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Alt 13.05.2018, 11:58   #11961
keko#
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Zitat:
Zitat von Klugschnacker Beitrag anzeigen
Was ist wörtlich zu nehmen, was ist im übertragenen Sinne gemeint – und in welchem?

Was das Christentum betrifft, führen diese Gedanken unweigerlich zu der zentralen Frage, ob Jesus aus Nazareth nach seinem Tod wieder lebendig wurde und auf der Erde wandelte oder nicht. War er ein Gott oder ein Mensch?

Vor dieser entscheidenden Frage kann man sich nicht drücken, wenn man es mit dem christlichen Glauben ernst meint.
Ich sehe mich als zweifelnden Christ, so wie sich unser Ministerpäsident selbst auch bezeichnet hat. Da ich mich selbst auch nicht intelligenter als ein Durchschnittstyp von vor 1000 Jahren ansehe, vermute ich, dass einige Menschen auch damals an Geschichten dass z.B. Jesus über das Wasser lief oder wiedergeboren wurde, ihre dicken Zweifel hatten.
Der "offizielle Kirchenglaube" ist an zu vielen Stellen politisch motiviert. Das ist bei Staaten, riesigen Unternehmen usw. ähnlich. Da bin ich grundsätzlich skeptisch. Als Christ "flüchte" ich in meinen Privatglauben, als Arbeitnehmer in mein Team und meine unmittelbare Aufgaben, als Deutscher in meine kleine Welt, die ich versuche in Ordnung zu halten. Ich kann trotzdem Christ, guter Angestellter und ordentlicher Bürger sein (z.B.: Ich kenne unseren obersten Chef nur aus dem Fernseh). So wie jeder meiner Kollegen aus verschiedenen Gründen zur Arbeit geht, kann man aus verschiedensten Gründen Christ sein. Insgesamt passt das bei mir mit der kath. Religion. Das möge man auch mir selbst überlassen, warum das so ist.
keko# ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.05.2018, 12:26   #11962
Klugschnacker
Arne Dyck
triathlon-szene
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Zitat:
Zitat von keko# Beitrag anzeigen
Als Christ "flüchte" ich in meinen Privatglauben... Ich kann trotzdem Christ... sein.
Nein, kannst Du nicht. Du bist definitiv kein Christ. Sonst wäre Jörn ebenfalls Christ.

Eventuell haben Deine weltanschaulichen Überzeugungen hier und da Parallelen zum Christentum, aber das trifft auf fast jeden Menschen dieser Welt zu. Du glaubst aber keine einzige christliche Aussage, die tatsächlich des Glaubens bedarf. Das Prinzip der Nächstenliebe bedarf beispielsweise keines Glaubens.

Deine berechtigterweise undeutlichen Überzeugungen oder Ahnungen über den Schöpfer des Universums, und was er vom Homo sapiens will, wird dagegen vom Christentum nicht geteilt.

Zitat:
Zitat von keko# Beitrag anzeigen
Das möge man auch mir selbst überlassen, warum das so ist.
Selbstverständlich. Jeder soll glauben, was er will (oder seine Eltern wollten).

----

Vielleicht wäre folgender Gedankengang etwas für Dich:

1. Niemand kann etwas über die Götter wissen. Keine Religion kann sich auf göttliches Wissen berufen. Jesus war Mensch. Die Bibel wurde von Menschen und nur von Menschen verfasst.

2. Wir wissen nicht, ob Götter existieren. Niemand kann das wissen. Keine Religion kann dieses Wissen für sich beanspruchen. Nichts lässt sich unter Berufung auf Gott rechtfertigen oder motivieren.

3. Das Evangelium existiert. Wir können nachsehen, was an Nützlichem und Gutem für die heutigen Generationen darin enthalten ist. Damit können wir uns gesellschaftlich und persönlich auseinandersetzen, ohne uns dabei auf Götter zu berufen.

4. Was ist "gut"? Gut ist, was Leid mindert, und zwar möglichst für alles Leben auf der Welt. Das bedeutet, wir richten uns nach dem Leid und seiner Verringerung. Wir richten uns nicht nach Göttern (siehe Punkt 1 und 2).

5. Das Christentum wird durch den Verzicht auf angeblich göttliches Wissen besser. Denn es öffnet sich dadurch einer Entwicklung, anstatt als Kuriosität im Museum der menschlichen Geschichte zu landen, so wie alle anderen Religionen zuvor.

Wie immer: No offense und Danke für die Diskussion.
Klugschnacker ist gerade online   Mit Zitat antworten
Alt 13.05.2018, 16:03   #11963
keko#
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Zitat:
Zitat von Klugschnacker Beitrag anzeigen
Nein, kannst Du nicht. Du bist definitiv kein Christ. Sonst wäre Jörn ebenfalls Christ.

Eventuell haben Deine weltanschaulichen Überzeugungen hier und da Parallelen zum Christentum, aber das trifft auf fast jeden Menschen dieser Welt zu. Du glaubst aber keine einzige christliche Aussage, die tatsächlich des Glaubens bedarf. Das Prinzip der Nächstenliebe bedarf beispielsweise keines Glaubens.
Kann man Christsein messen? Kann man Glauben messen?

Kann ich Globalisierungsgegener sein und trotzdem in einem internationalen Unternehmen arbeiten? Darf ich dort als Atheist "Weihnachtsgeld" annehmen? Kann ich ein Grüner sein und trotzdem 2x im Jahr in Urlaub fliegen? Bin ich noch irgendwie Humansist, wenn mein Kleiderschrank mit Billigkleidung gefüllt ist? Darf ich jemanden Rassist nennen, wenn ich mein eigenes Kind in einem anderen Stadtteil in eine Privatschule schicke?
Wir sollten nicht zu hohe Maßstäbe anlegen.
keko# ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.05.2018, 16:26   #11964
Jörn
Esst mehr Gemüse
 
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Natürlich kann man Glauben messen, ansonsten wäre ja zwischen Dir und mir keinerlei Unterschied feststellbar.

Man misst eben nicht in Kilogramm. Aber man kann ein Profil erstellen, mit zahlreichen Fragen a la "Glaubst Du an XY, ja/nein?"

Ob Du 2x in den Urlaub fliegst, ist dafür doch überhaupt nicht relevant. Ist das nicht wieder ein klassischer Strohmann? Eine gewisses Maß von "Abweichung" von der reinen Lehre gestehen Dir die christlichen Kirchen ja zu. Das bedeutet aber nicht, dass plötzlich alles und jedes möglich wäre, und man dann immer noch Christ wäre.

Das Christentum ist hinreichend exakt definiert, und zwar anhand des Glaubensbekenntnisses (Wikipedia). Es lässt genügend Spielraum, ist aber in den zentralen Eckpunkten klar genug für die nötige Abgrenzung. Nach diesem Glaubensbekenntnis bist Du kein Christ.

Laut Wikipedia müsstest Du folgende Behauptungen für wahr halten, um ein Christ zu sein:
Jesus ist nach christlichem Glaubensverständnis zugleich wahrer Gott und wahrer Mensch. Die christliche Lehre, die auf dem biblischen Zeugnis basiert, hat folgenden zentralen Inhalt: Gott wandte sich in der Menschwerdung („Inkarnation“) in seinem Sohn Jesus Christus der in Sünde verstrickten Menschheit zu; der Tod Jesu Christi am Kreuz bewirkte die Erlösung durch Beseitigung von Schuld und Sünde der Menschheit.
Jörn ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 14.05.2018, 14:39   #11965
keko#
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Zitat:
Zitat von Jörn Beitrag anzeigen
Natürlich kann man Glauben messen, ansonsten wäre ja zwischen Dir und mir keinerlei Unterschied feststellbar.

Man misst eben nicht in Kilogramm. Aber man kann ein Profil erstellen, mit zahlreichen Fragen a la "Glaubst Du an XY, ja/nein?"

Ob Du 2x in den Urlaub fliegst, ist dafür doch überhaupt nicht relevant. Ist das nicht wieder ein klassischer Strohmann? Eine gewisses Maß von "Abweichung" von der reinen Lehre gestehen Dir die christlichen Kirchen ja zu. Das bedeutet aber nicht, dass plötzlich alles und jedes möglich wäre, und man dann immer noch Christ wäre.

Das Christentum ist hinreichend exakt definiert, und zwar anhand des Glaubensbekenntnisses (Wikipedia). Es lässt genügend Spielraum, ist aber in den zentralen Eckpunkten klar genug für die nötige Abgrenzung. Nach diesem Glaubensbekenntnis bist Du kein Christ.

Laut Wikipedia müsstest Du folgende Behauptungen für wahr halten, um ein Christ zu sein:
Jesus ist nach christlichem Glaubensverständnis zugleich wahrer Gott und wahrer Mensch. Die christliche Lehre, die auf dem biblischen Zeugnis basiert, hat folgenden zentralen Inhalt: Gott wandte sich in der Menschwerdung („Inkarnation“) in seinem Sohn Jesus Christus der in Sünde verstrickten Menschheit zu; der Tod Jesu Christi am Kreuz bewirkte die Erlösung durch Beseitigung von Schuld und Sünde der Menschheit.
Summum ius, summa iniuria ...

Auch für mich ist in der Kirche ein Plätzchen. Es wird längst nicht so eng geglaubt, wie du hier darstellst. Du wirst dich dahingehend aber nicht öffnen, denn würdest du das tun, müsstest du eingestehen, dass das mit dem Glauben gar nicht so schrecklich und engstirnig ist und dein Kartenhäuschen würde einstürzen.
Auch der Platz vor der kleinen Mosche in unserer Nachbarschaft, die ich kürzlich erwähnte, gleicht jedes Wochenende mehr einem kleinen Volksfest. (Von dieser Gemeinschaft, die ich dort sehe, können wir Bio-Deutsche mittlerweile viel lernen.)
keko# ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 14.05.2018, 15:03   #11966
waden
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Beiträge: 1.121
Zitat:
Zitat von keko# Beitrag anzeigen
Summum ius, summa iniuria ...

Auch für mich ist in der Kirche ein Plätzchen. Es wird längst nicht so eng geglaubt, wie du hier darstellst. Du wirst dich dahingehend aber nicht öffnen, denn würdest du das tun, müsstest du eingestehen, dass das mit dem Glauben gar nicht so schrecklich und engstirnig ist und dein Kartenhäuschen würde einstürzen.
Auch der Platz vor der kleinen Mosche in unserer Nachbarschaft, die ich kürzlich erwähnte, gleicht jedes Wochenende mehr einem kleinen Volksfest. (Von dieser Gemeinschaft, die ich dort sehe, können wir Bio-Deutsche mittlerweile viel lernen.)
Aber wenn Du nicht glaubst, dass Gott in Jesus Christus Mensch wurde, bist Du nicht Christ. Hier geht es nicht um (aus höherer Warte betrachtet) unkorrekte Buchstabenklauberei, sondern um das zentrale Glaubensthema des Christentums. Wenn Du das nicht glaubst, und dich trotzdem als Christ siehst, wer ist dann nicht Christ?
waden ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 14.05.2018, 15:29   #11967
Jörn
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Beiträge: 3.499
Zitat:
Zitat von keko# Beitrag anzeigen
Auch für mich ist in der Kirche ein Plätzchen. Es wird längst nicht so eng geglaubt, wie du hier darstellst.
Dem stimme ich zu. Der Glaube der Privatleute ist nicht eng, sondern beliebig. Die Kirche hat Platz für diese Leute, sofern sie a) ihre Kirchensteuern bezahlen und b) den Mund halten.

Sobald sie jedoch nicht mehr den Mund halten, und (Gott behüte!) vorschlügen, man könne über die erneute kirchliche Heirat von Geschiedenen nachdenken, oder dass die Jungfrau Maria vielleicht gar keine Jungfrau gewesen sei, tauchen die bleichen Vampirgestalten* des Vatikans auf und kassieren Dich ein.

Von den Kritikern wird diese Zweiteilung der Kirche immer betont:
  • Von den Mitgliedern aus betrachtet ist es eine esoterische Sekte. Die Mitglieder glauben weniger an einen historischen Zauberjesus, als vielmehr an "das Gute" oder eine "kosmische Ordnung" oder eine "Ur-Energie" oder dem, was "Jesus uns wirklich zu sagen hatte", oder an Maria, oder irgendeinen Heiligen. Hier ist Religion nicht viel mehr als der Standpunkt: "Ich muss nichts begründen, und niemand darf mich kritisieren".
  • Von den offiziellen Vertretern her betrachtet besteht kaum ein Unterschied zur Kirche aus dem Jahr 1400. Die Lehre wird schriftlich exakt fixiert. Lediglich die Riten haben sich mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil in den 60er-Jahren etwas gelockert; die Inhalte sind im Wesentlichen gleich. Wissenschaft, Aufklärung, und Welterkenntnis sind weitgehend spurlos an diesem Teil der Kirche vorbeigezogen.

Zitat:
Zitat von keko# Beitrag anzeigen
Du wirst dich dahingehend aber nicht öffnen, denn würdest du das tun, müsstest du eingestehen, dass das mit dem Glauben gar nicht so schrecklich und engstirnig ist und dein Kartenhäuschen würde einstürzen.
Nein, denn ich gebe ja freimütig zu, dass der Glaube nicht engstirnig ist. Aber meine Kritik zielt auf den unbegründeten Glauben per se. Ich kann das gerne weitere 500 mal wiederholen; aber der Einwand "Ätsch, ich glaube ja was leicht anderes!" entkräftet meine Kritik nicht. Meine Kritik beruht darauf, dass Glaube erfunden ist und der prüfbaren Wirklichkeit widerspricht; folglich kann er nicht zum Maßstab gemacht werden.

Ich kann dies gerne anhand Deiner eigenen, privaten Religions-Definition anschaulich machen, die Du neulich formuliert hattest. Das mache ich in einem späteren Posting, da es etwas Arbeit erfordert.

------
*Nietzsche :-)
Jörn ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 15.05.2018, 02:33   #11968
Jörn
Esst mehr Gemüse
 
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Registriert seit: 22.09.2006
Beiträge: 3.499
Es wird immer wieder eingewendet, dass die Religionskritik sich an einem Glauben abarbeiten würde, den niemand mehr glaubt. keko argumentiert häufig in diese Richtung.

Das Schema funktioniert wie folgt: Formuliert man eine generelle Kritik, wird eingewendet, man müsse sich auf den spezifischen Glauben des Einzelnen beziehen, ansonsten sei die Kritik nicht legitim. Bezieht man sich dann auf den spezifischen Glauben des Einzelnen, wird eingewendet, diese Einzelfälle könne man nicht generalisieren.

Ich möchte nun darlegen, warum sowohl der spezifische Glaube des Einzelnen, als auch eine generelle Glaubensrichtung falsch sind, weil der Glaube per se falsch ist (also unabhängig vom Inhalt).

Meine Argumentation folgt diesem zweigeteilten Schema: Zuerst werde ich einen spezifischen Glauben untersuchen, um ihn anschließend zu generalisieren. Ich werde darlegen, warum beide Ansätze falsch sein müssen, und zwar aus Prinzip.

-----


Hier ist also die spezifische Definition von keko:

Zitat:
Zitat von keko# Beitrag anzeigen
"Religion definiere ich als »Den Glauben an eine übermenschliche Ordnung, die keinen menschlichen Launen entspringt und nicht auf menschliche Vereinbarungen zurückgeht«".
Diese Definition unterscheidet zwischen der Herkunft ("die keinen menschlichen Launen entspringt und nicht auf menschliche Vereinbarungen zurückgeht") und dem eigentlichen Inhalt ("Ordnung").

Bei näherer Betrachtung ist die "Herkunft" nur insoweit interessant, als dass sie eine nicht hinterfragbare Autorität garantiert. Der entscheidende Punkt ist also die Autorität, und weiter, dass sie nicht mehr hinterfragt oder überboten werden kann. Sie hat jedenfalls eine höhere Autorität als (Zitat) "menschliche Vereinbarungen". Am Ende geht es also um die höchste Autorität, die eine Ordnung schafft, die verbindlich ist.

Aber was bedeutet "Ordnung"? Man kann Dinge ordnen (z.B. könnte könnte man die Kreisbahnen der Planeten festlegen), oder man kann Gebote verordnen (z.B. "Du solltest nicht töten"). Wenn es unsere Lebensführung betreffen soll, geht es also um "Verordnungen", d.h. es geht um verbindliche Regeln, nach denen wir Menschen unser Handeln ausrichten (müssen). Diese Unterscheidung ist wichtig, weil uns diese Ordnung ansonsten völlig egal sein könnte. Niemand schert sich um die Kreisbahn von Pluto.

kekos Definition würde also lauten: Eine höchste Autorität, die eine verbindliche Ordnung vorgibt, die unser Handeln betrifft.

-----


Nachdem nun die Definition des persönlichen Glaubens erfolgt ist, bieten sich ein paar Überprüfungen an.

Nehmen wir an, ich verstoße testweise gegen die verbindliche Ordnung. Ich handle also entgegen der Ordnung. Was würde mir passieren?

Wenn nichts passiert...
  • Wäre es dann verbindlich? Die Verbindlichkeit erfordert eine Sanktion. Ansonsten könnte ich ja tun, wozu ich lustig bin.
  • Was bindet mich an die Vorschrift? Wenn mich nichts bindet, dann ist es keine Vorschrift, sondern ein netter Rat.
  • Wie erweist sich hier eine überlegene Autorität? Wenn ich mich über die Autorität einfach hinwegsetzen kann, dann ist diese Autorität damit nivelliert. Ich selbst bin dann die höchste Autorität meines Handelns. Ich könnte auch einfach zum Islam konvertieren, und nach einer Woche zum Hinduismus. Oder ich rufe mich selbst als Gott aus. Oder (das wäre allerdings extrem albern) zu seinem Stellvertreter.

Man sieht: Die Definition macht keinen praktischen Sinn für unseren Alltag, sofern sie nicht auch Sanktionen androht. Verbindlichkeit impliziert Sanktionen.

Die Definition wird also zu: Eine höchste Autorität, die eine verbindliche Ordnung vorgibt, die unser Handeln betrifft, und die Abweichungen bestraft.

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Testen wir weiter. Erneut verstoße ich aus Neugier gegen die Gebote und werde diesmal bestraft. Verbindlichkeit, Ordnung und Autorität bleiben dadurch intakt. Man beachte, dass hier zum ersten Mal eine Art von "Gerechtigkeit" auftaucht, wenn auch nur in Form von "gerechter Strafe".

Aber was wäre, wenn ich zu meiner Verteidigung eine Begründung vortragen würde? Nehmen wir an, ich hätte für alles einen guten Grund. Oder ich hätte eine App, die per Knopfdruck eine Ausrede erzeugt. Oder ich würde einer Religion anhängen, die mir konträre Gebote auferlegt. Oder ich würde allgemein jede Religion rundweg ablehnen. Würde das die Bestrafung verhindern?

Nein, denn ansonsten würde erneut jeder tun, was ihm gefällt. Ausreden sind billig. Wieder wären Verbindlichkeit, Ordnung und Autorität untergraben. Das bedeutet, dass eine Verteidigung ausgeschlossen ist; denn eine Verteidigung macht nur dann Sinn, wenn sie zumindest im Prinzip erfolgreich sein könnte; und das kann sie nicht sein, wenn der Ankläger die höchste Autorität besitzt. Denn welcher Richter sollte die Autorität haben, über "Gott" zu urteilen? Wäre der Richter dann nicht selbst die höchste Autorität? Wäre es dann nicht folgerichtig, gleich den Richter anzubeten?

Wer eine "höchste Autorität" postuliert, sagt damit automatisch, dass eine Verteidigung oder das Vortragen von Ausreden ausgeschlossen ist.

Nun könnte man einwenden: Ein sehr gerechter Gott könnte Ankläger und Richter zugleich sein und dennoch stets gerecht bleiben. Aber was wäre, wenn ich testweise sage: "Ich erkenne die Autorität des Gerichts nicht an". Hätte ich hier eine Chance? Nein. Nehmen wir an, ich würde sagen: "Ich bin selbst das Gericht". Hätte ich eine Chance? Nein. Gott hätte mich am Schlafittchen, so oder so. Ich bin ausgeliefert.

Die Definition wird also zu: Eine höchste Autorität, die eine verbindliche Ordnung vorgibt, die unser Handeln betrifft, und die Abweichungen bestraft, und gegen die keine Einwände vorgebracht werden können.

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Man beachte, dass damit auch die höfliche Frage nach einer Begründung für die Gebote sinnlos wird. Wenn Abweichungen sowieso unmöglich sind, ist es auch einerlei, ob jemandem die Begründung einleuchtet; er muss sich ja so oder so an die Gebote halten.

Außerdem kann "Gott" nicht darauf warten, bis dem letzten Depp irgendwas einleuchtet. Stattdessen werden die Gebote verkündet, und allein die göttliche Autorität ist Garant dafür, dass die Begründung schon irgendwie sinnvoll sein würde, sofern man sie wüsste. Man muss sie aber gar nicht wissen.

Die Definition wird also zu: Eine höchste Autorität, die eine verbindliche Ordnung vorgibt, die unser Handeln betrifft, und die Abweichungen bestraft, und gegen die keine Einwände vorgebracht werden können, und die nicht begründet wird.

Ist meine schrittweise Erweiterung der Definition ein Trick? Im Grunde habe ich lediglich den Aspekt der Verbindlichkeit etwas ausformuliert. Die nach und nach vorgenommenen Erweiterungen waren jedoch schon von Anfang an im Wort "verbindlich" enthalten. Es soll dadurch etwas greifbarer werden, was eine "verbindliche Ordnung" in der Praxis bedeutet. Wer sich also mit meinen Erweiterungen nicht anfreunden kann, kann diese einfach weglassen; solange das Wort "verbindlich" enthalten bleibt, ist der Sinn identisch. Und wenn das Wort "verbindlich" rausfliegt, ist die Debatte sowieso sinnlos.

-----


Was bedeutet das alles?

Schrittweise wurde eine harmlose, eher esoterisch wirkende Formel immer präziser, und dadurch auch bösartiger, bis sie am Schluss eine völlige Unterwerfung verlangte: Abweichungen wurden bestraft, Einwände erwiesen sich als unmöglich, und sogar Begründungen wurden überflüssig. Es ist die vollkommene Diktatur.

Wie war diese Verwandlung möglich? Möglich wurde sie allein durch das Ausrufen einer "höchsten Autorität" und dem Verlangen nach "Ordnung" -- dies führte zur Verbindlichkeit, denn Ordnung braucht Verbindlichkeit. Verbindlichkeit jedoch erfordert Strafen.

Sobald eine Definition die Zutaten "höchste Autorität" und "Ordnung" hat, wird das Gebräu irgendwann explodieren. Diese Zutaten sind das Gift aller Religionen. Es sind Instrumente zur Unterwerfung, die den Vorzug haben, dass sie nicht begründet werden müssen.

-----


Wo ist nun das Problem?

Eine solche Religion (oder "Idee") ist unmoralisch. Wer bereit ist, Ordnungen festzuschreiben oder gar Strafen zu verhängen, hat die moralische Pflicht, die zugrunde liegenden Regeln nachvollziehbar und plausibel zu begründen -- und diese Begründung darf kein Märchen sein, ansonsten wäre sie nicht plausibel.

Wenn man keine Begründung vorlegt, dann ist das vergleichbar mit einem Herrn, der aus heiterem Himmel seinen Hund prügelt, ohne dass der Hund begreifen könnte, warum das geschieht.

Daher lautet mein Fazit, dass eine Religion, die eine "höchste Autorität" und eine "Ordnung" behauptet, ohne dass sie jedermann sehen könnte, aus Prinzip nicht moralisch sein kann.

-----


Wo bleibt die versprochene Verallgemeinerung?

Die vorgebrachte Kritik lässt sich auf den individuellen Glauben ebenso anwenden wie auf jede allgemeine Definition. Egal, wie die Religion aussehen mag, treffen stets zwei Dinge zu:

Erstens: Sobald eine höchste Autorität und deren angeblich gewollte Ordnung behauptet wird, handelt es sich um eine Diktatur. Es ist zwangsläufig.

Zweitens: Ein solches Konstrukt, egal wie die Details aussehen mögen, und egal wie viele Engel und Scheinheilige präsentiert werden, kann niemals moralisch sein. Moral braucht Begründung, und Begründung erfordert Überprüfung.

Anstelle einer echten Moral wird in den einschlägigen Religionen eine Schein-Moral behauptet, die genauso willkürlich an den Haaren herbeigezogen wurde wie der ganze Rest, und die ebenfalls unbegründet ist. Diese Schein-Moral dient letztlich nur dazu, die angebliche Gottheit und ihre Priesterkaste mit Macht auszustatten und unangreifbar zu machen. Beispielsweise gilt es als unmoralisch, eine prüfbare Begründung für diese Moral zu verlangen.

Wieso kann es unmoralisch sein, die Legitimität einer Moral zu prüfen? Das macht überhaupt keinen Sinn. Wie kann überhaupt etwas legitim sein, wenn Legitimität nicht geprüft werden kann?

Gläubige Leser sind womöglich versucht, den letzten Satz einfach zu überlesen und schnell zum nächsten Punkt zu gehen. Aber im Grunde ist das nicht redlich. Redlich wäre, so lange bei dieser Frage zu verharren, bis sie plausibel und prüfbar beantwortet wurde. Bevor dieses Fundament nicht abgesichert ist, kann man keine Religion darauf aufbauen. Zwar will nicht jeder Gläubige eine Religion gründen, und insofern gilt diese Kritik den Institutionen und nicht den Privatpersonen. Aber in diesem letzten Abschnitt meines Postings geht es allgemein um jede Form von Religion, und daher auch um Institutionen. Eine Institution ist ihren Mitglieder eine gewisse Rechenschaft schuldig, zumindest betreffs ihrer eigenen Redlichkeit. Redlichkeit muss nachgewiesen werden können, wenn sie infrage gestellt wird.

Wer jedoch weder seine Moral noch seine Redlichkeit plausibel begründen kann, der muss sich leider die Frage gefallen lassen, welche Relevanz er seinen Thesen überhaupt geben kann. Ein Vertreter einer Religion müsste zuerst diese Fragen nach Moral und Redlichkeit klären, bevor er sinnvoll an einer Debatte teilnehmen könnte. Wer auf alle diese Fragen die Antwort schuldig bleibt, hat jedenfalls nicht das Recht, sich als Vordenker der westlichen Welt und als moralisch-geistige Instanz auszurufen.

Danke fürs Lesen (falls es überhaupt jemand bis hierhin geschafft hat)!

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