Strom von weit her zu holen bedeutet, diesen Strom zu bezahlen plus die Stromleitungen plus die Stromverluste in den Leitungen.
Dieser Strompreis steht dann in Konkurrenz zu den Preisen für Strom, welchen wir selbst lokal erzeugen. Welcher Strom ist billiger? Es gibt zwei Möglichkeiten:
1.
Falls extern erzeugter Strom (plus die Leitungen plus die Übertragungsverluste) billiger ist als der lokal erzeugte Strom, würde es Sinn machen, viel extern erzeugten Strom zu importieren. Da erneuerbarer Strom in der Herstellung billig ist, würde das bedeuten, dass die Kosten der Stromübertragung nach Deutschland ein wesentlicher Kostenfaktor sind. In diesen Fall würde es für die Industrie Sinn machen, Deutschland zu verlassen und dorthin zu gehen, wo Strom billig produziert wird.
Mit anderen Worten: Wenn wir in Marokko Strom derart billig produzieren könnten, dass er selbst nach einem Import bis nach Deutschland noch billiger ist als Strom, den wir in Deutschland produzieren, werden energieintensive Industriezweige nach Marokko abwandern (müssen).
2.
Im Moment sieht es so aus, als würde in Deutschland erzeugter Strom günstiger sein als im Ausland erzeugter Strom. Denn die Kosten für die Leitungen sowie die Übertragungsverluste sind zu hoch.
Eventuell besteht jedoch die Möglichkeit, in Nordafrika Strom und damit Wasserstoff zu erzeugen, der in der deutschen Industrie benötigt wird.
Das ist etwas schlicht dargestellt. Denn die zwei Fälle sind nicht so sauber zu trennen. Es wird in D ein endliches Potential für billigen erneuerbaren Strom geben. Und es wird (eventuell temporär) billigen erneuerbaren Strom aus anderen Regionen geben, der dann in Konkurrenz mit teurem inländischem Strom steht. Der Mix macht dann den Preis, den der Verbraucher zahlt.
Hinzu kommt, dass die Mrktpreise eben nicht konstant sind, sondern von Angebot und Nachfrage abhängen - also dumm gesagt, billiger Solarstrom ist nur am Tag billig, wenn er im Überschuss anfällt. Da kann die Industrie noch so gern nach Marokko oder Sizilien auswandern, an der Erdrotation im 24h-Zyklus ändern sie damit nichts.
Wasserstoff aus Afrika ist für mich auch nicht so offensichtlich - Solarstrom fällt auch dort nur am Tag an. Du investierst in eine teure Elektrolyse, die dann eben keine 8000 Volllaststunden im Jahr haben kann. Plus Verflüssigung als teure und ineffiziente Transportlösung. Da ist eventuell die Kombination von Windstrom aus der Nordsee plus Stromtransport und Elektrolyse beim Verbraucher oder der Transport des H2 durch bestehende Piplines doch günstiger. Aber ich hab das nicht gerechnet - ist nur ein Gefühl.
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Das war auch der Sinn meiner modellhaften Darstellung: Die Dinge zu vereinfachen, um das grundsätzliche Argument zu verdeutlichen.
Die Argumente sind aber gut. Ich hatte hier gar nicht an Pipelines gedacht. Bei Wasserstoff bin ich etwas skeptisch, ob dieser als Energieträger gut transportabel ist. Ich dachte hier eher an einen Power to Gas Ansatz. Und zumindest Stand heute scheint Methan als reiner Energieträger sinnvoller zu sein als Wasserstoff. Der Vorteil wäre auch, dass dafür bereits eine Infrastruktur in Deutschland besteht. Im Prinzip würde man vor Ort (also z.B. in Wüstenstaaten oder dünn besiedelten Meeresregionen) synthetischen LNG produzieren können. Aktuell weißt vieles in diese Richtung. Und es wäre ein gutes Backup.
Meine zwei größten Zweifel an der Energiewende waren die Speicher und hier insbesondere die saisonalen und der immense Rohstoffbedarf. Bzgl. der Speicher bin ich mittelfristig deutlich optimistischer geworden. Das liegt insbesondere an den hohen Investitionen im Power to Gas Bereich. Das würde auch für Diversität und somit sinkende Abhängigkeit sorgen. Und in der Zwischenzeit haben wir glücklicherweise noch den französischen Atomstrom.
Bzgl. der Rohstoffbedarfe bin ich immer noch skeptisch. Allerdings auch hier nicht mehr so heftig. Insbesondere die Wiederverwertungsmöglichkeiten könnten das Thema deutlich abschwächen.
Ich dachte hier eher an einen Power to Gas Ansatz. Und zumindest Stand heute scheint Methan als reiner Energieträger sinnvoller zu sein als Wasserstoff. […]
Meine zwei größten Zweifel an der Energiewende waren die Speicher und hier insbesondere die saisonalen und der immense Rohstoffbedarf. Bzgl. der Speicher bin ich mittelfristig deutlich optimistischer geworden. Das liegt insbesondere an den hohen Investitionen im Power to Gas Bereich.
Power to Gas ist per se sehr ineffizient. Als Energiespeicher steht es in Konkurrenz zu anderen Speichern, zum Beispiel Batterien, welche den Strom fast verlustfrei speichern und wieder abgeben. Batterien werden zudem immer leistungsfähiger und günstiger.
Aus Effizienzgründen ist Power to Gas für die meisten Anwendungen vermutlich keine Option, weil es viel zu ineffizient und damit teuer ist, verglichen mit Batterien. Das ist bei praktisch allen Anwendungen der Fall, welche heute die politische Debatte bestimmen, also bei der Mobilität und beim Heizen.
[quote=Genussläufer;1718733... Ich dachte hier eher an einen Power to Gas Ansatz. ..[/QUOTE]
Für Power-to-Gas benötigst Du CO2. Relativ effizient bekommst Du CO2 nur aus Vebrennungsabgasen, wo schon eine hohe Konzentration vorliegt.
Warum sollte aber jemand CO2 erzeugen, um es dann wieder mit H2 zu Methan oder anderen Kohlenwasserstoffen umzusetzen, wenn er stattdessen den Wasserstoff direkt verbrennen könnte.
Oder gesamtwirtschaftlich gesehen: solange ich noch fossile Energieträger verbrenne, ist es vom Wirkungsgrad her komplett sinnlos, Wasserstoff zu Kohlenwasserstoffen umzusetzen. Erst wenn alle fossilen Energieträger abgelöst sind und kein Potential für direkte Nutzung von Elektrizität oder Wasserstoff aus anderen Gründen mehr besteht, kann ich darüber nachdenken, Wasserstoff mit CO2 umzusetzen.
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Für Power-to-Gas benötigst Du CO2. Relativ effizient bekommst Du CO2 nur aus Vebrennungsabgasen, wo schon eine hohe Konzentration vorliegt.
Warum sollte aber jemand CO2 erzeugen, um es dann wieder mit H2 zu Methan oder anderen Kohlenwasserstoffen umzusetzen, wenn er stattdessen den Wasserstoff direkt verbrennen könnte.
Oder gesamtwirtschaftlich gesehen: solange ich noch fossile Energieträger verbrenne, ist es vom Wirkungsgrad her komplett sinnlos, Wasserstoff zu Kohlenwasserstoffen umzusetzen. Erst wenn alle fossilen Energieträger abgelöst sind und kein Potential für direkte Nutzung von Elektrizität oder Wasserstoff aus anderen Gründen mehr besteht, kann ich darüber nachdenken, Wasserstoff mit CO2 umzusetzen.
Haben wir diese Diskrepanz nicht auch heute schon? Du hast den Effizienzverlust entweder zentral im Kraftwerk oder dezentral am Verbraucher.
Ich sehe aktuell gar keine andere Option für einen saisonalen Speicher. Klar ist die Erzeugung auf den ersten Blick nicht so effizient. Sie speist sich aber aus "überschüssiger" Solarenergie. Das könnte man nur ausschalten, wenn grüner Strom nicht volatil wäre. Das ist er aber.
@Klugschnacker: Batterien sind nicht als Saisonspeicher geeignet. Das wäre zum Netzausgleich denkbar. Für den saisonalen Speicher wäre das viel zu teuer. Da wäre die mit hohen Effizienzverlusten verbundene Erzeugung synthetischen Gases um ein vielfaches preiswerter. Ich habe die Zahlen nicht zur Hand. Hier scheint aber Einigkeit zu herrschen.
Sie speist sich aber aus "überschüssiger" Solarenergie.
Wie viel überschüssigen Solarstrom gibt es denn und wie oft tritt der auf?
In meinen Augen ist das ein Märchen vom überschüssigen Solarstrom den man in H2 oder anderes umwandeln kann. Das tritt zeitlich gesehen an wenigen Tagen im Jahr auf.
Dafür baut man dann eine Anlage die ja auch nur wenige Tage im Jahr arbeitet würde und viel Geld gekostet hat.
E-Fuels oder H2 will man aber kontinuierlich produzieren, also baut man eine Solaranlage daneben oder ein Windrad um möglichst viele Betriebsstunden zu haben und dann ist da nix von überschüssig.
Wie viel überschüssigen Solarstrom gibt es denn und wie oft tritt der auf?
In meinen Augen ist das ein Märchen vom überschüssigen Solarstrom den man in H2 oder anderes umwandeln kann. Das tritt zeitlich gesehen an wenigen Tagen im Jahr auf.
Dafür baut man dann eine Anlage die ja auch nur wenige Tage im Jahr arbeitet würde und viel Geld gekostet hat.
E-Fuels oder H2 will man aber kontinuierlich produzieren, also baut man eine Solaranlage daneben oder ein Windrad um möglichst viele Betriebsstunden zu haben und dann ist da nix von überschüssig.
Volle Zustimmung. Ich spreche hier nicht vom mitteleuropäischen Raum. Das ist in Regionen näher am Äquator deutlich leichter zu realisieren. Deutschland macht hier auch gerade Gehversuche in Namibia. Letztendlich zeigt vieles in Richtung Power to x. Es ist ja nicht nur Gas. Wenn man sich die Investitionsströme anschaut und die Aktivitäten in dem Feld scheinen nicht wenige auf das Thema zu setzen. Ob es sich dann durchsetzt, kann ich Dir auch nicht sagen. Und wer ehrlich ist, wird auch nicht vorhersagen können, welche Technologie(n) sich durchsetzen werden. Glücklicherweise sind andere Länder hier offener als wir. So würden dann auch Alternativen im Verkehr oder auch in der Stromversorgung Geschäftsfelder auf Basis CO2 neutral erzeugter Moleküle finden.
Siebenschwein hat es oben auf den Punkt gebracht:
Zitat:
Es wird in D ein endliches Potential für billigen erneuerbaren Strom geben.
Und insbesondere die notwendigen saisonalen Speicher wollen gefüllt werden. Da scheint es aktuell so, dass unter anderem in Afrika, Südamerika oder auch Südeuropa erzeugter Solarstrom eine gute Basis für P2x sein könnten.