Was mich mal interessieren würde ist ob aus Deiner Sicht ein Kind einen Vater und eine Mutter braucht? Ich meine ja und das wäre für mich ein Punkt, wofür ich der Kirche eventuell auch Geld gäbe.
Ich weiß es nicht. Viele Kinder sind nicht von Vater und Mutter groß gezogen worden, sondern von Opa und Oma, oder von Mutter und Großmutter, oder von Vater und Großtante, oder von Mutter und ihrem Freund. Oder nur von Mama oder nur von Papa.
Noch vor zwei, drei Generationen haben sich die Väter unseres Kulturkreises oftmals wenig um die emotionalen Bedürfnisse ihrer Kinder gekümmert – dafür waren eher die Mütter zuständig, während sich die Väter als Ernährer der Familie sahen. Heute favorisieren wir zunehmenden andere Rollenbilder, zum Beispiel, wenn Väter Elternzeit nehmen oder Mütter voll berufstätig sind.
Ob es nun genau einen einzigen Weg gibt, der für Kinder klar der beste ist, weiß ich nicht. Und welcher das wäre. Möglicherweise gibt es zahlreiche gute Wege, um Kinder zu erziehen und auf die Welt vorzubereiten. Mir scheint, dass Kinder in erster Linie Liebe, Geduld, Zuwendung und Sicherheit brauchen. Ich würde ein Kind lieber in einem liebevollen lesbischen Haushalt sehen, als in einem lieblosen heterosexuellen. Allerdings bin ich auch durch eine liberale Grundhaltung vorgeprägt und sicher kein geeigneter Schiedsrichter in diesen Fragen. So etwas wird glücklicherweise mit wissenschaftlichen Methoden untersucht und auch beantwortet.
Behauptungen, der Schöpfer des Weltalls habe sich in dieser Frage bestimmten Personen mitgeteilt, halte ich für gelogen.
Generell halte ich naturalistische Argumente für bedenkenswert, aber meist wenig hilfreich. Wir können uns nicht so verhalten, wie "die Natur" es eingerichtet hat, als es noch keine Kultur gab. Falls der Papst findet, der Mensch müsse nach dem "Gesetz der Natur" leben, sollten wir ihn daran erinnern, wenn er sich mal den Blinddarm rausnehmen lassen will oder in ein Flugzeug steigt. Beides verstößt ebenfalls gegen "die Natur".
Generell ist alle Kultur und deren Weiterentwicklung stets gegen die ursprüngliche, als "natürlich" etikettierte Lebensform gerichtet. Wir verzehren unser Essen nicht mehr roh, leben in Hochhäusern, fahren in U-Bahnen, benutzen Verhütungsmittel, spielen mit Computern, diskutieren in Foren, spähen ins Weltall, implantieren künstliche Hüftgelenke, feiern Weihnachten in Kirchen, beheizt mit Strom aus dem Atomkraftwerk. Nichts davon ist natürlich, sofern man diesen Begriff für eine vorkulturelle Lebensform reserviert.
Auch eine Priesterkaste, die sich selbst nicht fortpflanzt, ist nicht natürlich. Warum pickt man aus all diesen kulturellen Verhaltensweisen nun jene heraus, die im Kontext mit gleichgeschlechtlich liebenden Paaren stehen, und wirft ihnen die Unnatürlichkeit vor?
Mir scheint, das naturalistische Argument ist hier nur vorgeschoben.
Interessantes und gut durchdachtes Posting, Arne!
Sagt mir durchaus zu.
__________________ "Sport hat die Kraft, die Welt zu verändern. Er hat die Kraft, zu inspirieren. Er hat die Kraft, Menschen zu vereinen, wie es sonst nur weniges kann. Sport kann Hoffnung erwecken, wo vorher nur Verzweiflung war." (Nelson Mandela)
Dieses Interview finde ich lesenswert, danke für den Hinweis. Ich glaube auch zu verstehen, was Du in dieser Diskussion sagen willst; dass die Dinge komplexer sind und man es sich zu einfach macht, die christliche Kirche zu kritisieren, weil es heutzutage nicht weh tut, während andere kritikwürdige Phänomene aus Deiner Sicht weniger hinterfragt werden (Islam in Deutschland, Rüstungsindustrie etc.)
Das kann ich auch teilweise nachvollziehen; mich wundert beispieslweise auch das Verständnis von ansonsten für Feminismus eintretenden Menschen für das Kopftuchgebot in deutschen islamischen Familien; der intellektuelle Spagat zwischen Religionsfreiheit und Frauenrechten ist mir persönlich zu groß. Ähnliches gilt für Beschneidungen Minderjähriger in Deutschland u.a.m.
Es fällt mir aber immer wieder schwer, Dir zuzustimmen, weil Deine Argumentation so von der Kirche wegweist, als gäbe es dort nichts. Das institutionelle Versagen der Kirche im Zusammenhang mit dem massenhaften Missbrauch will ich aber nicht relativieren zB mit Hinweisen auf Rüstungsexporte nach Saudiarabien oder die Unterdrückung der Frau in der muslimischen Gesellschaft.
Generell halte ich naturalistische Argumente für bedenkenswert, aber meist wenig hilfreich. Wir können uns nicht so verhalten, wie "die Natur" es eingerichtet hat, als es noch keine Kultur gab. Falls der Papst findet, der Mensch müsse nach dem "Gesetz der Natur" leben, sollten wir ihn daran erinnern, wenn er sich mal den Blinddarm rausnehmen lassen will oder in ein Flugzeug steigt. Beides verstößt ebenfalls gegen "die Natur".
Diese Aspekte finde ich interessant.
Ich denke wir haben es derzeit teilweise eher mit einer nahezu kategorischen Ignoranz und Verleugnung der Natur zu tun, was auf Dauer zwangsläufig nach hinten losgehen "muß".
Zitat:
Generell ist alle Kultur und deren Weiterentwicklung stets gegen die ursprüngliche, als "natürlich" etikettierte Lebensform gerichtet.
Ich würde spontan einwerfen :
Kultur und deren Weiterentwicklung stellt recht oft eine Lösung der Probleme/Aufgaben dar, vor die uns die Natur stellt.
Im fröhlichen Freiheitswahn nun alle bisher entstandenden Lösungen über Bord zu schmeißen und beliebig neue zu erfinden, die mit der Aufgabenstellungen nichts mehr zu tun haben, ist vielleicht erstmal ein schöner Rausch, aber ...
Zitat:
Nichts davon ist natürlich, sofern man diesen Begriff für eine vorkulturelle Lebensform reserviert.
Man müßte sich wohl auch einigen, was man unter Natur/natürlich verstehen will.
Im fröhlichen Freiheitswahn nun alle bisher entstandenden Lösungen über Bord zu schmeißen und beliebig neue zu erfinden, die mit der Aufgabenstellungen nichts mehr zu tun haben, ist vielleicht erstmal ein schöner Rausch, aber ...
Das ist eine Übertreibung. Weder werden alle bisherigen Lösungen über Bord geworfen, noch sind die neu hinzugekommenen durch Beliebigkeit entstanden.
"Wahnhaft" sind aus meiner Atheistensicht am ehesten bestimmte religiöse Vorstellungen, etwa, der Mensch müsse Tiere bei der Schlachtung lebendig verbluten lassen, sein Haar verhüllen, Opfergaben bringen, sein Geschlecht beschneiden, Sünden beichten, sich vor der Hölle fürchten und so weiter.
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Noch vor zwei, drei Generationen haben sich die Väter unseres Kulturkreises oftmals wenig um die emotionalen Bedürfnisse ihrer Kinder gekümmert – dafür waren eher die Mütter zuständig, während sich die Väter als Ernährer der Familie sahen. Heute favorisieren wir zunehmenden andere Rollenbilder, zum Beispiel, wenn Väter Elternzeit nehmen oder Mütter voll berufstätig sind.
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Generell ist alle Kultur und deren Weiterentwicklung stets gegen die ursprüngliche, als "natürlich" etikettierte Lebensform gerichtet. Wir verzehren unser Essen nicht mehr roh, leben in Hochhäusern, fahren in U-Bahnen, benutzen Verhütungsmittel, spielen mit Computern, diskutieren in Foren, spähen ins Weltall, implantieren künstliche Hüftgelenke, feiern Weihnachten in Kirchen, beheizt mit Strom aus dem Atomkraftwerk. Nichts davon ist natürlich, sofern man diesen Begriff für eine vorkulturelle Lebensform reserviert.
Auch eine Priesterkaste, die sich selbst nicht fortpflanzt, ist nicht natürlich. Warum pickt man aus all diesen kulturellen Verhaltensweisen nun jene heraus, die im Kontext mit gleichgeschlechtlich liebenden Paaren stehen, und wirft ihnen die Unnatürlichkeit vor?
Mir scheint, das naturalistische Argument ist hier nur vorgeschoben.
Unsere Vorstellungen heute über Kindererziehung und die Kleinfamilie, die auf einer Liebesheirat gründet, sind wie Du schreibst überhaupt nicht naturgegeben, wie sicher auch Trimichi weiss. Sie bildeten sich erst langsam und erst spät in der Neuzeit heraus. Man heiratete davor mit dem Ziel der Vermehrung bzw. Erhalt des Besitzes und die Kinder wurden oft Ammen gegeben, soweit sich das Elternhaus dieses finanziell erlauben konnte.
"Von 21 000 Geburten der Stadt Paris im Jahr 1780 wurden 17 000 Kinder zu Ammen aufs Land gebracht. 700 genossen das Privileg einer Säugamme, die nach Hause kam. 2000 bis 3000 Kinder wurden in Heimen abgegeben, und nur 700 Kinder blieben bei ihren Müttern. In Hamburg sahen die Zahlen nicht viel anders aus: im 18. Jahrhundert waren 4000 bis 5000 Ammen in der Hansestadt beschäftigt. Stillen galt als lächerlich und ekelhaft, weder als amüsant noch als schick. Sollten doch andere diese lästige Arbeit erledigen."
So stellte man sich vor, dass die Mutter und die Amme den Charakter des Kindes prägen: "Lange Zeit ging man davon aus, dass Muttermilch umgewandeltes Menstruationsblut sei: Während der neun Monate im Bauch der Mutter wurde das Kind von diesem Blut gelabt, nach der Geburt vom umgewandelten Blut aus der Brust. Da sei es ja kein Wunder, dass sich der Charakter der Amme auf das Kind übertrug. Wenn ein Junge die Milch einer zu hitzigen Amme trank, konnte er zu weibisch werden, Mädchen, die nicht die Milch einer charakterlich ähnlichen Frau genossen, zu männisch." Empfehlenswerte Berufsgeschichte der Amme
Nach der Amme übernahmen oft die Dienstmädchen oder eine Magd die weitere Versorgung des Kindes.
Die Kinder wuchsen über viele Jahrhunderte mit 2 oder mehreren Frauen auf, welche die Kinder mehr oder weniger mütterlich versorgten.