal gehört habe und immer noch nichts damit anfangen kann.
Immerhin kann ich noch beim Schuhkauf behilflich sein. Neue Fußballschuhe mussten mal wieder her. Eigentlich hatte das Kind sämtliche alte Fußballschuhe aufbewahren wollen, aber ich hatte mich durchgesetzt und wir hatten die alten Schuhe immer verschenkt, weil ich einfach nicht mehr wusste, wohin mit dem Zeug. Aber ab jetzt, meint der Dicke, wolle er wirklich ALLE Schuhe immer aufbewahren. "Was willst du denn damit?", frage ich ihn. "Wenn ich mal groß bin, habe ich dann ab jetzt alle Schuhe", beharrt er. "Habe ich verstanden, " gebe ich zurück, "aber du kannst doch dann gar nichts damit anfangen." "Mama," meint er und guckt mich eindringlich an, "das sind meine FREUNDE!" "Wenn das so ist, ok", gebe ich mich geschlagen, "dann machen wir das so."
PS: Gestern Abend hat die Kleinfamilie das Handball-EM-Spiel Deutschland gegen Russland im Fernsehen geguckt. Rune Dahmke vom THW Kiel spielt. Meint das Kind verträumt: "Wenn mein Opa gegen seinen Opa gespielt hat, müsste ich jetzt ja eigentlich gegen ihn spielen." "Stimmt," sage ich, "aber da wir dich erst so spät bekommen haben, wäre das jetzt schwierig bei dem Altersunterschied und außerdem müsstest du dann überhaupt erstmal mit dem Handballspielen beginnen. "Och", sagt er lapidar, " interessieren würde mich das schon." Lachend drücke ich ihm einen Kuss auf das Haar und meine nur: "Na, mal sehen, wo du ihm Sport noch landest. Ich bin gespannt."
Der Moment, auf den ich mich jeden Tag mit am meisten freue, sieht so aus:
Die Schule ist seit einer Viertelstunde aus. Es klingelt an der Haustür. "Hallo," rufe ich in den Hörer und gucke auf das kleine Schwarz-weiß-Display, das den Eingang zu unserem Haus zeigt und auf dem ein kleiner blonder Junge zu erkennen ist. "Mama?", ertönt es zurück. "Ja?", frage ich. "Was gibt´s zu essen?" Grundsätzlich kann man das Folgende in zwei Szenen einteilen: Antworte ich: "Suppe!" oder "Fisch!" fallen Kopf und Schulter nach vorn und es ertönt ein langgezogenes, schleppendes "Ooooch!". Sage ich "Pfannkuchen!" oder "Milchreis!" springt ein menschlicher Flummi fröhlich auf und ab und schreit begeistert: "Jaaaa!" "Komm man erstmal hoch", ergänze ich dann, und je nach dem, was es zu essen gibt, erscheint das Kind dann sehr schnell oder doch eher recht langsam in der Wohnungstür im dritten Stock.
Auch andere Themen werden gern über die Gegensprechanlage kurz angerissen, bevor sie auf dem heimischen Sofa im dritten Stock zu Ende besprochen werden. Zu besonderen Anlässen halte ich mich bereit und dann sage ich nach einem vorangeschickten "Komm man erstmal hoch" über den Hausäther ein "Komm man erstmal her" und ziehe das Kind zu mir auf die Couch.
Vor den diesjährigen Bundesjugendspielen hatte ich gemeint, dass das Kind den Erfolg vom letzten Mal wohl nicht wiederholen werde. "Warum das denn nicht?", hatte der Dicke erstaunt gefragt. "Naja," hatte ich geantwortet, "du warst der Beste im vierten Jahrgang, aber das war eng und du hattest bestimmt auch ein bisschen Glück, meinst du nicht ....?" "Ja, und ...", setzt das Kind leicht gereizt nach, "Ich würde da schon erwarten, dass DU da mehr erwartest, Mama!!!" Das sitzt. "Also, gut," gebe ich zu, "vorletztes Jahr kamst du mit hängenden Schultern nach Hause und hast mir schon an der Haustür gesagt "Mama, ich hatte ja heute keinen guten Tag!" und das hat mir so leid getan und wir wissen beide, dass das Ganze Tagesform ist und ich möchte halt nicht, dass du am Ende traurig bist. Ich traue dir ganz viel zu, aber ich will dich auch nicht unter Druck setzen nach dem Motto "Jetzt sieh mal zu, dass du wieder Erster wirst!" Das ist nun mal bei Müttern so. Die möchten eben, dass es ihren Kindern gut geht . "Ich weiß, Mama", meint er nur.
Am nächsten Morgen verabschiede ich den Dicken an der Wohnungstür. Ich gebe ihm einen dicken Kuss und sage lachend: "Ich wünsch dir viel Erfolg. Wenn du einen guten Tag hast, wirst du Erster, da bin ich ganz sicher!!" "Danke, Mama", strahlt er. Und dann kann die Glucke doch nicht aus ihrer Haut und fügt schnell hinzu: "Und wenn nicht, ist auch egal." Das Kind verdreht die Augen und seufzt: "Ich weiß, Mama, ich weiß, das sagst du jedes Mal, JEDES MAL!" Wir lachen beide und ich versuche eine grimmige Grimasse begleitet von einem: "Los, hau sie weg!" Kichernd und kopfschüttelnd hüpft das Kind die Treppe runter.
Mittags klingelt es. "Hallo?", sage ich fragend in die Gegensprechanlage. Ein strahlendes Kind guckt in die Kamera. "Mami, ich glaube, ich hatte heute einen guten Tag! Mami, ich ..." "Komm man erstmal hoch, " unterbreche ich ihn, "es gibt übrigens Milchreis." "Jaaa," ruft der Junior begeistert und wenige Augenblicke später steht er schon in der Wohnungstür. "Komm man erstmal her," sage ich, ziehe das Kind aufs Sofa und dann höre ich mir die Heldentaten des Vormittags an. Detailliert werden mir Zeiten, Weiten und Einlaufreihenfolgen berichtet und immer wieder die Frage "Ist das gut, Mama?". Für seine Verhältnisse hat er gute Ergebnisse erreicht, stelle ich fest. Noch nie hat er so weit geworfen und ich freue mich für ihn. Nichtsdestotrotz wird das Wurfergebnis das Streichergebnis sein, aber das tut der Begeisterung keinen Abbruch. Am auffälligsten ist das Weitsprungergebnis, denn das ist die Disziplin, die der Dicke eigentlich nie übt. Hierfür gibt´s am meisten Punkte. Mein Mann berichtet später, dass er bei seinem letzten Weitsprungversuch vor ein paar Jahren genau so weit gesprungen ist: 4,20 Meter. Unsere Jahre sind gezählt, denke ich.
Auf Wunsch gebe ich die Ergebnisse ins Internet ein und ich kann dem Kind versichern, dass es eine Ehrenurkunde bekommt. Ob es am Ende für Platz 1 reicht, bleibt spannend. Am Tag der Siegerehrung werde ich auf jeden Fall Pfannkuchen bereithalten - dann dürfte der Weg in den dritten Stock so oder so nicht so lang sein.
Immerhin wäre er mit der Weite bei unserem Hallensportfest 2. geworden bei U12.
Kann er denn so schnell rennen?
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Beim Rennrad-Kindertraining (10 jährige)
Kind1 (w): Darf ich dir mal was sagen?
Kind2 (m): Mhm
Kind1: Weißt du warum du langsam bist?
Kind2: Mhm???
Kind1: Du redest zu viel.
Immerhin wäre er mit der Weite bei unserem Hallensportfest 2. geworden bei U12.
Kann er denn so schnell rennen?
Ich finde nicht, dass er so schnell ist (er meint, er sei 8,4 Sek. auf 50 Meter gelaufen, aber er ist halt auch noch 9 (wird im Oktober 10). Am liebsten mag er Ausdauerläufe .