das ganze an den Beispielen einzelner Personen einschließlich sich selbst bzw. an den Erfolgen oder Misserfolgen einzelner Trainer festzumachen ist statistisch fragwürdig. Außerdem reden wir hier von periodisierung und reverse periodization und jeder meint damit irgendetwas anderes. Ich habe mir heute mal die Trainingspläne hier auf der Seite zu Gemüte geführt (ich glaube konkret MD 15h Mittwöchler), das was da in der Prep-phase beim Radeln steht mit den vielen intensiven Rolleneinheiten würde bei mir durchaus schon fast als "reverse periodization" durchgehen, während sich der Lauf-Aufbau sehr konservativ gestaltet.
Irgendwie versucht man ja die Umsetzung der Theorie in der Praxis "festzumachen", da zählen persönliche Erfahrungen, Erfolge von Trainern meines Erachtens schon und sind ganz und gar nicht zu vernachlässigen bei all den schönen Studien, die ja wie aufgezeigt auch immer irgendwie statistische oder andere "flaws" aufweisen.
Viele verstehen unter eine Periodisierung die Entwicklung der Trainingsinhalte von "langsam" zu "schnell" über die Monate hinweg. Eine Reverse Periodisation ist dann das Umgekehrte, nämlich eine Entwicklung von "schnell" zu "langsam". Darin steckt bereits das entscheidende Missverständnis.
1.
Die klassische Periodisierung geht nicht von "langsam" zu "schnell", sondern von unspezifisch zu spezifisch. Man versucht, mit unspezifischem Training so fit und so belastbar wie möglich zu werden, bevor dann in den letzten zwei Monaten das wettkampfspezifische Training an der Reihe ist. Weil die Reizwirksamkeit jeder Trainingsmethode nach dieser Zeitspanne nachlässt, setzt man erst ganz zuletzt, also in den Monaten vor dem Wettkampf, auf die wettkampfähnlichste Trainingsform.
2.
Man kann keine gute Form über einen längeren Zeitraum halten. Die sportliche Form ist ein Anpassungsgleichgewicht zwischen aufbauenden und abbauenden Prozessen. Je höher das relative Leistungsniveau, desto stärker sind die abbauenden Prozesse. Die aufbauenden Prozesse hingegen, also die Trainingsreize, verlieren nach 6-8 Wochen zunehmend ihre Reizwirksamkeit: Zu Beginn einer Trainingsphase steigert man sich stets ordentlich, während man sich nach 8 Wochen mit dem gleichen Training nur noch minimal verbessert. Dadurch gewinnen die abbauenden Prozesse zwangsläufig irgendwann die Oberhand und die Formkurve biegt sich nach unten.
Deswegen ist es nach klassischer Auffassung ungünstig, bereits im Winter eine sehr hohe Leistungsfähigkeit aufzubauen. Denn sie wird den abbauenden Prozessen zum Opfer fallen, die zwangsläufig bei nachlassender Reizwirksamkeit des Trainings die Oberhand gewinnen werden. Veranschaulichen kann man sich das gut über die kurze Lebensdauer der Mitochondrien in den Muskelzellen. Form ist stets vergänglich.
Stattdessen legt man einen Schwerpunkt auf Trainingseinheiten, die nicht direkt auf eine kurzfristig zu erreichende hohe aerobe Leistungsfähigkeit abzielen. Sondern auf Trainingsinhalte, die das Training und den Formaufbau in den späteren, wettkampfnahen Trainingsphasen unterstützen. Man steigert also die allgemeine Ausdauer und Belastbarkeit, Kraft, Technik und bereitet durch eher spielerisches Intervalltraining die kommenden Belastungen der BUILD-Phase vor.
Der Rest sind Feinheiten. Man muss beim Laufen etwas anders periodisieren als beim Schwimmen oder Radfahren. Selbstverständlich sind während des Winters im Schwimmbad oder auf der Rolle auch Intensitäten gefragt. Sie sind aber unspezifisch, siehe Punkt 1. Deshalb ist daran auch nichts "reverse".
"Reverse" wäre es, wenn jemand im Winter 4x 30 Minuten Wettkampftempo fahren würde und danach eine Koppellauf absolvierte. Dagegen ist ein abwechslungsreiches Grundlagentraining, das auch Intensitäten enthält, nicht "reverse" sondern normal.
Das Wort "Reverse" ist auf jeden Fall unglücklich gewählt da gebe ich Recht, denn keiner der davon spricht meint tatsächlich direkte Umkehrung der Reihenfolge.
Auch der Begriff Grundlage ist schwierig zu interpretieren da sowohl eine Trainingszone/ein Intensitätsbereich so genannt wird als auch die von Arne hier mehrfach erwähnte/vorgestellte Zusammensetzung des Trainings der Grundfertigkeiten (inklusive Kraft, Schnelligkeit etc.)
Alle sinnvollen Ansätze entwickeln sich von unspezifisch zu spezifisch.
Der Streitpunkt ist meiner Meinung nach (neben den Begrifflichkeiten ):
- Wann sollte das "Training im Grundlagenausdauerbereich" sein Maximum erreichen, ist es im bisher gelehrten Umfang notwendig bzw. die zielführendere Lösung?
- Sind die unspezifischen Intensitäten oberhalb der Schwelle lediglich das Salz in der Suppe eines Grundlagentrainings oder sollte man in den Vorbereitungsphasen die den letzten 6-8 Wochen vorausgehen den direkten Trainingsschwerpunkt darauf setzen und beispielsweise beim Radfahren das direkte Ziel haben die 1 min und 5 min - Trittleistung zu verbessern und zwar ambitioniert, wenn auch nicht ganz mit dem gleichen Nachdruck wie beim anschließenden wichtigeren spezifischen Training?
- Wie verschieben sich die Antworten auf diese Fragen wenn man das gesamte Leistungsspektrum vom Gelegenheitssportler bis zum Profi betrachtet?
letztendlich gehen beide Varianten fließend ineinander über, das finde ich auch das spannende an Suttons Plänen ohne konkrete Zielvorgaben nur mit locker/mittel/schnell nach Tagesgefühl und natürlich work/rest-ratio-Vorgaben unter Verbot von jeglichen Zeitnahmen. Das könnte neben der Gruppendynamik etc. unter Umständen auch der Grund dafür sein das bei ihm besonders die Frauen so erfolgreich sind, weil sie dieses Schema eventuell besser interpretieren können (Vorurteil von mir).
Sind die unspezifischen Intensitäten oberhalb der Schwelle lediglich das Salz in der Suppe eines Grundlagentrainings oder sollte man in den Vorbereitungsphasen die den letzten 6-8 Wochen vorausgehen den direkten Trainingsschwerpunkt darauf setzen und beispielsweise beim Radfahren das direkte Ziel haben die 1 min und 5 min - Trittleistung zu verbessern und zwar ambitioniert, wenn auch nicht ganz mit dem gleichen Nachdruck wie beim anschließenden wichtigeren spezifischen Training?
Dafür bin ich persönlich durchaus offen. Beispielsweise setze ich seit letztem Jahr zwischen die BASE- und die BUILD-Phase eine TEMPO-Phase, also wie folgt:
PREP - BASE - TEMPO - BUILD - PEAK
Eine Sendung dazu habe ich hier gemacht:
Der neue Tempoblock für Lang- und Mittelstreckler
BASE, BUILD, PEAK – das ist das übliche und bewährte Schema für den Saisonaufbau. Wir haben über ein Dutzend Sendungen darüber gemacht, und tausende Triathleten haben sich erfolgreich damit auf ihre Rennen vorbereitet. In diesem Beitrag möchte ich zu einer zusätzlichen Trainingsphase anregen, der vor oder inmitten der BUILD-Phase platziert werden kann und Euch schneller macht: Die TEMPO-Phase. Sie unterbricht den gewohnten Saisonaufbau mit zwei bis drei Wochen an kürzeren, aber deutlich intensiveren Trainingsreizen. So hebt man die Leistungsfähigkeit auf ein neues Level, bevor es dann in die Phase der Spezialisierung auf den Hauptwettkampf geht. Klingt kompliziert? Arne Dyck zeigt Euch in diesem Beitrag ganz konkret, wie die einzelnen Trainingseinheiten aussehen, und wie man sie in den Trainingsplan integriert. (Spielzeit: 38 Minuten.)
Viele verstehen unter eine Periodisierung die Entwicklung der Trainingsinhalte von "langsam" zu "schnell" über die Monate hinweg. Eine Reverse Periodisation ist dann das Umgekehrte, nämlich eine Entwicklung von "schnell" zu "langsam". Darin steckt bereits das entscheidende Missverständnis.
1.
Die klassische Periodisierung geht nicht von "langsam" zu "schnell", sondern von unspezifisch zu spezifisch. Man versucht, mit unspezifischem Training so fit und so belastbar wie möglich zu werden, bevor dann in den letzten zwei Monaten das wettkampfspezifische Training an der Reihe ist. Weil die Reizwirksamkeit jeder Trainingsmethode nach dieser Zeitspanne nachlässt, setzt man erst ganz zuletzt, also in den Monaten vor dem Wettkampf, auf die wettkampfähnlichste Trainingsform.
Ich finde, bei Friel stellt sich das doch etwas anders dar.
"The bottom line of one’s training strategy is that the workouts should gradually become more race-like as the season progresses. So the reverse side is that when you are several months out from your first A race the training may well be quite unlike the race, especially in terms of intensity. I generally interpret this to mean that the workouts are done at a lower intensity than that anticipated in the race. Of course, with very long, steady-state events such as Ironman triathlons race intensity for most is zone 2. So in that regard an Ironman triathlete does not therefore have to spend the entire Base 1 period in zone 1. Instead there will be quite a bit of zone 2 now."
Zone 2 Traininig ist also für den Ironman Athleten schon sehr spezifisch nach Friel. Zone 2 geht nach Friel glaube ich bis oberes Ga1 und das dürfte für die meisten wohl auch das Wettkampftempo sein. (Bei Friel gibt es 5 Zonen - die sind anders verteilt, als in der oberen Studie, wo es nur 3 Zonen gibt)
"I don’t believe that anaerobic training (that done at a higher intensity than lactate/anaerobic/functional threshold) is necessarily counterproductive in the early Base period as many coaches seem to believe. I say “believe” here because I’ve never come across any research which addresses this issue. However, I don’t have anyone train at such a high intensity load in Base 1. It only takes a few weeks, perhaps 6 to 12, to achieve a very high level of anaerobic fitness. So to start doing such training with six months to go until one’s first A-priority race means that such fitness would have to be maintained for months on end. A half a year or more of VO2 max intervals is a good way to burnout an athlete, and for no good reason."
30/30 wie in deinen Plänen würde Friel wohl gar nicht fahren lassen. In Base 1 gibt es wohl anscheinend gar kein Vo2 max training. In Base 2 wohl auch nicht.
In seinem Buch steht auch, dass er in der Vorbereitungsphase auch gerne Zone 3 als Intensitätstraining einstreut. Also schon von Anfang an in der Saision Ga2 Training als Trainingsreiz. Da empfiehlst du ja ehr ein 30/30 Programm.
"The good news, however, is that Base 2 is only slightly different from Base 1. The biggest differences are the workouts are longer and there is a bit more intensity"
In Base 2 geht es also weiter mit langsamen Ausdauertraining.
"Aerobic endurance is the heart of training for endurance sports. Until this is well-established there is no reason to move on to the more advanced abilities (muscular endurance, anaerobic endurance and power). These workouts are done at the or near the aerobic threshold which is usually about the 2 zone using my heart rate or pace system, or Coggan’s power system. In Base 1 I generally have the athlete build up to doing 1 or 2 hours steady in zone 2. In Base 2 this is extended. The upper end for the duration of this workout depends on the sport and the type of event the athlete is training for."
etwas Intensität kommt dann schon hinzu:
"In Base 2 I’ll have the athlete start doing force intervals for muscular force. These are low-rep, high-intensity intervals done on a short, steep hill for cycling and running. On the bike they involve selecting a high gear and then on a hill doing 6 max-effort pedal revolutions (count one leg for 6 revs or 12 strokes total for both legs). The cadence will be less than 50 rpm. A runner will do something similar on a hill with 6 max-effort revolutions (12 steps). A swimmer might use a bungee resistance cord with 12 max-effort strokes."
In Base 3 gibt es dann sogar schon Ga2 Training, was du ja erst in der Build Phase forderst:
"Muscular endurance workouts are best saved until after strength training has reached a peak. This is typically after Base 1. The workouts are long intervals done at HR, pace or power zone 3. In Base 3 the intensity of these intervals goes up one zone and the intervals become shorter—in the neighborhood of 6 to 12 minutes. At this more advanced stage of ME training in Base 3 the recovery interval becomes critical. In Base 2 you can take a long recovery between the zone-3 intervals. In Base 3 the work-to-recovery ratio should be about 4 to 1. For every 4 minutes of hard work take 1 minute of recovery. This is the most overlooked aspect of ME training by self-coached athletes in Base 3 and later—they take overly long recoveries negating one of the primary benefits of this workout."
Meiner Meinung nach kann man die Kritik der Vertreter der "umgekehrten" Periodisierung an der "klassischen" Periodisierung (hier Friel als ein Vertreter) nicht nur als Missverständnis der klassischen Periodisierung vom Tisch wischen. Bei Friel geht schon das Meiste von langsam zu schnell in der Saison. Sogar das geforderte Prinzip vom unspezifischen zum spezifischen kann er für Langdistanz-Athleten nicht ganz durchhalten, wie er selbst sagt. Deine Pläne mögen da anders sein, aber die sind vielleicht auch nicht mehr wirklich "klassisch".
Deswegen ist es nach klassischer Auffassung ungünstig, bereits im Winter eine sehr hohe Leistungsfähigkeit aufzubauen. Denn sie wird den abbauenden Prozessen zum Opfer fallen, die zwangsläufig bei nachlassender Reizwirksamkeit des Trainings die Oberhand gewinnen werden. Veranschaulichen kann man sich das gut über die kurze Lebensdauer der Mitochondrien in den Muskelzellen. Form ist stets vergänglich.
Stattdessen legt man einen Schwerpunkt auf Trainingseinheiten, die nicht direkt auf eine kurzfristig zu erreichende hohe aerobe Leistungsfähigkeit abzielen. Sondern auf Trainingsinhalte, die das Training und den Formaufbau in den späteren, wettkampfnahen Trainingsphasen unterstützen. Man steigert also die allgemeine Ausdauer und Belastbarkeit, Kraft, Technik und bereitet durch eher spielerisches Intervalltraining die kommenden Belastungen der BUILD-Phase vor.
Man macht sich ja eigentlich gegenseitig die gleichen Vorwürfe, nur umgekehrt.
Du sagst, was soll ich so früh in der Saison mit der anaeroben Ausdauer, die ist immer Sommer sowieso wieder weg, wenn ich Grundlage nachholen muß und Sutton sagt, aerobe Ausdauer die ich mir im Winter erarbeite kann ich sowieso nicht bis Hawai halten.
Aber ist es nicht doch besser im Winter oder im Frühjahr im anaeroben Topfit zu sein? Vielleicht kann man dann im Sommer den 10er nicht mehr ganz so schnell laufen, aber der entscheidende Punkt ist doch, dass man in der Grundlagenausdauer auf einem viel höheren Niveau beginnt, als in der klassischen Periodisierung. Wenn ich im Winter 2 Minuten auf 10km schneller geworden bin, hat meine Grundlage von Beginn an auch ein viel höheres Tempo. Das ist doch das klassische Modell, dass man erstmal auf den Unterdistanzen besser werden will, um den Speed dann auf die längere Strecke mitzunehmen.