Servus Jörn!
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Zitat von Jörn
Hallo Helmut, wenn die Prüfung einer Moral weder empirisch (physikalisch) noch moralisch vorgenommen werden kann (also überhaupt nicht), dann zeigt es, dass „Moral“ kein nützliches Kriterium in diesen Fragen sein kann.
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Ich möchte zu dem Thema und dem Zitat etwas Ordnung schaffen - schon alleine mir zuliebe, ich will den Überblick nicht verlieren.
Ich in der Diskussion habe ich nach auftreten des Begriffes Moral dasjenige beigetragen, was ich aus philosophischer Sicht zum Thema Moral weiß. Insbesondere war das (die Zahlen sind Anmerkungen um Mißverständnisse zu vermeiden)
- Die bloße Tatsache Mensch zu sein verpflichtet den Menschen moralisch zu nichts (1)
- Philosophische Versuche durch Vernunft (2) eine universell gültige Moral als Normativ (3) zu erzeugen oder ein Prüfkriterium (4) für richtiges oder falsches Handeln zu finden sind gescheitert (5)
- Gründe sind neben mgl. Widersprüchen in der Konstruktion u.a. im Subjektivismus zu finden; zentral schein mir der Wirklichkeitsbegriff (6)
Aufgrund der berechtigten Kritik an der Philosophie, dass sie zwar erklärt aber nicht verbessert, habe ich meine ganz "praktische Alltagsphilosophie" dargelegt. Ich schlage vor:
- Moralische Millieus zu bilden (Familie, Freundeskreis, Verein, ...)
- Ein wichtiger Punkt in der Bildung solcher Milleus ist aus meiner Sicht die Akzeptanz anderer Wirklichkeiten
- Darüber hinaus kann man ggf. selbst davon im eigenen Leben Bereicherung erfahren, wenn man das möchte
Arne bemerkte treffend mit dem Verweis auf die Geschichte, dass die Akzeptanz anderer Wirklichkeiten auch schaden kann. Das ist m.E. nach wie vor richtig. Bringt uns halt auf gewisse Art und Weise wieder zurück zur Fragestellung: "Welches handeln ist gut und welches schlecht". Da man dies aber universell nicht entscheiden kann, bleibt nur den konkreten Fall gegen die intrasubjektiuve (7) Wirklichkeit zu prüfen. In Deutschland 2017 könnte man das zum Beispiel (es gibt bestimmt noch andere Möglichkeiten) gegen ein normatives Werk tun, dass allgemein (bis auf die Wirklichkeit der Reichsbürger

) anerkannt ist: Das Grundgesetz (8). Welches Normativ z.B. die Geschwister Scholl bei ihrem Widerstand gegen die Nazis im Kopf hatten, weiß ich nicht, ist aber ein Beispiel für ein anderes Normativ in dem man Handlungen auf Basis anderer Wirklichkeiten prüfen kann. Die "Weiße Rose" war in dem Sinne übrigens auch ein "moralisches Milieu".
Praktisches Beispiel: Das denken von Martin (Ziel) würde ich jederzeit so akzeptieren, da es mir nicht so scheint als würde es Handlungen hervorbringen, die Leid schaffen oder bei jemandem Unfreiheit in irgendeiner Form erzeugen (zwei wichtige Hauptattribute meiner persönlichen Moral) oder sonst irgendeinen Schaden anrichten oder gegen Gesetze verstoßen. Hätte ich z.B. mit Herrn Uwe Mundlos gesprochen, hätte ich sicher dessen Denken nicht akzeptiert und entsprechend gehandelt.
Dann ging es noch etwas um das Thema Erkenntnis:
- Um den Wahrheitsgehalt von Sätzen zu überprüfen, sind diese Sätze der Empirik, der Anlytik oder der Metaphysik zu zuorden (9)
- Im Anschluss daran sind sie dem Fach entsprechend empirisch/synthetisch/metaphysisch zu überprüfen
- Wie wahr und falsch zu beurteilen ist, ist nicht a priori Gesetz, sondern Festlegung und ein Thema der Erkenntnistheorie - also der Philosophie (10)
(1) Pflicht in diesem Sinne ist nicht zu verwechseln mit pflichtgemäß (dem äußeren Vertrag gemäß) , sondern im kantschen Sinne der innere, uneigennützige Antrieb, der gute Wille zur Moral.
(2) Vernunft ist unterschiedlich zu Verstand. Siehe Causanus.
(3) ein Regelwerk, nach an dem man sich bei Handlungen orientieren kann
(4) Der kategorische Imperativ von Kant ist so ein Prüfkriterium. Der Utilitarismus stellt auch eines zur Verfügung (den Nutzen).
(5) Utilitarismus, kategorischer Imperativ, hypothetische Imperativ usw. sind alle an der Aufgabe gescheitert
(6) Interessant dazu: Subjekt-Objekt Spaltung
(7) Eine Tatsache wird von mehreren Subjekten gleichermaßen wahrgenommen
(8) Das GG ist philosophisch nicht unkritisch, den die Basis Art. 1, Satz (1) - "Die Würde des Menschen ist unantastbar" ist eine philosophische Formulierung. Das ist nun auch rechtsphilosophisch nicht unkritisch. Das Bundesverfassungsgericht hat die "Würde des Menschen" wohl deshalb auch mit einigermaßen konkreten, intrasubjektiv guten aber nicht objektivierbaren, Inhalten gefüllt.
(9) siehe Abgrenzungsproblem
(10) Leseempfehlung: Kant - Das gesamte Hauptwerk der Kritik, insb. Kritik der reinen Vernunft. Der Tractatus von Wittgenstein und freilich auch Logik der Forschung von Popper
Hoffe das "Ordnung schaffen" ist mir einigermaßen gelungen. Danke für's Lesen. Da ich dem nicht's mehr hinzuzufügen habe und mir ausserdem den neuen 642 Seiten Wälzer von Richard David Precht über die Philosophiegeschichte des 15-19 JH geholt habe, bin ich jetzt mal weg - zum lesen.

Der Thread hat mich wieder für ein altes Interessensgebiet neu brennen lassen. Danke dafür an alle Beteiligten.
Viele Grüße
Helmut