Ist das nicht ein bisschen sehr bequem? Dass man einfach umdefiniert, was der Begriff "Wahrheit" meint? Und zwar so, dass einem das Ergebnis am besten in den Kram passt?
Von mir aus können sich die Kirchen und Gläubigen gerne auf solche Sperenzchen verlegen. Das Ergebnis wird sein, dass immer weniger Leute zuhören. Die Leute wissen nämlich sehr gut, was mit dem Begriff "Wahrheit" gemeint ist, und sie brauchen keine klerikale Lehrstunde, die nur dazu dient, den Leuten ein X für ein U vorzumachen.
Ist Jesus der Sohn Gottes? Diese Frage muss mit Ja oder Nein beantwortet werden, ohne zuerst einen langatmigen Exkurs über den Wahrheitsbegriff vom Stapel zu lassen. Hat es ihn gegeben, ja oder nein? Die reine Tatsache ändert sich ja nicht, nur weil jemand die Begriffe umdefiniert. Entweder ist er mit einem Esel durch Jerusalem geritten oder nicht.
Die Idee, die Bibel zu einem sprachlichen Mysterium aufzublasen, finde ich weit hergeholt. Die Fragen, denen sich die Bibel widmet, sind sehr simpel. Es geht dort um einfache Regeln für Opfergaben, Zuständigkeiten, oder die Schlichtung alltäglicher Streitfragen. Die Sprache ist einfach. Es ist überhaupt nicht nötig, sich zu überlegen, ob "420 Schafe" womöglich zu verstehen sind als "überhaupt keine Schafe"; oder ob der Aufruf zum Krieg in Wahrheit eine Mahnung zum Frieden darstellt.
Lediglich der Wunsch mancher Leute, aus der Bibel irgendwelche privaten Thesen herauszulesen, die überhaupt nicht drinstehen, führen zu dem Wunsch, die Texte so lange umzudeuten, bis das Gewünschte herauskommt. Ich finde das nicht überzeugend.
Edit: Ich sehe gerade, dass anlot ein ähnliches Posting veröffentlicht hat, während ich an meinem schrieb.
So sehe ich das auch. Mein vorheriger Versuch auf unterschiedliche Verwendungsweisen von Begriffen hinzuweisen, stieß ja bei den Vatikankritikern auf keine Gegenliebe.
Danke für den link! Der erste Blick sagt: tatsächlich anspruchsvoll, und interessant...
Ist auch meine Perspektive. Danke qbz für den wirklich sehr anspruchsvollen Artikel.
Kannst Du natürlich so machen, es erscheint mir nur völlig sinnlos.
Was bringt das, wenn jeder einfach nach Gutdünken irgendwas unterschiedliches glaubt? Da sich all diese Individualglauben widersprechen, ist doch offensichtlich, dass dann (fast) alle etwas falsches glauben.
Na ja, eigentlich ist das ja schon mit den vielen verschiedenen (inkl. den vergangenen) Religionen nicht viel anders.
Ich stell mir nicht die Frage, welcher Glaube mir etwas bringt. Ich bin halbwegs katholisch erzogen, aber von dieser Basis aus schaue ich mich hier und da um. Es ist doch völlig normal, dass man sich beim ersten Mal, wenn man z.B. von der Auferstehung hört, sich fragt, wie das überhaupt gehen soll. Dazu muss ich nicht 50 Jahre alt sein und in einem Triathlonforum auf die physikalische Unmöglichkeit hingewiesen werden. Ob ich dabei mit anderen Religionen und deren "Vorschriften" in Konflikt komme, ist mir ziemlich egal. Ich bin auf der Suche und werden wohl auch suchend bleiben.
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Lediglich der Wunsch mancher Leute, aus der Bibel irgendwelche privaten Thesen herauszulesen, die überhaupt nicht drinstehen, führen zu dem Wunsch, die Texte so lange umzudeuten, bis das Gewünschte herauskommt. Ich finde das nicht überzeugend.
Edit: Ich sehe gerade, dass anlot ein ähnliches Posting veröffentlicht hat, während ich an meinem schrieb.
Wahr ist, dass Du von naturwissenschaftlicher Wahrheitsfeststellung schreibst und die Kirche kritisierst, weil der Vatikan a) ebenfalls diesen Anspruch habe b) diesen Anspruch nicht erfülle. Die Kritik zu b) teile ich, die Kirche erfüllt nicht den Anspruch an naturwissenschaftlicher Wahrheit. Sie erhebt explizit aber auch nicht (mehr) einen solchen, wie Du immer wieder unterstellst. Da Du diese Wahrheit nicht akzeptierst, wiederholt sich die Debatte an diesem Punkt ständig. Für mich die letzte Wiederholung, weil ich schon xfach darauf hinwies, es schliesst sich aus, einen empirischen Gottesbeweis zu verlangen, wo die Kirche Gott ausserhalb des erfahrbaren Universums verortet.
Diese Definitionen haben auch mit "Privatglaube" wenig zu tun, es handelt sich um offizielle Lehrmeinungen im Vatikan, die Du inbezug auf den Wahrheitsbegriff falsch rezipierst und interpretierst.
"Der aktuelle Papst Franziskus[74] und sein Vorgänger, Papst Benedikt XVI.[75], beschrieben Wahrheit als Beziehung der Menschen zu Gott, über die jedoch niemand absolut verfügt, sondern die im Rahmen eines Weges immer neu erschlossen werden muss." (= transzendentale Wahrheit). https://de.wikipedia.org/wiki/Wahrhe...iche_Theologie
Selbstverständlich bedeutet das auch Rückzug der Kirche auf ihren Kern, den Glauben.
Für mich die letzte Wiederholung, weil ich schon xfach darauf hinwies, es schliesst sich aus, einen empirischen Gottesbeweis zu verlangen, wo die Kirche Gott ausserhalb des erfahrbaren Universums verortet.
Ach so, das wusste ich nicht. Gott liegt aus Sicht der Kirche außerhalb des erfahrbaren Universums?
Das würde bedeuten, dass Gott keinerlei Auswirkungen auf die Welt haben kann. Denn diese Auswirkungen auf die Welt wären prinzipiell erfahrbar, selbst wenn Gott selbst nicht erfahrbar wäre.
Angenommen, ich postulierte als Physiker die Existenz einer neuartigen Kraft. Sie durchdringt angeblich das gesamte Universum, hat jedoch keinerlei Auswirkungen. Sie ist prinzipiell unsichtbar und bewirkt nichts. Man würde mir vorhalten: Wenn sie nichts bewirkt, ist sie auch keine Kraft.
Wie ist das mit einem Gott, der per Definition auf keine Weise erfahrbar ist, da er "außerhalb des erfahrbaren Universums" liege? Ein Gott, der keinerlei Auswirkungen auf die Welt haben kann? Mir erscheint diese Theologie als eine neue Fassung des Märchens "Des Kaisers neue Kleider".
Ein Gott, der keinerlei Auswirkungen auf die Welt hat und haben kann, macht für mich vieles plausibel. Zum Beispiel, warum Tiere in einer Welt von unvorstellbarer Grausamkeit leben müssen (sie fressen sich gegenseitig bei lebendigem Leibe), oder warum Hitler drei Attentate überlebte, oder warum die Ureinwohner Amerikas von Seuchen dahingerafft wurden, als die Weißen kamen und ihr Land stahlen. Warum essen kleine gelbe Würmer die Augäpfel von ungeborenen Babys im Mutterleib? Die Antwort ist ein Gott, der keinerlei Auswirkungen auf die Welt hat und haben kann.
Soweit wie ich es verstehe, verwende(te)n die Menschen unterschiedliche Wahrheitsbegriffe. Der Vatikan versteht mit der "Wahrheit der Offenbarung in der Bibel" bestimmt nicht den naturwissenschaftlichen Wahrheitsbegriff von Jörn und Arne, sondern entweder eine ontologische Wahrheit oder eine transzendentale Wahrheit.
Was unterscheidet denn eine "transzendentale Wahrheit" von einem spontanen Einfall meiner Nachbarin? Die Frage ist ernst gemeint.