Mittlerweile sitze ich im Büro und hab auf der Fahrt hierher die Eindrücke nochmal wirken lassen. Ich bin zu dem Ergebnis gekommen, dass spätnächtliche Laufeinheiten durchaus ihren Platz im Trainingsplan finden können. Achtung WIEDERHOLUNGSGEFAHR!
Trotzdem ist es schon lustig, was einem so früh morgens in einem kleinen mittelhessischen Ort alles passiert.
Das Aufstehen bereitet komischerweise um 4:30 weniger Probleme als wie gewöhnlich um 5:30. Vielleicht lag es auch an der Vorfreude auf den ersten dunklen Lauf.
Also Laufklamotten an, Laufschuhe geschnürt und dann los. Warum vergeudet man eigentlich morgens soviel Zeit bein Anziehen? Wäre es nicht sinniger, sich abends gleich mit den Laufklamotten ins Bett zu legen? Die Laufschuhe könnte man ja auch gleich anziehen. Das hätte dann auch den Effekt, dass man beim Decke-über-den-Kopf-ziehen keine kalten Füße bekommt.
Bei den ersten Schritten merke ich gleich, dass ein Laufen auf dem Trottowar (sorry für die ins hessische eingewachsenen Ausdrücke) unmöglich ist. Warum habe ich mir auch einen Tag ausgesucht, wo die Müllabfuhr die grünen Tonnen abholt?
Irgendwo nach 500 Metern treffe ich die Zeitungsfrau, welche sich erstmal ordentlich erschreckt und sich weit weniger anstrengen muss als ich, da sie von ihrem Mann von Haustür zu Haustür gefahren wird.
Was auch gleich auffällt ist die Tatsache, das Dunkeldeutschland auch Mittelhessen erreicht hat. Gefühlt brennt nur jede 14. Straßenlampe. Naja gut, die öffentlichen Finanzen sind knapp und hier kann natürlich gut gespart werden. Besser wenig Licht auf Hessens Straßen als solche Sparmaßnahmen wie in unserer Nachbargemeinde. Die wollen 1Mio im Etat sparen und haben als erste Maßnahme die Förderung der gemeindlichen Sportvereine um 2/3 gekürzt und die jährliche Sportlerehrung komplett abgesagt.
Ich muss gewaltig früh unterwegs sein, denn es zwitschern noch keine Vögel. Dafür hört man aber eine schier endlose Karawane von Fahrzeugen durch unseren Ort brummen. Und um 5 Uhr scheint auch noch kein innerörtliches Tempolimit zu gelten. Manche Autos sind so schnell, da merkt man nur noch den Luftzug... Also gesteigerte Vorsicht beim Überqueren der örtlichen Durchgangsstraße.
Um diese Uhrzeit kann man anhand der erleuchteten Wohnzimmerfenster auch ganz gut erkennen, wer aus welchen Gründen auch immer morgens um 5 Uhr die "Sportclips" auf sport1 verfolgen kann.
Und die Anzahl der Lebewesen, die durch den fahlen Schein der Stirnlampe huschen, ist auch nicht ohne. Katzen, streunende Hunde, Mäuse und sogar ein Steinmarder haben meinen Weg gekreuzt. So etwas hatten diese Gesellen wohl auch noch nicht erlebt, denn sie bleiben stehen und schauen mich mit leuchtenden Augen an wie E.T.
Irgendwann nach ungefähr 5,3 Kilometern (mit gpsies.de nachgemessen) war ich dann wieder zuhause. Irgendwie kann meine vorhergehende Zeitangabe 4:47 bis 5:28 nicht ganz stimmen. Die Endzeit ist fix, die Startzeit hab ich wohl vor dem letzten Toilettengang genommen. Hier ergibt sich wohl auch noch großes Zeiteinsparpotenzial, denn wer merkt im Dunkel der Nacht schon, wenn man während des Laufens die Blase erleichtert?
Auf jeden Fall hat es mächtig Spaß gemacht und jetzt, wo ich diese Worte schreibe, kommt immer mehr das Gefühl einer Infizierung in mir auf.
Allerdings hat der spätnächtliche Lauf auch einen nicht zu unterschätzenden Nachteil. Momentan fühle ich mich so wach, dass ich ernsthaft Angst habe, dass ich heute nicht in den gewohnten tiefen "Amtsschlaf" fallen kann. Aber auch nicht schlimm, kann ich doch dann endlich mal zwei Vorgänge bearbeiten, welche um die Weihnachtszeit 2012 auf meinem Schreibtisch gelandet sind...
Wenn ich meinen Arbeitskollegen von meinem frühmorgendlichen Ausflug erzähle, wird sich mein Image eines "irrwitzig Verrückten" weiter festigen. Nachdem eine Arbeitskollegin nach einem gemeinsamen Rondewutz Teile des Smalltalks veröffentlicht hat, trage ich hier sowieso den Aufdruck "Wahnwitziger" auf der Stirn.
Egal, jetzt muss ich schnell Schluß machen, denn ich fühle gerade einen leichten Anflug von Müdigkeit...