Glaube hat aus meiner Sicht jedoch grundsätzlich eine moralisch bedenkliche Seite. Nehmen wir als Beispiel, was sich alle Religionen der Welt über die angebliche Minderwertigkeit der Frau einbilden. Wer kategorisch etwas glaubt, und jede Notwendigkeit, das sachlich begründen zu müssen, ablehnt, handelt nach meinem Verständnis nicht moralisch. Es gibt keine Moral, ohne Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen.
Du wirfst hier auf unzulässige Weise den Glauben (welchen?) und die Religionen (alle?) in einen Topf rührst um und unterstellst dann noch allen ein verqueres Frauenbild anno 2016 zu besitzen.
Daneben bist Du schon wieder der Versuchung erlegen, Glauben anhand von wissenschaftsbasierten Kriterien zu bewerten. Der Glaube ist Glaube eben weil er keine Naturwissenschaft ist. Wer behauptet ein Christ würde nicht für das eigene Handeln zur Verantwortung gezogen bzw. ist Rechenschaft für genanntes schuldig? Genau das Gegenteil ist der Fall.
Eine angeblich minderwertige Frau war bis vor einigen Jahren Ratsvorsitzende der EKD. Frau Breit-Keßler ist Regionalbischöfin hier in Bayern, auch minderwertig?
Pascal, es mag sein, dass die angebliche Unterlegenheit der Frau ein Deiner Religion (ich kenne sie nicht) keine Geschichte hat. Dann tut es mir leid, mein Beispiel trifft dann nicht zu. Vielleicht war es verkehrt zu behaupten, es träfe auf alle Religionen zu.
Mir ging es darum, dass jede Ethik auf Überzeugungen aufbaut, die sich als falsch erweisen können. Deswegen müssen wir diesen Überzeugungen misstrauen und sie immer wieder infrage stellen. Egal ob es um die Frauen, um homosexuell orientierte Menschen, oder um das Selbstbild des Menschen als Krone der Schöpfung im Zentrum des Kosmos ging – alle diese Bilder erwiesen sich später als falsch. Obwohl die jeweiligen Gesellschaften Gutes wollten, haben sie aufgrund ihrer Irrtümer Schlechtes erreicht.
In meinen Augen sehen die katholische Lehre und die protestantische Lehre die Verantwortung des Menschen gegenüber seinem Handeln sehr unterschiedlich. Auf der einen Seite steht die Erlösung durch die guten Werke incl. Ablass / Beichte, Busse; auf der anderen Seite die vom Menschen nicht zu erkennende, beeinflussende Vorherbestimmtheit der Erlösung, welche dem Menschen für sein Handeln im Diesseits die alleinige Verantwortung übergibt (Calvin). Letzteres führte zur protestantischen Arbeits- sowie Wirtschaftsethik und Tugendlehre, die nach Max Weber die Grundlagen für die industrielle Revolution und den Kapitalismus schufen. Der Katholizismus war die Religion der Adligen und Grundbesitzer (die Klöster besassen sehr viel Land), der Protestantismus die Religion des Bürgertums. Mit der protestantischen Auffassung der Verantwortung des Menschen trugen so Ideen des Christentums auch zu Beginn der Neuzeit IMHO zur Entwicklung, Modernisierung, zum Fortschritt bei (neben natürlich der Aufklärung und Wissenschaften als Hauptkräfte) wie z.B. die aus Frankreich geflüchteten Hugenotten am Hof von Friedrich dem Grossen, obwohl die Religion nach K. Marx ebenso als "Opium für das Volk" diente.
Es gibt ein paar Momente in der Geistesgeschichte der Menschen, die mich besonders faszinieren. Viele davon liegen in der Epoche zwischen 1860 und 1925. Charles Darwin, Albert Einstein, Nils Bohr uns seine Mitstreiter.
Einer der für mich bewegendsten Momente geschah jedoch bereits im Jahr 1543. Der Domherr zu Preußen, Nikolaus Kopernikus, veröffentlichte eine astronomische Arbeit, die die Berechnungen der Planetenbahnen enorm vereinfachte. Er setzte erstmals die Sonne in das Zentrum des Sonnensystems, und die Planeten, von denen die Erde nun einer war, in Umlaufbahnen um sie herum.
Die Verdrängung der Menschen aus dem Zentrum des Universums war eine erschütternde Erkenntnis. Aber es gab noch eine zweite, die es in sich hatte. Sie fiel zunächst nur Astronomen auf.
Die Erde ist rund 150 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt. Der Kreis, den die Erde auf ihrem Umlauf um die Sonne beschreibt, hat daher einen Durchmesser von 300 Millionen Kilometern. Das ist eine gewaltige Distanz. Astronomen erkannten damals folgendes:
Die Sterne des Himmels müssten wir aus anderen Winkeln beobachten, je nach dem, ob wir sie im Frühjahr oder im Herbst beobachten. Zwischen diesen beiden Positionen der Erde während ihres Umlaufs um die Sonne liegen 300 Millionen Kilometer. De facto hat man die Sterne jedoch immer aus denselben Winkeln beobachtet. Sie waren im Frühjahr in derselben Position wie im Herbst. Das ist nur möglich, wenn die Sterne unvorstellbar weit entfernt von uns stehen.
Ich stelle mir vor, da sitzt ein Mensch im Mittelalter vor seinen Tabellen und erkennt mit zunehmender Schärfe, dass das Universum eine jede Vorstellungskraft sprengende Größe haben muss. Ich stelle mir seine einsamen Spaziergänge vor, bei denen er versucht, diese Erkenntnis zu verarbeiten. Die Erde, der vermeintliche Mittelpunkt der Welt, ein Staubkorn im Universum.
Heute wissen wir, er hat nur unsere allernächsten Sterne gesehen, unsere direkten Nachbarn.
In meinen Augen sehen die katholische Lehre und die protestantische Lehre die Verantwortung des Menschen gegenüber seinem Handeln sehr unterschiedlich. Auf der einen Seite steht die Erlösung durch die guten Werke incl. Ablass / Beichte, Busse; auf der anderen Seite die vom Menschen nicht zu erkennende, beeinflussende Vorherbestimmtheit der Erlösung, welche dem Menschen für sein Handeln im Diesseits die alleinige Verantwortung übergibt (Calvin). Letzteres führte zur protestantischen Arbeits- sowie Wirtschaftsethik und Tugendlehre, die nach Max Weber die Grundlagen für die industrielle Revolution und den Kapitalismus schufen. Der Katholizismus war die Religion der Adligen und Grundbesitzer (die Klöster besassen sehr viel Land), der Protestantismus die Religion des Bürgertums. Mit der protestantischen Auffassung der Verantwortung des Menschen trugen so Ideen des Christentums auch zu Beginn der Neuzeit IMHO zur Entwicklung, Modernisierung, zum Fortschritt bei (neben natürlich der Aufklärung und Wissenschaften als Hauptkräfte) wie z.B. die aus Frankreich geflüchteten Hugenotten am Hof von Friedrich dem Grossen, obwohl die Religion nach K. Marx ebenso als "Opium für das Volk" diente.
Interessantes Posting. Sehr dicht, viel Inhalt in knappen Sätzen. Hättest Du möglicherweise einen Buchtipp, mit dem geistige Fußgänger wie ich mehr darüber lernen können?
Interessantes Posting. Sehr dicht, viel Inhalt in knappen Sätzen. Hättest Du möglicherweise einen Buchtipp, mit dem geistige Fußgänger wie ich mehr darüber lernen können?
Leider fällt mir dazu kein Buch (Sekundärliteratur) ein mit prägnanter Darstellung. Ein wenig befindet sich aus meinem Geschichtsstudium (vor der Psychologie) noch in den Synapsen.
Interessantes Posting. Sehr dicht, viel Inhalt in knappen Sätzen. Hättest Du möglicherweise einen Buchtipp, mit dem geistige Fußgänger wie ich mehr darüber lernen können?
Wir wissen nicht wohin der Weg geht. Religionen können völlig verschwinden. Religionen können in Europa durch die Zuwanderung einen neuen Boom erreichen. Vielleicht wird sich etwas völlig neues neben Religion vs. Wissenschaft entwickeln. Wäre hätte vor 3000 Jahren an Jesus oder WhatsApp gedacht? In 3000 Jahren wird man sich höchstwahrscheinlich über diesen Thread wundern.
Führende Geistliche und hochrangige Wissenschaftler, wie zum Beispiel die Philberth-Brüder, Bernhard und Karl, sprechen von Lenkevolution. Damit ist die Frage aufgetan wer die Evolution steuert. Oder sollte der Mensch doch ein "Irrläufer der Evolution" sein? Eines scheint sicher, es ist tatkräftigen Männern und nicht etwa Pater Nosters und Ave Marias zu verdanken, dass das Schiff Kurs hält und insbesondere auch bei Sturm, so der Machtphilosoph sinngemäß.
Damit bezweifele ich, dass wir nicht wissen, wohin der Weg geht.