Guten Tag!
Die Bertlicher Straßenläufe finden dreimal im Jahr statt und zwar in der Stadt Herten im Stadtteil Bertlich. Das Besondere an dieser Veranstaltung ist, dass man die Wahl zwischen folgenden Strecken hat: 5 km, 7,5 km, 10 km, 15 km, Halbmarathon, 30 km und Marathon. Nur wenn man ein Kleinkind ist, hat man keine Wahl, sondern muss am 850 m Lauf teilnehmen. Da man sich ausschließlich am Veranstaltungstag vor Ort anmelden kann, kann und muss man sich immer spontan entscheiden, welche Strecke man läuft. Das Konzept ist super und geht gut auf, der Lauf ist selbst bei eher schlechtem Wetter ganz gut besucht. Heute schienen es mir aber auf den einzelnen Strecken nicht so sehr viele Leute zu sein, aber zusammen genommen, läppert es sich doch.
Als ich das letzte Mal dort gelaufen bin, ich weiß nicht, ob ich es schon mal hier erzählt habe, bin ich 30 km gelaufen und voll abgekackt. Auf den letzten Kilometern fuhr ein Krankenwagen langsam hinter mir her und ließ bei offenem Fenster laute Musik laufen, um ich zu motivieren. Ich fragte, warum die denn hinter mir her fuhren und erfuhr, dass ich die allerletzte Läuferin der 30 km war. Im Ziel bin ich mit großem Hallo empfangen worden. Später stellte sich heraus, dass ich als Gesamtletzte Erste von einer in meiner Altersklasse geworden bin und wurde bei der Siegerehrung auf die Bühne gezerrt, wo ich mit einem Pokal, einem Sachpreis und Blumen geehrt wurde. Verrückt, was?
Heute wollte ich nicht Letzte werden auf der Halbmarathon-Distanz, für die ich mich entschieden hatte. Ich hatte mir vorgenommen, 5:27 pro Kilometer zu laufen, um so unter 1:55 h zu bleiben. Mit dem Liebsten zusammen reiste ich an und freute mich über die wie immer perfekte Organisation. Im gut geheizten Pausensaal war schon ein reichliches Kuchenbuffet aufgebaut, auf den Tischen brannten Kerzen, alles sehr hübsch.
Um 10:40 Uhr ging es dann los. Beim Einlaufen habe ich mir den Hintern abgefroren, weil ich nicht so viel anhatte. Am Kilometerschild 1 ein Blick auf die Uhr: 5:27, geht doch!
Für die HM Distanz ist eine Runde von 13 km und eine von 7 zu laufen. Die Strecke führt fast die ganze Zeit durch Felder und Wiesen, ist weitestgehend flach und durchweg asphaltiert. Vermessen sind die Strecken sowieso. Beim Laufen ging mir wieder das Herz über vor lauter Ruhrpott-Glück! Ich finde das immer wieder so herrlich, mitten in einem der größten Ballungsgebiete Europas durch landwirtschaftlich geprägte Gegenden zu laufen, durch Felder, an Bauernhöfen vorbei, Pferde auf den Wiesen - und dabei immer wieder der Blick auf andere typische Seiten des Ruhrgebietes: Industrie, Kraftwerke, Zechentürme, die noch stehen. Heute fiel der Blick auf das große Kraftwerk in Scholven, das zu Gelsenkirchen gehört und an dem vorbei immer die schöne RTF führt, die ich so mag.
Ich laufe durch die schöne Gegend, mein Ruhrpott-Herz schlägt zufrieden und gleichmäßig, das Tempo fühlt sich gut an. An manchen Strecken ist es ordentlich windig, dann gibt Björn mir manchmal Windschatten und es geht gleich ein wenig leichter.
Wir überholen langsame Marathonläufer, die 10 Minuten vor uns gestartet sind. Überall ist die Strecke da abgesichert, wo sie über Landstraßen führt. Polizisten sorgen dafür, dass die Läufer überall Vorfahrt haben.
Schnell sind 10 km gelaufen und dann kommen wir auch schon in Richtung Start- und Zielbereich, wo wir auf die zweite, kleinere Runde abbiegen müssen. Zuvor zischt aber noch der Gewinner des Halbmarathons an uns vorbei, als wir gerade mal bei Kilometer 13 oder so sind.
Ich kann das Tempo gut halten, es geht mir prima. Und das bleibt auch bis zum Schluss so, für mich ja eher ungewöhnlich, denn ich neige auf längeren Strecken schon dazu, einzubrechen. Heute wieder, wie schon beim Martinslauf in Düsseldorf, nicht und die zweite, 7m lange Runde, geht auch schnell vorbei. Dass man am Ende viele der langsameren 10 km Läufer, die länger nach uns gestartet sind überholt, motiviert zusätzlich. Der Einlauf ist in einem Stadion mit roter Asche, so wie's sich im Pott gehört, auch wenn diese Aschebahnen immer seltener werden, weil sie heute meist durch Kunstrasen ersetzt wird. Auf der Zielgeraden renne ich, weil die Uhr gleich auf 1:53 umspringen wird, aber ich schaffe es nicht ganz. Ich stoppe die Uhr bei 1:53:02, die Zeit vom Veranstalter ist noch nicht online, dürfte aber ein paar Sekunden länger sein, weil hier ohne Chip gelaufen wird.
Ich bin mit dem Ergebnis superzufrieden und frage mich, ob ich einfach weiter nicht trainieren soll, denn im Moment läuft es komplett ohne Lauftraining echt gut.
Hier mal meine Zwischenzeiten:
5:27
5:24
5:33
5:34
5:22
5:19
5:25
5:24
5:43
5:32
5:17
5:02
5:18
5:15
5:29
5:17
5:23
5:20
5:12
5:10
5:24
In der Umkleide traf ich nette Frauen. Eine hatte hier gerade ihren allerersten Laufwettkampf gemacht, auch den HM, und hat 2:03 h dafür gebraucht. Eine schöne Zeit für den ersten Lauf. Eine andere, ca. 45 jährige Frau, hat für den Zehner gut 43 Min. gebraucht und ist damit zweite Frau hinter einer 26 Jahre jüngeren Göre geworden! Hut ab!
Die Frauenumkleide war in der Umkleide der 1. Fußballmanschaft des SUS Bertlich untergebracht und ich habe mich über die an die Wand gemalten Sprüche amüsiert: "Geht raus in die Kampfbahn und zeigt, dass ihr Männer seid, die siegen können!" und "Glück auf, Männer vom SUS Bertlich!" Gestaunt habe ich über eine ganze DIN A4 Seite mit Sanktionen, die bei allen möglichen Versäumnissen und Verstößen in Form von Geld zu zahlen sind: 5 € für unentschuldigtes Fehlen beim Training, 50€ für unentschuldigtes Fehlen beim Spiel, 2€ pro Minute, die man am Spieltag zu spät zum Treffpunkt kommt, 10€ für Rauchen in der Kabine, 25€ für Fouls in irgendwelchen näher beschriebenen Situationen, 5€ für Handyklingeln während Besprechungen und so weiter und so fort. Krass!
Nach dem Duschen, schütte ich zwei Cola in mich rein und verschlinge ein Käsebrötchen und eine Waffel und dann reisen wir zurück und fahren diesmal durch Gelsenkirchen zurück. Wunderbar wie immer die Fahrt durch die "Schalker Meile", dem Straßenstück, an dem die
"Glückauf Kampfbahn" liegt, das kleine Stadion, in dem bis zum Bau des Parkstadions 1973 Schalke 04 gespielt hat. Björn sagt: "Mein Oppa is bis hierher zum Spiel von Schalke gelaufen. Von Essen-Kray aus!" Da ist man einige Stunden unterwegs. Er sei ein riesengroßer Schalke Fan gewesen. Und: "Meine Omma hat immer gesagt: 'Entweder er stirbt am Schlach (Schlaganfall) oder an Schalke!'", weil er sich immer so aufgeregt hat, wenn Schalke spielte. Gestorben ist er aber am Schlag.
Die Straße an der Glückauf Kampfbahn ist gesäumt mit Liebesbezeugungen für Schalke 04, überall Flaggen, Plakate, Transparente, alles blau-weiß. Obwohl ich mit Fußball und erst Recht mit Schalke nix am Hut habe, habe ich Spaß daran, wie sehr sie hier ihren Verein lieben.
Jetzt liege ich zufrieden im Bett, stelle fest, dass Schnodo mir den Wochensieg beim Schwimmstar-Contest geraubt hat und werde gleich mal einen hübschen Mittagsschlaf machen. Heute Abend gehe ich wie immer, wenn ich am Sonntag keinen Spätdienst habe, ins Kino, in "In ihrem Haus" von Ozon.
Ein schöner Tag.
Im Februar will ich in Bertlich noch mal Halbmarathon laufen und dann unter 1:50 h bleiben. Meint ihr, ich sollte einfach weiter so wie jetzt nicht trainieren, dass es dann schon klappt?
Fröhliche Grüße, J.