Religionen existieren, das ist eine unbestrittene Tatsache. Ebenso existiert der Glaube in einem ganz realen Sinn.
Wo Religion den Glauben zum Inhalt hat, geht es daher um real existierende Dinge. Religiöse Gefühle sind echt. Was jedoch offenbar nicht existiert, ist der Gegenstand dieses Glaubens, nämlich Gott. Er ist nicht real, sondern eine abstrakte Vorstellung.
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In gleicher Weise sind religiöse Erfahrungen real. Denn sie beziehen sich auf eine Fiktion, die real ist. Der Gegenstand dieser Fiktion ist jedoch nicht real.
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Hast Du Dich mal mit dem Philosphen Feuerbach beschäftigt? Er betrachtet Religion als etwas zum Menschen gehöriges, das er anthropologisch von der Entstehung her erklärt, statt die Religion abstrakt zu kritisieren.
z.B. in "Das Wesen des Christentums":
„Die Religion ist die Reflexion, die Spiegelung des menschlichen Wesens in sich selbst.“ – „Gott ist der Spiegel des Menschen.“ – „Gott ist das
offenbare Innere, das ausgesprochene Selbst des Menschen.“[
Hast Du Dich mal mit dem Philosphen Feuerbach beschäftigt? Er betrachtet Religion als etwas zum Menschen gehöriges, das er anthropologisch von der Entstehung her erklärt, statt die Religion abstrakt zu kritisieren.
Sofern alle Religionen gemeint sind, muss Feuerbachs Kritik zwangsläufig abstrakt sein. Ich habe Feuerbach in der Schule gelesen und fand seine Gedanken sehr interessant. Heute denke ich, dass er sich geirrt hat. Teils weil er von falschen Voraussetzungen ausging, teils weil ihm Wissen nicht zur Verfügung stand, das wir heute haben (was nicht bedeutet, dass wir alles wüssten, aber eben mehr als Feuerbach).
Ein Irrtum bestand zum Beispiel darin, dass die Religion zum Menschen gehöre. Die meiste Zeit seiner Geschichte kannte der Mensch keine Religion. Heute scheint er sich wieder von ihr zu entfernen – gebildete Gesellschaften neigen dazu, sich zu säkularisieren.
So unfreundlich muss man das nicht formulieren. Sie irren sich. Jesus selbst war vom Kommen des Gottesreiches noch zu seinen Lebzeiten überzeugt. Er irrte sich, wie auch in vielen anderen Dingen. Auch Sokrates, Aristoteles, Gandhi und Einstein haben sich oft geirrt, ohne dass man sie als verrückt oder Wichtigtuer bezeichnen wollte.
Oder verstehe ich Dich falsch? Vielleicht gibst Du uns ein Beispiel von einem der unzähligen Menschen mit Kontakt zu einer höheren Wirklichkeit, das Du besonders überzeugend findest?
(Der Zusammenhang mit meinem Posting, das Du zitierst, ist mir nicht ganz klar. Ich sagte, dass sich kulturelle Systeme etablieren, die keinen direkten Bezug zur Realität haben. Religionen können daher existieren, ohne dass ein Gott existieren muss. Denn ihr entscheidender Inhalt ist nicht Gott, sondern der Glaube an Gott. Also muss die Existenz eines Gottes nicht bewiesen werden, um Religionen einen Sinn zu geben. Ganz im Gegenteil: Säße Gott plötzlich vor uns, wäre es vorbei mit der Kirche. Denn wer glaubt ernsthaft, Gott sei Katholik oder Protestant?)
Lg, A.
Du schriebst:
Zitat:
Zitat von Klugschnacker
In gleicher Weise sind religiöse Erfahrungen real. Denn sie beziehen sich auf eine Fiktion, die real ist. Der Gegenstand dieser Fiktion ist jedoch nicht real.
Du solltest eher schreiben, "Der Gegenstand dieser Fiktion muss nicht zwingend real sein."
Auf was ich hinaus wollte:
Das Internet ist voll von Menschen, welche über Begegnungen mit Engeln oder über seltsame Nahtoderlebnisse berichten. Manche Menschen erwachen aus dem Koma und sprechen angeblich plötzlich eine fremde Sprache. Leute lassen sich in ein früheres Leben rückführen oder kennen/können Dinge aus diesem.
Es gibt eine derartige Fülle an solchen Berichten, dass es unwahrscheinlich ist, dass alle einem Hirngespinnst zum Opfer fallen.
Eine Frau aus meinem nächsten Familienkreis, welche ansonsten keinen Bezug zu diesem Thema hat, berichtete nach einem dramatischen Verlust eines noch nicht geborenen Kindes davon, in tiefster Verzweiflung von einem "Engel" umarmt und getröstet worden zu sein.
Das meine ich. Nicht die prominenten Schlaumeier, die du oben erwähnt hast.
Sofern alle Religionen gemeint sind, muss Feuerbachs Kritik zwangsläufig abstrakt sein. Ich habe Feuerbach in der Schule gelesen und fand seine Gedanken sehr interessant. Heute denke ich, dass er sich geirrt hat. Teils weil er von falschen Voraussetzungen ausging, teils weil ihm Wissen nicht zur Verfügung stand, das wir heute haben (was nicht bedeutet, dass wir alles wüssten, aber eben mehr als Feuerbach).
Ein Irrtum bestand zum Beispiel darin, dass die Religion zum Menschen gehöre. Die meiste Zeit seiner Geschichte kannte der Mensch keine Religion. Heute scheint er sich wieder von ihr zu entfernen – gebildete Gesellschaften neigen dazu, sich zu säkularisieren.
Ich dachte, dass schon die meisten sog. Naturvölker, welche vom Jagen und Sammeln leben, Wetterereignisse, Jagdglück, Tiere, Krankheit, Tod religiös mystifizieren und sich die Religionen jeweils der Entwicklung der menschlichen Lebens- und herrscherformen anpassen. Ist das ein falscher Blick auf die Religionsgeschichte des Homo Sapiens?
Du solltest eher schreiben, "Der Gegenstand dieser Fiktion muss nicht zwingend real sein."
Einverstanden!
Zitat:
Zitat von Rälph
Eine Frau aus meinem nächsten Familienkreis, welche ansonsten keinen Bezug zu diesem Thema hat, berichtete nach einem dramatischen Verlust eines noch nicht geborenen Kindes davon, in tiefster Verzweiflung von einem "Engel" umarmt und getröstet worden zu sein. Das meine ich. Nicht die prominenten Schlaumeier, die du oben erwähnt hast.
Die Geschichte mit dem verlorenen Kind und dem tröstenden Engel ist natürlich dramatisch und ergreifend. Niemand argumentiert gerne dagegen an. Ich ganz bestimmt auch nicht.
Aber was haben die Menschen sich in ihrer Geschichte bereits alles eigebildet! Wir können nicht jedem Traum, jedem Gefühl oder mystischer Ahnung einen Wahrheitsgehalt zumessen. 4 Millionen US-Bürger sind beispielsweise überzeugt davon, von Außerirdischen entführt worden zu sein. Sie schildern auf teilweise erschütternde Weise alle Details ihrer Entführung. Unter ihnen der Träger des Nobelpreises für Chemie 1993. Andere sind Zeuge eines Wunders geworden, etwa, dass eine 2000 Kilo schwere Marienstatue ihnen zugewunken habe.
Ich denke, dass die Wahrscheinlichkeit äußerst gering ist, dass wir es hier mit handfesten Tatsachen zu tun haben.
Ich dachte, dass schon die meisten sog. Naturvölker, welche vom Jagen und Sammeln leben, Wetterereignisse, Jagdglück, Tiere, Krankheit, Tod religiös mystifizieren und sich die Religionen jeweils der Entwicklung der menschlichen Lebens- und herrscherformen anpassen. Ist das ein falscher Blick auf die Religionsgeschichte des Homo Sapiens?
Ich bin kein Experte. Wenn Du auf diese Weise fragst, also mit der Mystifizierung von Naturphänomenen, muss man den Beginn der Religionen sicher sehr früh ansetzen. Ich hatte oben den Begriff der Religion in einem engeren Sinn verstanden.
Es ist ein kaum zu übertreffendes Qualitätsmerkmal dieses Forums, wie die Diskussion zu einem solchen Thema hier abläuft. Ich bin ziemlich beeindruckt über die intellektuelle Qualität von einigen Beiträgen.
In vielen Foren sind Beiträge zu Religion und Politik schlicht per Forenregeln untersagt. Ansaetze, voellig egal mit welcher Tendenz, werden von den Moderatoren recht schnell wieder geloescht. Das halte ich fuer eine grundsaetzlich gute Idee. Ich kann den Betreibern dieses Forums nur wuenschen, dass das bisherige Niveau halbwegs gehalten wird, bin allerdings schon der Meinung, das die o.g. Regel sinnvoll ist.