RACEDAY!
Da ist sie nun, die letzte Nacht vor meinem sportlichen Höhepunkt des Jahres – und ich kann nicht schlafen, die Anspannung und Erwartungen an einen perfekten Tag im Freien sind zu groß!
Also setze ich mich mit meinem Trainingsbüchlein, welches ich mit der Einführung von Locker Baumelns TSF-Monatsstatistik 2014 begonnen hatte raus und blättere die Seiten mit Zahlen über Zahlen durch. Verrückt welche Wirkung so ein paar Hyroglyphen ausüben können, denn nach dem Durchlesen jeder nächsten Kalenderwoche wurde ich entspannter.
Kurz vor 5 Uhr ging ich die paar Meter vom B&B mit einer Banane in der Hand rüber in die Wechselzone, packte zwei Flaschen in die Halter, pappte zwei Powerbars auf den Rahmen, pumpte die Reifen auf knapp 8 Bar auf.
Und ging keine 10 Minuten später wieder zurück in’s Bett. Und schlief sofort ein.
6:00 Uhr – Weckalarm und nun ging es ruckzuck - Toilette, Radhose an, Sonnenkrem auf die Arme und Vaseline an die unmöglichsten Körperstellen, Neo drüber, Laufschuhe an, Kappe und Schwimmbrille in die lila Tüte, Raustreten zum Abmarsch mit gut 2.000 anderen Athleten quer durch die Stadt runter zum Strand, Aufstellung, Sonnenaufgang vor unserer Nase , Startsirene und los!
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Den Sprint in’s Wasser mit gekonntem Hechter und hartem Anschwimmen hatte ich bereits einige Male im heimischen, glasklaren Steinbruch geübt und ordnete mich daher im Feld mittig ganz vorne ein!
Und bis zum Hechter lief alles spitzenmäßig wie am Schnürchen.
Danach mußte ich leider improvisieren, denn irgendwie wollten die unrythmischen Wellen und meine Koordination nicht miteinander harmonieren.
Mal griff ich in’s Leere, dann schlugen mehrere Brecher über mir während des Atmens zusammen und ich schluckte ordentlich Salzwasser und immer wieder klatschten Wassermassen recht schmerzhaft an meine Ohren, die Schwimmbrille verrutschte, also kurze Rückenlage, alles gerichtet und weiter geht’s!
Nach der ersten Runde werden wir vom Meer an den Strand ausgespuckt um 50 Meter durch tiefen Sand raus um eine Sponsorenboje zu spurten und wieder zurück in die Brandung zu rennen.
Bis hierher harmonierten Theorie und Praxis – doch als wir dann -ich war zu diesem Zeitpunkt in einer größeren Gruppe unterwegs – völlig außer Atem durch das Survivalgewühle wieder am Wasser ankamen, fehlte die Puste und ein klein wenig auch der Mut, erneut in vollem Lauf in die nächstbeste anrollende Welle zu köpfen und die zweite Runde zu absolvieren.
Aus Sprinten wurde erst joggen, dann gehen, Abschätzen der anrollenden Brecher, dann kurz stehen, nur noch diese eine Welle abwarten...
Scheiss drauf, los jetzt, Augen zu und weiter!
Irgendwann war auch dieses Abenteuerschwimmen vorbei und ich rannte inmitten einer kleinen Gruppe quer durch den tiefen Sand auf den ersten Anstieg des Tages zu, schnappte mir meinen Beutel mit den Laufschuhen und sprintete den Berg noch bis zum Gipfel barfuß mit Neo hoch.
Oben angekommen erwartete mich ein Meer aus begeisterten, schreienden, anfeuernden Menschenmassen, durch die wir unseren langen Weg quer durch die Stadt zurück in die Wechselzone zelebrieren konnten.
Ich stürzte mich in einen Haufen bunt kostümierter belgischer Supporter, riss den mir den Neo vom Leib, zog die Schuhe an und legte mir die Gummipelle beim Losspurten wie einen Sack Zement quer über den Nacken. Die Beine in die linke und Arme in die rechte Hand und mit Siebenmeilenschritten auf zum Wechselzelt.
Dort stopfte ich den Kram in die Tüte, zog mir ein trockenes Trikot an, zerrte das Höllenbike aus dem Ständer und weiter ging‘s – der Lärmpegel und die dicht aufgereihten Menschenmassen waren unverändert gigantisch und nahmen erst nach Verlassen der Stadt gaaanz langsam ab.
Zeit also, sich auf dem Rad zu sortieren, die Schuhe noch einmal festzuschnallen, einen Schluck aus der Pulle zu nehmen und sich über das bisher Erlebte zu freuen und mit Spannung in den kommenden Abschnitt zu gehen.
Da es die ersten 30, 40 km keine Verpflegung gab, hatte ich eine Flasche mit Iso und die zweite Flasche mit 8 Gels gefüllt (SIS – Orange – hier ist der Geschmack so dezent ja fast neutral, dass sich ein Übelkeitsgefühl bereits auf dem Rad bei mir nicht einstellt), dazu die beiden Riegel auf dem Rahmen und ein Notfallgel im Radtrikot.
Keine Uhr, keine Elektronik – der Radcomputer am Bike war nicht funktionsfähig, da ich den Speichenmagneten zu Hause vergessen hatte – nur mein Höllenbike und mein Körpergefühl im Kampf gegen die 180 km quer durch Südwestwales.
Ja nicht überzocken!
Bloss nicht die Nerven verlieren!
Hinten kackt die Ente!
Bernd Hagen zimmert vorbei.
Egal.
Mike Schifferle drückt im großen Blatt den nächsten Zehnprozenter an mir vorbei als würd‘ ich mit dem Hollandrad vorsichtig Fish&Chips rumfahren.
Soll er doch.
Die Nummer 6 und 26 pflügen nach vorn.
Na mit den Nummern gehören die auch dort hin.
Nix brachte mich aus der Ruhe – ich fühlte mich gut, keine Krämpfe, nach Gefühl immer einen Schluck aus der Pulle – hier hätte ich eventuell einen kleinen Timer mitnehmen sollen, der sich alle 15 Minuten meldet, denn ohne eigene Elektronik „on board“ sowie fehlende Streckenkilometer war eine regelmäßige Energiezufuhr schwer zu steuern.
Ein wenig half mir die Uhrzeiteinstellung aus Deutschland, welche als einzige Funktion auf dem Computer lief.
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Das Wetter war super, die Stimmung prächtig, besonders prägend fand ich die Anstiege und Durchfahrten in Angle, Pembroke, Narberth, St. Brides Bridge&Hill, Saundersfoot und – ganz klar – Tenby.
Menschenmassen, Lärm, Party, Gänsehaut, Tränen in den Augen und glühende Beinmuskulatur.
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Und das Beste – das Ganze bekamen wir zweimal vor den Latz gedonnert, bevor ich nach ca. 5,5 Stunden vom Rad absteigen mußte und in die Laufschuhe schlüpfen durfte.
Sorry, Time Over, Arbeit ruft, Fortsetzung folgt, stay tuned!