Servus Beieinander!
Eingangsbemerkung: Ich halte es für unablässlich, dass jegliche "Erkenntnis" die irgendwann und irgendwo niedergeschrieben wurde, auch im Kontext der Zeit (der Evolution des Wissens) zu sehen. Vieles muss so verstanden werden wie es in dem historischen Kontext gemeint ist. Das macht die Aussagen über einen Äther als Ausbreitungsmedium oder die Aussagen der Schöpfung im heutigen Licht zwar nicht richtiger - aber die Beurteilung ist fairer und seriöser. So denke ich zumindest.
Zitat:
Zitat von Jörn
Ich spreche davon, dass die Aufklärung den bösen Geist der Religionen gezähmt hat. Nur dadurch sind wir zu einem moderaten Märchenglauben gekommen (in manchen Teilen der Welt).
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Das beantwortet die Frage, ob die Wissenschaft imstande ist, religiösen Fanatismus zu bändigen. Ja, dazu ist die Wissenschaft imstande. Übrigens NUR die Wissenschaft.
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Es ist ohne Zweifel richtig, dass im "Namen Gottes", "der Kirchen", "des Glaubens" viel Leid über die Menschen gebracht wurde und immer noch gebracht wird. Es ist m.E. ebenfalls richtig, dass die Aufklärung die Epoche war, in der vieles an Aberglauben, ja "aufgezwungenem Aberglauben" zugunsten rationalem Denken und Erkenntnisse aufgegeben wurde/werden musste. Allerdings gab es neben der Wissenschaft als Disziplinen -
insbesondere der Naturwissenschaft - ja auch noch viele andere Einflüsse, die die Aufklärung begünstigten. Politische Bündnisse veränderten sich, das Verhältnis Staat/Bürger veränderte sich, der Zugang zu Bildung (Lesen) wurde ein anderer und war für die Bürger "offener", Geisteswissenschaften, Sozialwissenschaften trennten sich von der Naturwissenschaft und und und. Kurz: Eine Menge politische und soziale Veränderungen waren sicher entscheidend für den "Erfolg" der Aufklärung. Vor diesem Hintergrund lieferten die (Natur)wissenschaften vieles an Erkenntnis. Die Wissenschaft kann deshalb sicher als Erfolgsmodell bezeichnet werden.
Ich bin allerdings der Meinung, wenn wir heute darüber sprechen, dass z.B. in der islamischen Welt "im Namen Ahllas" Dinge passieren, die indiskutabel sind, dann werden wir nichts verbessern, wenn wir den Menschen dort mit wissenschaftlichen Methoden vor Augen führe, dass sie wissenschaftlich belegt, an Käse glauben oder oder. Es ist ja heute - im Gegensatz zu den Anfängen der Aufklärung - nicht mehr so, dass wissenschaftliche Belege fehlen würden und sie sind auch (meist) zugänglich. Trotzdem werden sie ignoriert - ja bekämpft. Hier gilt es m.E. deshalb auf anderen Ebenen zu arbeiten. Ich bin der festen Überzeugung, dass hier nur der friedliche Dialog vor rechtsstaatlichen Hintergründen und Menschenrechten und viele Jahre, Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte Geduld helfen. Eine andere (theoretische) Möglichkeit wären "Kreuszzüge" im namen der Wissenschaft - diese lehne ich ab.
Zitat:
Zitat von Jörn
Also wie wurde denn nun die Erdkugel geschaffen? Und wer kann darüber am besten Auskunft geben? Der Papst oder die Wissenschaft?
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Ich denke, dass der Papst nicht blöd ist. Und Franziskus ist kein so harter Dogmatiker im Sinne Ratzingers. Ich bin überzeugt, wenn man mit dem spricht, wird er sich sehr gut mit der Urknalltheorie auskenne, wahrscheinlich besser als alle hier mitdiskutierenden. Davon glaube ich kann man ausgehen. Ich denke das der Gute in Sachen Bildung uns alle in die Tasche steckt. Was der aus kirchenpolitischen Gründen sagt, is eine andere Sache denke ich. Schnell gegoogelt fide ich z.B. das:
http://www.spiegel.de/panorama/gesel...-a-999893.html Habe es aber nur quergelesen. Evtl. ist es ja interessant. Obwohl es vom Spiegel ist
Was mich interessieren würde: Was wissen wir den wirklich? Und was sind "nur" Theorien. Ich bin kein Physiker ahbe aber mal beim warten auf nen Räderwechsel irgendwo in einer Zeitschrift gelesen, dass es wohl Untersuchungen gibt, die nahelegen würden, dass das Planksche Wirkungsquantum h über die zeit nicht konstant war/ist, was wohl viele der aktuellen Modelle ins wanken bringen würde? Ganz ehrlich gesagt weiß ich nicht mal genau was das eigentlich heißt, nur erweckt es bei mir den Eindruck, dass man sich nicht an jeder Stelle sicher ist. Dann habe ich mal gelesen, dass man nicht so genau sagen kann, was in einer kurzen Zeit nach dem Urknall (heißt wohl Plankzeit) so alles passiert ist und das da irgendwelche Gesetze nicht gelten. Auch das verstehe ich nicht wirklich erzeugt aber auch den Eindruck, dass manches zwar hervorragend passwende und anwendbare Modelle sind, aber die letzte Sicherheit fehlt. Ich glaube der Lesch hat auf Alpha Centauri mal gesagt, "wir wissen streng genommen erstaunlich wenig." Wie gesagt: Ich habe von all dem noch weniger als halbwissen. Interessant fände ich - falls das hier überhaupt einer überblickt - was wir denn nun wirklich ganz genau wissen?
Zitat:
Zitat von Jörn
Mein Punkt ist, dass Religion bestimmte Dinge für wahr hält, andere jedoch nicht. Es gibt also eine Unterscheidung.
Diese Unterscheidung in wahr und falsch schlägt fehl, und man kann es sowohl religiös als auch wissenschaftlich begründen. Selbst wenn man die Wissenschaft nicht bemüht, fällt auf, dass Religionen den exakt gleichen Sachverhalt unterschiedlich beurteilen. Es gibt so viele Varianten wie es Religionen gibt. Man kann nicht sagen, welche Variante zutrifft.
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Ja genau, weil es die einheitliche Religion ja gar nicht gibt. Was hast du denn nur immer mit dieser Suche nach der einheitlichen Religion? Jeder Grundschüler in Bayern (sogar in Bayern!) kommt bereits erklärt, dass das was in der Bibel steht nicht so wörtlich zu nehmen ist und in den verschiedenen Religionen verschiedene Auslegungen existieren, ja sogar innerhalb der Religionen selbst. Ich sage nur Koran! Halleluja ... welch unterschiedliche Interpretationen der Suren!! Bibel zu großen Teilen auch - deshalb sage ich ja immer Exegese amche ich nicht. Ich bin kein Theologe oder was auch immer ... da muss man dick Ahnung haben um an der Stelle wirklich ernsthafte Beiträge zu liefern.
Zitat:
Zitat von Jörn
Folglich kann eine Religion keinen Anspruch auf Wahrheit erheben, auch wenn man die Wissenschaft ignoriert. Die Religionen scheitern an sich selbst.
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Na freilich. Aber das bezweifelt doch niemand hier, oder?
Zitat:
Zitat von Jörn
Wenn Harald Lesch meint, die Wissenschaft könne zu keinem Ergebnis kommen, dann hat er dadurch nicht bewiesen, dass die Religionen zu einem Ergebnis kommen können.
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Das will er doch gar nicht.
Zitat:
Zitat von Jörn
Die Idee, dass die Religionen keinen Beweis bräuchten (das wäre ja „wissenschaftlich“), macht sich die Suggestion zunutze, es gäbe nur eine einzige Religion. Aber es gibt ca. 3000 Götter und noch mehr Religionen. Und deswegen muss auch die Religion ein Werkzeug haben, um Wahres von Falschem zu unterschieden.
Dieeses Werkzeug ist nicht vorhanden, und damit ist der Fall erledigt. Religionen können in der Frage, was wahr ist, nichts beitragen. Und zwar auch dann nicht, wenn die gesamte Wissenschaft scheitern sollte.
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Ja, ja, ja. Das ist aber doch sowas von glasklar und ich wüsste nicht wer das Gegenteil behauptet, solange wir vom gleichen Kalkül (dem wissenschaftlichen Kalkül) und damit vom gleichen wahr sprechen. Auf Basis eines anderen Kalküls kann eine andere "Wahrheit" entstehen. Aber das interessiert halt die Wissenschaft (mit recht) nicht.
Zitat:
Zitat von Klugschnacker
Nicht privat ist, wenn Millionen oder gar Milliarden Menschen einem bestimmten Glauben anhängen.
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Aber doch schon. Das ist doch Privatsache eines jeden Einzelnen. Von den Staaten die Glauben aufzwingen rede ich jetzt nicht. Denen muss man mit Dialog begegnen - siehe oben.
Zitat:
Zitat von Klugschnacker
Nicht privat ist, wenn Religionen sich Institutionalisieren, etwa in Form von Kirchen. Denn es hat beträchtliche Auswirkungen auf alle Menschen.
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Dem stimme ich dagegen zu.
Zitat:
Zitat von Klugschnacker
Ich meine, es kann nicht schaden, wenn man danach fragt, ob das, was die Kirchen behaupten, wahr ist.
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Für den Bereich, in dem diese Aussagen den Bürger des Staates betreffen stimme ich uneingeschränkt zu. Für den Rest halte ich es so: Geht mich nix an, ist die Privatsache des Gläubigen. Es ist auch deine Sache ob du dich vegan ernährst (was ich gut finde es aber nicht praktiziere) oder nicht.
Zitat:
Zitat von Klugschnacker
Harald Lesch hat mit seiner strikten Trennung von einer religiösen und einer wissenschaftlichen Sphäre unrecht.
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Das sehe ich überhaupt nicht so. Ich denke das ist der einzig vernüftige Weg. Ich würde mich ja überzeugen lassen, wenn es ein Forschungsprojekt gäbe in den naturwissenschaftlichen Disziplinen in denen nach Religiösen Inhalten geforscht werden würde. Oder wenn es irgendwo in den Naturwissenschaften eine Formel, einen term etc. geben würde in dem etwas Religiöses vorkommt. Fakt ist: Religion existiert in der Naturwissenschaft nicht. Daran ändern auch religiöse Wissenschaftler nichts, denn das ist deren Privatvergnügen. Nebenbei: Gott ist nicht gleich Gott. Es steht jedem frei den Bereich des bisher nicht wissenschaftlich Geklärten mit dem Begriff Gott zu bezeichnen. Ich tue das z.B. - ist meine Sache.
Zitat:
Zitat von Klugschnacker
"Schuld" daran ist wohl auch Karl Popper. Er stellte bekanntlich das Dogma auf, der Kern aller Wissenschaft sei die Falsifikation.
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Da hast du den Popper falsch verstanden glaube ich. Ich hab zwar nur "Logik der Forschung" gelesen aber ich kenne alle Philosophen auf denen Poppers Argumentation baut bzw. weswegen sie motiviert ist. Insbesondere Hume und Kant.
Kurz: Popper kritisiert die zu Zeiten Kants und Humes übliche Vorgehensweise der Induktion und das aufstellen von "wissenschaftlichen Behauptungen". Hume hatte daran wenigstens schon Zweifel. Kant dagegen hat da mit dem kategorischen Imperativ, der ja auch vom Besonderen auf's Allgemeine schließen will ja noch voll ins Klo gegriffen. Insbesondere die philosophische Induktion war/ist ja verbreitet.
Popper fordert dagegen eine deduktive Vorgehensweise zum Erkenntnisgewinn. Ausserdem fordert er, dass eine gute wissenschaftliche Behauptung mindestens auch falsifiziert werden können muss. D.h. insbesondere nicht, dass man Erkentnisse durch Falsifizieren gewinnen MUSS. Deduktives Schließen und deduktive Beweißmethoden sind heute völlig geläufig und normal. Jeder kennt die in der Mathematik übliche vollständige Induktion, die ein wissenschaftlich anerkanntes deduktives Beweismittel ist. Selbes gilt z.B. für den Widerspruchsbeweis.
Zitat:
Zitat von Klugschnacker
Lesch lässt unter den Tisch fallen, dass sich diese starken Indizien, welche religiöse Aussagen stützen könnten, nicht finden lassen.
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Das will er ja auch gar nicht, oder täusche ich mich? Nochmal: Das ist ja eh glasklar, dass dem so ist. Muss so sein, weil Religion nix mit Naturwissenschaften zu tun hat. Es gibt kein Projekt, keinen Term, nix.
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Zitat von Jörn
Es ist eine gute Idee, die Falsifizierbarkeit von Religion zu betrachten.
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Nein, ist es nicht. Siehe oben.
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Zitat von Klugschnacker
Aufbauend auf Arnes Posting möchte ich darlegen, warum Religionen an der Falsifizierbarkeit scheitern, selbst wenn man ihnen einen geschützten Bereich außerhalb der Wissenschaft zugesteht.
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Nochmal: Das ist glasklar. Das muss so sein, den Religion hat nix mit Naturwissenschaft zu tun. Genauer: Religion ist nicht Gegenstand naturwissenschaftlicher Untersuchungen. Nochmal: Wo ist das Projekt? Wo ist der Term.
Zitat:
Zitat von Klugschnacker
Also unterlassen wir diese Falsifizierung.
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Ja Halleluja! Endlich!
Ich würde mich gerne an Diskussionen beteiligen darüber was die Wissenschaft eigentlich genau weiß - das interessiert mich ehrlich, oder darüber, wie es gelingt sog. "Gottesstaaten" und Fanatikern mit Mitteln des Dialogs und der gesellschaftlichen Entwicklung zu helfen. Ich würde gerne darüber diskutieren, wie man vielleicht Menschenrechtsverletzungen im "Namen Gottes" verhindern kann.
Aber ich will nicht auf dem wissenschaftlichen Finger auf andere zeigen, nur weil sie an etwas glauben, was wissenschaftlich nicht haltbar ist. Ich will niemanden als Depp oder sonstwas hinstellen - weder direkt noch indirekt. Ich bin kein Dogmatiker: Weder religiös noch wissenschaftlich.
Liebe Grüße und vor allem "hang loose"
H.