Euer Zuspruch tut gut, danke dafür!
Das Gespräch mit der Pflegedirektorin war schwierig. Sie drängt auf eine PEG, ich bin weiter sehr skeptisch.
Ich war vor dem Gespräch länger bei Frau M. Sie ist meiner Meinung nach in keinem dramatischen Zustand, die Pflegeleitung tat hinterher fast so, als stürbe sie jeden Moment, wenn sie nicht sofort eine Sonde bekommt.
Die Pflegerinnen von Frau M. berichteten, dass sie heute Morgen wohl einen Becher hochkalorische Flüssigkost getrunken hat. Erdbeere möge sie offenbar, Schoko nicht. Ich habe dann darauf gedrängt, dass in jede Flüssigkeit, die sie zu sich nimmt Kohlenhydratpulver gemischt wird. Davon hat sie während meiner Anwesenheit auch noch mal zwei Becher getrunken.
Die Einfuhrdokumentation war nicht korrekt, die aktuellen Bögen waren nicht da. Jetzt ärgere ich mich, dass ich nicht darauf bestanden habe, dass mir die aktuellen Einfuhrprotokolle vorgelegt werden.
Das Gespräch mit der Pflegedirektorin wurde wegen eines Notfalles unterbrochen. Ich habe es dann später telefonisch mit ihr beendet. Ihre Argumente überzeugen mich nicht. Ich habe ihr per Fax schriftlich mitgeteilt, dass ich zum jetzigen Zeitpunkt einer Krankenhauseinweisung zum Zwecke der Sondenlegung nicht zustimme, sondern morgen erst noch ein weiteres Mal mit dem Hausarzt spreche und versuche, den Vormundschaftsrichter an die Strippe zu bekommen.
Für eine Sonde spricht, dass Frau M. heute zweimal auf meine Frage, ob sie sterben wolle, klar mit "Nein" geantwortet hat und die Frage, ob sie leben wolle, zwei mal mit "Ja" beantwortet hat. Ich habe ihr versucht zu erklären, was eine Sonde ist und was es bedeutet, aber ich glaube, dass das zu komplex war, obwohl ich es extrem vereinfacht habe.
Ach, Leute, ich komme kaum zur Ruhe und weiß noch nicht, wie es weiter geht. Alle Fachleute außerhalb des Heimes, mit denen ich gesprochen habe (mein Chef im Altenheim und ein Freund von mir, den ich für einen hervorragenden Altenpfleger und Pflegedienstleiter halte und ein Arzt unserer Klinik mit Ausbildung in Palliativmedizin) raten ab. Die meisten klipp und klar.
Morgen fahre ich noch mal ins Heim, will die vollständige Dokumentation inklusive BMI Entwicklung sehen und hoffe, dass ich morgen eine klarere Haltung habe.
Gerade habe ich versucht, mich mit Nussecken für das Sifi Treffen abzulenken. Hat aber nur mittelmäßig gut geklappt.
Jetzt muss ich schnell los, zu meinem Pflegemädchen, ist schon wieder so spät, Mist!
Denkt weiter an mich, ich kann's brauchen im Moment!
Was solche Konfliktsituationen betrifft bin ich aber der Meinung, dass ein Betreuer die Entscheidung letztlich auch aus Gründen des Eigenschutzes an das Betreuungsgericht delegieren sollte.
Du kannst dort die Problemsituation schildern und anregen ein ärztliches Gutachten zur Frage der medizinischen Indikationen einer PEG erstellen zu lassen. Bleibt dann zu hoffen, dass ein Gutachter beauftragt wird, der
a.) sich in der Materie fachlich auskennt
b.) sich dem Problem auf eine menschliche Art annähert.
Gruß
Tschorsch
__________________ da solltest du mal drüber nachdenken
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Denkt weiter an mich, ich kann's brauchen im Moment!
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Hi bellamartha,
seit ich gestern zufällig in deinen blog gestolpert bin, denke ich quasi ununterbrochen an dich! Echt wahr. Habe hinten beim damalig aktuellen Beitrag von dir angefangen ... und mich dann weiter nach vorne durchgelesen. Nach einigen Seiten wurde mir klar, so geht das nicht, ich muss ganz von vorne anfangen. Und so habe ich dann jegliche Pause des gestrigen Tages verbracht, deine einfühlsamen, intensiven, super interressanten, informativen, lustigen, und manchmal auch extrem traurigen Beiträge zu lesen. Du hast mein Herz erobert.
Ich drücke dir schon seit gestern feste beide Daumen und bin mir ganz sicher, dass du letztendlich eine richtige Entscheidung finden wirst. Obwohl es eine verdammt schwere Verantwortung ist, die du dir hier aufgebürdet hast. Ich möchte nicht tauschen wollen .. bin aber aufs höchste fasziniert und beeindruckt von der Power die du hast und auch an alle möglichen Menschen freizügig verteilen kannst.
Hut ab und Chapeau! ... und viel Glück!
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Calvin: “Es ist keine Verweigerung. Ich bin nur sehr wählerisch mit der Realität, die ich akzeptiere.”
Der Anruf gerade ließ kurz das Adrenalin hoch schießen, aber jetzt, nur 10 Minuten danach, spüre ich, dass Ruhe in mir aufkommt und ein gutes, sicheres Gefühl.
Die nette Pflegerin Frau B. aus dem Altenheim, in dem meine Betreute Frau Maria M. lebt, rief mich gerade an. Frau M.s Zustand habe sich seit vorgestern, als ich sie das letzte Mal sah, weiter massiv verschlechtert und das Pflegeteam geht davon aus, dass sie nun kurzfristig sterben wird. Seit gestern nimmt sie kaum noch Flüssigkeit zu sich, ihr Gesicht verändert sich, ihre Augen fallen tief in die Höhlen. Ich kenne das, habe es selbst im Altenheim viele, viele Male gesehen. Als ich am Montag bei ihr war, dachte ich schon, dass ihr Gesicht wie das einer Sterbenden aussieht. Es ist ein bestimmter Blick, der meist ruhig und in sich gekehrt ist. Ich hatte mich mit dem Hausarzt besprochen, der meine Meinung teilte und keine PEG-Indikation sah.
Jetzt sehe ich mich bestätigt in meiner Haltung und bin froh, dass eine Sterbende keinem so invasiven Eingriff ausgesetzt wurde, der das Sterben nicht verhindert hätte. Das Pflegeteam teilt diese Meinung offenbar auch, zumindest überwiegend. Die Meinung der Pflegedirektorin, die den Druck aufgebaut hatte, ist für mich unerheblich, weil sie nicht im Kontakt mit der Bewohnerin ist. Ich wünsche mir für Frau M., dass sie nun friedlich sterben kann, wenn es denn soweit ist. Ich werde morgen Früh noch einmal hinfahren und dann mit einem ambulanten Hospitz-Dienst Kontakt aufnehmen, damit sie eine Sterbebegleitung machen. Die Pflegekräfte haben für so was immer zu wenig Zeit und Frau M. verfügt über ein Taschengeldguthaben von über 900 Euro, die ich dafür einsetzen will.
Ich habe eben noch mal deutlich gemacht, dass ich eine enge Begleitung auch durch die Pflege erwarte und dass Frau M.s Mundschleimhäute und Lippen immer wieder befeuchtet werden, damit sie nicht das Gefühl hat zu verdursten.
Die behinderte Tochter von Frau M., die im selben Heim lebt, war eben bei ihr und wird sie weiter regelmäßig besuchen. Frau M. hat das wahr genommen, wie mir die Pflegerin Frau B. sagte. Ich bin mir sicher, dass Frau M. weiß, dass der Abschied naht und das auch so will.
Jetzt bin ich innerlich ganz ruhig, auch wenn meine Hände etwas zittern, weil ich zwar schon viele alte Menschen habe sterben sehen und schon viele Male eine Haltung zur Frage einer Sonde hatte, diese nun aber zum ersten Mal nach außen vertreten, durchsetzen und natürlich auch verantworten muss. Vor der Betreuten, vor dem Pflegeteam und dem Arzt, vor dem Gericht und natürlich auch vor mir selbst. Zum Glück nicht vor Gott, an den ich nicht glaube, aber sollte ich irren und es gibt ihn doch, dann würde ich auch mit ruhigem Gewissen vor ihm stehen.
Ich hoffe, dass ich alles richtig gemacht habe. Letzte Sicherheit gibt es nie, aber ich habe ein gutes Gefühl.
Trotzdem bin ich betroffen. Weil vermutlich ein Mensch stirbt. Und weil ich sehr an meine Grenzen gekommen bin.
Ich danke euch für die netten Worte der letzten Zeit und an die Gedanken, die ihr vielleicht an mich hattet.
Ich werde euch berichten, wenn sie es hoffentlich friedlich geschafft hat.
Jetzt gehe ich schwimmen. Ich freue mich auf die Ruhe, die mir das Wasser bringen wird.
Ich bewundere Dich wirklich wie Du diese schwere Aufgabe meisterst.
Ich habe ganz zu Beginn meiner Ausbildung damals im Altenheim das Kabelfernsehen angeschlossen usw. und ich für mich war es immer sehr schwer dort in die Zimmer zu gehen - vor allem bei den Leuten denen es offensichtlich wirklich schlecht geht.