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Zitat von bellamartha
Jetzt muss ich mal wieder früh Feierabend machen und mit Kumpel Rudi eine Runde laufen gehen...
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Es war grauenhaft. Wir liefen in strömendem Regen los, ich zeternd neben Rudi her, denn ich hatte noch versucht, ihn telefonisch von unserem Vorhaben abzubringen, aber er hat mich bequatscht und als er bei mir war, schüttete es wie aus Eimern. 1:17 h ist es geworden und ich habe mich im Schneckentempo daher geschleppt, Rudi mit seinem penetranten Vor-/Mittelfußgetippel immer nebenher, manchmal auch neben mir gehen, weil's so langsam war... schönen Dank!
Gerade, als ich nach Hause kam, hatte ich nicht die Wahl zwischen Zwetschgenkuchen und Croissant wie der Herr Sybenwurz, aber zwischen noch mal Laufen gehen und Toastbrote in mich reinstopfen. Ratet mal, wofür ich mich entschied?
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Zitat von bellamartha
und nachher mit dem Liebsten die Sauna-Saison eröffnen. In Essen ist nämlich jetzt Herbst.
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Das war auch grauenhaft! Ich fordere hiermit laut und vehement die Schaffung von Ü-30 Saunen! Sonst gibt's doch auch alles Ü-irgendwas, warum denn keine Saunen. Alles war gut, aber als ich dann aus einer Sauna heraus kam, sah ich eine Frau, die so schön war, dass es mir die Luft weg blieb. Ich habe sie wohl fassungslos angestarrt, denn der Liebste meinte nur trocken: "Sie ist 20 Jahre jünger!" Ja, super! Das ist ja ein Trost... Sie ist nicht nur überirdisch schön, sondern auch noch 20 Jahre jünger. Danke, Björn, für diese überaus hilfreichen Worte. (Sie war perfekt, alles an ihr, glaubt mir oder lasst es.)
Und ich weiß nicht, warum ich mir so was in der Sauna antun muss. Gäbe es Ü-30 Saunen, würde das Risiko, solchen Bräuten zu begegnen, deutlich sinken.
Naja...
Ü-30 ist jedenfalls Günter G. schon seit 58 Jahren. Seit einigen Monaten lebt er in dem Altenheim, in dem ich arbeite. Ich weiß nicht so genau, was er bei uns soll, denn er ist topfit und unsere pflegerischen Tätigkeiten beschränken sich darauf, ihm morgens um kurz nach 6 Uhr den Rücken zu waschen und den Blutdruck einmal am Tag zu messen. Er wollte auch nicht ins Heim, aber seine Tochter hatte wohl gesagt, dass er ins Altenheim müsse, wenn er noch mal ins Krankenhaus komme. Völlig hirnverbrannt und er war erst sehr unglücklich darüber. Aber er ist ein starker und positiver Mensch und scheint sich nun gut arrangiert zu haben.
Er ist blitzgescheit und geistig extrem agil. Er ist stets im Anzug mit Krawatte gekleidet. Jeden Tag verlässt er mit seinem Elektromobil das Heim und unternimmt kleinere und größere Touren. Das Teil hat er, seit er sein Auto vor sechs oder acht Jahren abgab. Er ist ganz stolz, weil er damit 42 km weit fahren kann. Wenn ich aus Indien wieder da bin, haben wir zwei Verabredungen. Eine zum Eis essen (er wollte mir Geld für ein Eis in Indien geben, aber ich nehme kein Geld von Bewohnern und will auch viel lieber ein Eis mit ihm essen) und eine, bei der ich joggen gehe und er mich mit dem Mobil-Teil begleitet.
Er hat viele, viele Jahre lang bei der Ruhrkohle AG gearbeitet, für den Vorstand dort. Er hat sehr gerne gearbeitet und berichtet stolz, dass er, als er 25 jähriges Dienstjubiläum hatte, noch nicht einen Tag krank gefehlt hatte. Den ersten Tag mit Krankenschein hatte er, als er mitten in der Fußgängerzone in Essen einen Herzinfarkt erlitt. Da war er noch keine 50 Jahre alt. Wenige Monate später hatte er einen zweiten Infarkt, danach aber keinen mehr.
Er ist tief gläubig, ein Katholik und wir sprechen oft über seinen Glauben und meinen Nichtglauben. Religion und Kirche sind sehr wichtig für ihn. Jeden Samstag Abend geht er in den Gottesdienst. Er trägt stets stolz ein kleines, schlichtes Kreuz am Anzug, das ihm der Bischoff verliehen hat für seine Verdienste in der Pfarrjugend oder so.
Er interessiert sich für so viel, auch für aktuelle Politik und man muss immer auf dem Laufenden sein, wenn man bei ihm arbeitet, denn er freut sich jeden Abend, wenn man sich noch Zeit nimmt, mit ihm über Gott und die Welt zu sprechen.
Er ist eigentlich immer gut gelaunt. Er pfeift vor sich hin und singt laut. Er ist immer freundlich, kennt alle unsere Namen und freut sich, wenn wir mit ihm Zeit verbringen.
Ein netter Mann, nicht wahr?
Er war Sturmbannführer der Waffen-SS.
Irgendwie kam er auf den Krieg zu sprechen, in dem er "Terroristen gejagt" habe, in Frankreich. Ich habe erst gar nicht kapiert, was er damit meinte, bis ich verstand, dass er damit Widerstandskämpfer meinte. Ich war schockiert ob seiner Wortwahl. Dass er sie auch heute noch als Terroristen verunglimpft. (Ich las die Tage ein beeindruckendes Interview mit einem israelischen Friedensaktivisten, einem ursprünglich aus Deutschland stammenden Mann- ich habe seinen Namen vergessen, er hat eine hebräischen Namen angenommen - der in den 1930er Jahren mit seinen Eltern und einem Bruder oder einer Schwester Deutschland verlassen konnte. Er war in der Zeit vor der Staatsgründung Israels in einer Gruppe aktiv, die mit Anschlägen gegen die Macht der Briten im damaligen Palästina kämpfte. In dem Interview sagt er sinngemäß: Es gibt keinen Unterschied zwischen Freiheitskämpfern und Terroristen, es ist nur die Frage, auf wessen Seite man steht.)
Herr G. berichtete mir in den letzten Wochen mehrfach davon, wie er in die SS kam. Das war ja alles andere als selbstverständlich, weil seine Eltern keine Nazis waren, sondern sein Vater sogar ein regelrechter Gegner der Nazis war, der seinem Sohn später auch stets verboten hat, die Wohnung in Uniform zu betreten und weil er selbst schon damals tief gläubig war und dem Glauben auch immer treu blieb. Das passte ja gar nicht zusammen, war aber trotzdem so.
Er erzählt mir, dass er so gerne eine Verdienstkreuz erhalten hätte, indem er fünf Panzer abgeschossen hätte. Es seien aber nur zwei geworden.
Ich habe ihn bisher nicht nach Details gefragt, nach Details der "Terroristen-Jagd" zum Beispiel. Ob er Menschen getötet hat. Ich gehe davon aus.
Ich erlebe ihn als einen absolut akribischen, fleißigen, ehrgeizigen und pflichtbewussten Mann - und ich darf mir gar nicht ausmalen, dass er seine "Pflichten" als SS Mann auch so pflichtbewusst und engagiert wahrgenommen hat wie später seine Pflichten in der Firma, für die er alles tat und für die er lebte.
Ich bin immer wieder schockiert. Ich frage ihn, wie er das heute einschätzt. Und er erzählt mir, dass er da halt so reingewachsen sei, er ist ja 1925 geboren. Er sehe das heute anders. Sagt er, aber ich bin mir nicht sicher. Er sagt, er sei "entnazifiziert" worden, sagt das immer wieder, aber ich höre ja, dass er von "Terroristen" spricht, höre seinen Stolz, wenn er von seinen Uniformen erzählt und ich meine ein seltsames Glühen wahrzunehmen, wenn er über diese dunklen Zeiten spricht. Ich fühle keine Reue. Ich will ihn das demnächst noch konkreter fragen.
Mir ging der Gedanke durch den Kopf, seine Biographie aufzuschreiben, aber ich weiß nicht, ob ich diesen Gedanken weiterspinnen will und werde. Erstens weil es viel Arbeit wäre und zweitens weil ich nicht weiß, ob ich alles wissen will. Vielleicht würde ich ihn dann nicht mehr mögen und das fände ich sehr schade.
Wir haben nicht so viel gemeinsam, manches unterscheidet uns extrem, aber was uns verbindet, sind freundschaftliche Gefühle für einander.
Ich sagte ihm am Dienstag Abend beim Abschied, als er mich an das Eis essen nach dem Urlaub erinnerte, dass ich nie gedacht hätte, dass ich mal mit einem Sturmbannführer der Waffen-SS befreundet sein würde. Er hat nur gelacht und gesagt: "Schwester Judith, ich bin doch entnazifiziert!" (Ich muss ihm das "Schwester vor meinem Namen noch abgewöhnen.)
...nachdenklich: J.