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Ich kann den Flüchtlingen, die hier ankommen, nur gratulieren. Die militärische russische Übermacht ist zu groß.
Das ist letztlich nur eine Behauptung. Es wäre besser, du würdest dich an die Fakten halten und da ist die militärische Übermacht nunmal keineswegs so groß, falls sie überhaupt vorhanden ist.
Russland hat die Ukraine mit weniger als 200 000 Soldaten angegriffen.
Die Ukraine hat selbst 209000 Soldaten und verfügt über 900 000 Reservisten, die jetzt höchstwahrscheinlich zu einem großen Teil mobilisiert wurden.
Wie viele Soldaten nach drei Wochen Krieg noch übrig sind, denn neben den gefallenen Soldaten gab es ja auch viele Verletzte und gefangengenommene Soldaten auf beiden Seiten weiß keiner so genau.
Russland hat zum Teil modernere Panzer und auch mehr Panzer zur Verfügung, aber die können ja nicht alles Kriegsgerät, das sie haben, in die Ukraine schicken.
Grundsätzlich braucht ein Angreifer in der Regel eine deutliche Übermacht, v.a. wenn das Überraschungsmoment weggefallen ist, weil Angreifen schwieriger ist als Verteidigen.
Ich will mich nicht zum Pseudoexperten für militärische Fragestellungen hochschwingen, was ich sicher nicht bin (und eigentlich auch nicht sein will, weil mich Faszination für Tötungsmaschinen wie Panzer etc. eigentlich stets sehr fremd war), aber man kann sich halt für Dinge, die einen interessieren und von denen man selbst nicht allzu viel weiß heutzutage relativ einfach Informationen beschaffen.
Sehr gut (und seriös) finde ich den Podcast "Streitkräfte und Strategien-Sicherheitspolitik kontrovers" in dem gestern auch nochmal das mögliche Mobilisierungspotenzial der Russen thematisiert wurde.
Von den 800 000 Soldaten, die Russland grundsätzlich hat, stehen viele für einen Einsatz in der Ukraine einfach nicht zur Verfügung, weil es z.B. Wehrpflichtige sind, weil sie die falsche Aubildung für solch einen Einsatz haben oder auch weil Russland ja nicht alle anderen Grenzen (und potenziellen Konfliktherde) ungeschützt lassen kann.
Im o.g. Podcast war von maximal 300 000 Soldaten zur Verfügung, die für einen Einsatz in der Ukraine überhaupt innerhalb des russischen Militärs in Frage kommen. Da wird es dann schon verständlich, wenn Russland jetzt schon nach drei Wochen verzweifelt Nachschub aus Syrien versucht zu organisieren.
Wir haben einerseits die Bürger Moskaus und andererseits die Bürger Kiews. Zwischen der Lebenswirklichkeit (Lebensqualität, Demokratie, Meinungsfreiheit etc.) in beiden Städten besteht ein gewisser Unterschied.
Dieser Unterschied sei groß genug, um jedes beliebige Opfer zu rechtfertigen.
Ich will Dich nicht nerven, aber mir scheint, dass es an dieser Stelle argumentativ etwas harzt. Denn der Unterschied zwischen Moskau und Kiew ist verschwindend im Vergleich zwischen den Lebenswirklichkeiten in Mogadischu und München, oder Kalkutta und Moskau. Müssten wir nicht vielmehr dort zu allen Opfern bereit sein? Sind wir aber nicht.
Mich überzeugt daher die Behauptung nicht, wir würden die Ukrainerinnen und Ukrainer vor der russischen Lebenswirklichkeit beschützen wollen. Das würde nicht das Risiko eines Weltkrieges rechtfertigen.
In Wirklichkeit geht es uns doch um etwas anderes. Ich meine, es geht um’s Völkerrecht.
Der Vergleich der Lebenswirklichkeiten bisher ist irrelevant. Wenn überhaupt, mußt Du die Lebenswirklichkeit der Kiewer in der bisherigen Ukraine mit einem Zustand nach der russischen Eroberung vergleichen - die wird sich nämlich deutlich von der Lebenswirklichkeit in Moskau entscheiden. Als Mitglied einer nicht anerkannten Nation oder einer, die als minderwertig angesehen wird, zu leben, ist für sehr viele Menschen eine schwere Belastung - auch wenn das in Deutschland irgendwie schwer vorstellbar zu sein scheint. Es ist aber ein Aspekt, das im Völkerrecht eine Rolle spielt.
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“If everything's under control, you're going too slow.” (Mario Andretti)
Ich hab keine Ahnung von Krieg, aber eine Pipeline stelle ich mir viel zu anfällig vor. Da reicht ja ein Angriff darauf an egal welcher Stelle und die Versorgung ist lahm gelegt. Wie will man denn eine Pipeline sichern?
Das haben die Alliierten sogar schon bei der Landung in der Normandie quer durch den Ärmelkanal gemacht und dann afaik beim Vormarsch in Frankreich einfach weitergeführt.
Das ist also seit einigen Jahren Stand der Technik - die Frage ist nur, ob es nötig ist und inwieweit man das Ding absichern kann. Ich denke auch, solange die Ukrainer Drohnen haben, ist das nicht das Mittel der Wahl.
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Wenn Ihr alle die Zeit, die Ihr hier im Forum vertüdelt, fürs Training nutzen würdet...
Nach Deiner "Logik" hätten die USA Nazideutschland wohl nicht bekämpfen sollen.
Ich möchte mir nicht vorstellen, wie dann die Welt heute aussehen würde, oder zumindest sehr lange ausgesehen hätte.
Danke. So was Ähnlichdes wollte ich gerade auch schreiben. Meines Wissens nach hat sich bisher in der Geschichte jedes Land gewehrt, wenn es von einem anderen überfallen wurde.
Hi Arne,
es ist doch nicht so daß Noam/andere mich inbegriffen nicht über alternative Möglichkeiten nachdenken.
Ja, das ist mir schon klar, ihr seid ja keine Neandertaler.
Zitat:
Zitat von tandem65
Du setzt ausserdem voraus daß jede andere Möglichkeit ohne Verlusten von Menschenleben einhergeht.
Nein, das denke ich nicht. So oder so wird es Opfer geben.
Zitat:
Zitat von tandem65
Wie viele Menschenleben hätten gerettet werden können wenn die Welt der Vernichtung von Menschenleben in Konzentrationslagern weiter zugesehen hätte?
Die Befreiung von Konzentrationslagern ist nicht Gegenstand dieses Krieges. Aber wenn man das trotzdem mal durchdenken will: Wie viele Menschen wären gerettet worden, wenn fünf der Kriegsparteien Atommächte gewesen wären, inklusive des Aggressors Deutschland?
Vorsorglich zwei Anmerkungen:
Notwehr ist legitim. Die Ukrainerinnen und Ukrainer haben jedes Recht, sich zu verteidigen. Es ist auch richtig, ihnen dabei zu helfen. Wie das genau zu geschehen habe, ist der Gegenstand dieses Meinungsaustausches. Das grundsätzliche Recht auf Verteidigung steht für mich nicht in Frage.
Mit dem Holocaust habe ich mich in den letzten zwanzig Jahren immer wieder auseinandergesetzt. Mir stehen alle Haare zu Berge, wenn ich ihn hier für hinkende Vergleiche heranziehe. Er steht für ultimatives menschliches Unrecht. Ich möchte es auf keine Weise relativieren.
Das ist letztlich nur eine Behauptung. Es wäre besser, du würdest dich an die Fakten halten und da ist die militärische Übermacht nunmal keineswegs so groß, falls sie überhaupt vorhanden ist....
Ich habe lediglich das wiedergegeben, was ich in den Medien erfahren habe: das russische Militär ist der ukrainischen deutlich überlegen. Aus meiner bescheidenen Sicht heraus waren das Militär-Experten, die das behaupteten.
Als Mitglied einer nicht anerkannten Nation oder einer, die als minderwertig angesehen wird, zu leben, ist für sehr viele Menschen eine schwere Belastung ...
... ebenso wie der massenhafte Tod von Familienangehörigen, Nachbarn und Freunden, außerdem Invalidität, Zerstörung der Infrastruktur wie Energie- und Wasserversorgung, Krankenhäusern, sowie der massenhafte Verlust qualifizierter Arbeitskräfte.
Ich habe mit meinen Großeltern gelegentlich über den Krieg gesprochen, den sie selbst erlebt haben. Meine Mutter kam am 1. September 1939 zur Welt. Über allen Geschichten stand unsichtbar die Überschrift "Nie wieder Krieg".
Ich meine, bei Dir gelegentlich einen Unterton herauszulesen, die auf eine im nationalen Selbstverständnis verweichlichte deutsche Nation hinzudeuten scheint. Das trifft aus meiner Sicht nicht zu. Es ist unsere Erinnerungskultur, die eine Stärke unserer gegenwärtigen Gesellschaft ist, die uns hellhörig macht bei Kriegsgetrommel jeder Art.
Grundsätzlich braucht ein Angreifer in der Regel eine deutliche Übermacht, v.a. wenn das Überraschungsmoment weggefallen ist, weil Angreifen schwieriger ist als Verteidigen.
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Um das zu untermauern: Der österreichische Militärstratege Günter Bruno Hofbauer wird aktuell in der Wochenzeitung Falter mit folgenden Worten zitiert: "Wir gehen davon aus, dass der Angreifer, also Russland, etwa dreimal so viele Verluste hat, wie der Verteidiger. Das ist in der Norm." Das würde ins Grundsätzliche gedacht (als Milchmädchenrechnung) wohl ungefähr bedeuten, dass eine Angriffsarmee dreimal so groß sein müsste wie die Verteidigungsarmee, um erfolgreich zu sein. Natürlich berücksichtigt das viele Faktoren NICHT, aber als grobe Schätzung und Anhaltspunkt finde ich es okay.
Interessant ist meiner Meinung nach auch die Einschätzung Hofbauers, wonach die Russen zwar am Anfang vom Widerstand überrascht worden seien, jetzt aber nach Plan vorgehen und langsam aber sicher die Schlinge enger ziehen. Hofbauer: "Wir sind im Westen ein bisschen durch die hohe Angriffsgeschwindigkeit der Amerikaner verwöhnt, wie sie das etwa im Irakkrieg vorgeführt haben ... Doch jetzt läuft der Angriff nach den russischen Militärdoktrinen ab ... Wir haben im Süden ... massive Geländegewinne durch die russische Seite."