Die Allgemeinheit betreffend, scheint deine Geschichte frei erfunden. Das heißt nicht, das ich Einzefälle in Frage stelle - die gibt es natürlich. So wie es rechte Gruppierungen gibt, die gegen Ausländer hetzen. Das ist aber genauso eine Minderheit, wie die Köpfe in den Kirchen. Der ganz einfache gläubige Bürger, der Sonntags in der Kirche erscheint, ist selten feindlich gegenüber Geschiedenen oder Homosexuellen. Wenn Du anderes erlebst, dann suchst Du möglicherweise diese einzelnen Gruppierungen selbst auf.
Hältst Du die Ungleichbehandlung homosexuell orientierter Menschen durch die Kirchen wirklich für Einzelfälle?
Wenn ich an die Debatte um die Ehe für alle denke, schien mir die Kirche(n) einheitlich politisch aktiv zu sein. Es handelte sich nicht hier und da um einen besonders rückständigen Pfarrer, während die Mehrheit der Kleriker die Ehe für alle befürwortet hätte. Die Diskriminierungen haben aus meiner Sicht durchaus systemischen Charakter, und lassen sich nicht als Einzelfälle deuten.
Mir scheint das auch einer der Gründe zu sein, warum sich Angestellte der Kirchen in aller Regel nicht outen können, welche sexuelle Orientierung sie haben, da sie mit systematischen Diskriminierungen durch die Kirche zu rechnen haben. Ich betrachte das nicht als Einzelfälle.
FlyLive, für mich ergibt sich der Eindruck, dass wir hier einfach zu weit auseinanderliegen, als dass man es in angemessener Zeit diskutieren könnte, ohne den Thread zu sprengen (oder zu langweilen). Wenn Du der Meinung bist, dass sich die Diskriminierung in den letzen Jahrzehnten nur auf Einzelfälle bezog und ansonsten auf Einbildung beruht, dann nehme ich das zur Kenntnis.
Da es hier um Religionskritik und Kirchenkritik geht, sollte der Scheinwerfer vor allem die Täter (und nicht nur die Betroffenen) erfassen. Diskriminierung hat nämlich zwei Seiten: einerseits das Leid der Betroffenen, andererseits die Dummheit der Täter.
Beispiel: Es gibt doch eigentlich kaum noch vernünftige Leute in Deutschland, die Frauen ihre vollständige Gleichstellung verweigern wollen. Daher, wenn es dennoch jemand verweigern will, diskutiert doch niemand über Frauenrechte, sondern über die Doofheit desjenigen, der den dummen Vorschlag gemacht hat.
Warum sollen geschiedene Eheleute nicht wieder heiraten dürfen? Wer will hier überhaupt noch über Ehe- und Bürgerrechte debattieren? Man kann höchsten über Blödheit debattieren. Ebenso bei Paaren, die ohne Trauschein zusammenleben. Sich darüber aufzuregen ist kein Ausdruck großer moralischer Weisheit, sondern von Dummheit.
Es gibt durchaus eine Menge kniffliger ethischer oder moralischer Probleme, bei denen die Sachlage weniger eindeutig ist, und bei denen ich daher weniger scharf formulieren würde. Aber in alten ägyptischen Versen nachzuschlagen, ob jemand nach einer Scheidung wieder heiraten soll, ist dumm. Ich sage nicht, dass Christen nicht auch gute Ideen einbringen könnten, denn das könnten sie. Aber was der letzte gute Vorschlag zu diesen Themen, der von der kath. Kirche kam?
Daher: Anstatt eine womöglich weinerlich wirkende Debatte über das Leid der Diskriminierten zu führen, können wir auch über die Doofheit der Täter sprechen.
Unabhängig davon, ob jetzt homosexuell orientierte Menschen, Frauen, Geschiedene, Wiederverheiratete, Nichtverheiratete, Andersgläubige, Nichtgläubige, und so weiter diskriminiert werden:
Die Kirchen sehen sich dazu berechtigt, weil sie sich im Besitz eines privilegierten Wissens wähnen, welches sie vom Schöpfer des Universums empfangen hätten.
Unabhängig vom Gegenstand der Diskriminierung (Homosexuelle, Geschiedene etc.) ist die Ursache dieser Diskriminierung kritikwürdig, nämlich die Überzeugung, man habe Botschaften vom Schöpfer des Weltalls erhalten, und müsse sich daher weder rechtfertigen noch an einer gesellschaftlichen Debatte teilnehmen.
Es genügt in meinen Augen nicht, sich nur mit dem Gegenstand der Diskriminierung auseinanderzusetzen. Etwa indem man einräumt, "ja, okay, das mit den Homosexuellen sehe ich anders als der Papst, aber was will man machen", während man die Ursachen dieser Diskriminierung akzeptiert. Nämlich die Überzeugung, dass die eigenen Dünkel die Autorität von niemand geringerem hinter sich hätten, als den Schöpfer des Universums.
Interessant finde ich es, dass die Kirche einmal ein kleiner Haufen Rückständiger ist und dann wieder eine gewaltige Macht hat. Im ersten Fall, wenn mögliche positive Effekte zu sehen wären. Im zweiten, wenn es um Ausgrenzung und Diskriminierung geht.
2 Milliarden Christen weltweit, deren vorrangiges Ziel es ist, z.B. Frauen zu unterdrücken und Schwule auszugrenzen? Bzgl. der Frauen frage ich mich, warum die Kirche dann so viele weibliche Mitglieder hat und bei den Schwulen gehe ich mal wieder von einer gnadenlosen Selbstüberschätzung der Wichtigkeit ihrer selbst aus.
Wie bereits erwähnt, habe ich in einer kleinen bayerischen katholischen Gemeinde das komplette Programm mitgemacht. Zu besten Zeiten stand ich sonntags fahnenschwenkend hinter dem Pfarrer. Weder ist mir dort in der Gemeinde mit irgendeinem Wort eine Ausgrenzung bekannt geworden, noch in der Schule (ja genau: der schwule Roger, mein alter Kumpel, der mit seinem Mann in Müchen lebt, war bis zum Abi in Reli, wo der Pfarrer [ja der, hinter dem ich fahnenschwenkend stand und der gelegentlich mal in der Sakristei zu tief in den Weinkelch blickte] unterrichtete), noch bei irgendeiner Predigt, die ich seitdem hier in Stuttgart sporadisch genossen habe (betreut von einem Priester aus Afrika [hat die Kirche Afrikaner auch unterdrückt oder nicht?]). Ganz im Gegenzeil: es ging jeher um pip pip pip habt euch alle lieb, ...bis es mir zu den Ohren raushing.
Jetzt kann man berechtigt sagen (was ja auch regelmäßig gemacht wurde), dass an mir dummer Wurst und blindem Schäfchen das große Ganze, die große böse Politik, vorbeigerauschst ist und ich nichts blickte, da ich selbst nicht diskriminiert wurde. Mag sein! Dem werfe ich aber erneut entgegen, dass die Kirche nur innerhalb ihrer selbst agiert und alles, was z.B. strafrechtliche Konsequenzen hätte (Verfolgung, Todestrafe etc.) ablehnt. Über allem steht, wie ich kürzlich bei meinem laienhaften Exkurs in die Verfassung erläutert habe, unsere Verfassung. Sie ist ein bunter Strauss und eben kein einseitiger Einheitsbrei. Zum Glück ist für jeden etwas dabei
Hältst Du die Ungleichbehandlung homosexuell orientierter Menschen durch die Kirchen wirklich für Einzelfälle?
Ich halte die Kirchenvertreter für eine kleine Gruppierung in der Gesellschaft. Ebenso sehe ich Homosexuelle als eine kleine Gruppe in der Gesellschaft.
Dass eine Gruppe mit der anderen nichts anfangen kann, ist keine Seltenheit in unserer Gesellschaft.
Natürlich kann man Gruppen für eine Haltung kritisieren. Solange im Rahmen des Gesetzes agiert wird, ist eine negative Haltung zwar ärgerlich für einige Betroffene, aber für den Rest der Gesellschaft eher kaum ein Problem.
Wie gesagt, ich glaube man kann der Kirche gut aus dem Weg gehen, wenn man sich nicht angenommenen fühlt.
Es ist für mich immer noch vergleichbar, wenn ich als Vegetarier in der Metzgerei stehe und mich empöre, das dort Tiere zu Brotaufstrich verarbeitet wurden.
Ich kann mich darüber berechtigterweise empören, aber ich kann den Laden auch einfach meiden, da es dort nichts für mich gibt, außer meine Empörung.
Musstest du und dein Umfeld denn ernsthafte Diskriminierung durch die Kirchenvertreter erfahren ?
Wie sah das genau aus ?
Ist es nicht ehrenwerter, sich für andere zu engagieren, statt für sich selbst?
Selbstverständlich ist Mitgefühl und Hilfsbereitschaft eine wichtige Aufgabe.
Inwieweit lässt sich Hilfsbereitschaft und Mitgefühl aber von jemandem fordern, der einen zum xten Mal an die Hand nimmt und mich aus dem Schussfeld nimmt ?
Ich habe nie gehört, das die Kirchenvertreter einem z.B. Geschiedenen nachstellen, der sich nicht in ihrem Umfeld bewegt.
Es spielt doch überhaupt keine Rolle, wie groß eine Gruppe ist.
Hingegen spielt es eine Rolle, wie groß der Einfluss dieser Gruppe ist. Der Einfluss der Kirchen auf die Gesellschaft ist sehr groß.
Das kann man am Beispiel der Homosexuellen-Diskriminierung ablesen, weil nämlich die Gesellschaft über sehr lange Zeit von der Position der Kirchen beeinflusst war und diese Position mehr oder weniger vollständig übernommen hatte. Erst als die Gesellschaft eine Skepsis oder Gleichgültigkeit gegenüber den Kirchen ingesamt ausformte, ging auch die Diskriminierung zurück. Nicht zurück ging die Diskriminierung in jenen Teilen der Bevölkerung, der diese Säkularisierung verschlafen hat. Es hängt direkt miteinander zusammen -- was man übrigens auch an den Positionen hier im Thread erkennt.
Noch ein Beispiel für den überproportionalen Einfluss religiöser Gruppen. Eine Minderheit religiöser CDU/CSU-Abgeordneter hat die gesetzliche Gleichstellung über Jahrzehnte durch taktische Winkelzüge verhindert, obwohl es seit Jahrzehnten eine Mehrheit dafür im Parlament gab. Das zeigt, dass der Einfluss dieser Gruppen größer ist, als es ihnen zusteht.
Man kann es auch am Rundfunkrat sehen. Es gibt über 1.000 religiöse Ausstrahlungen pro Monat. Wieviele atheistische oder religionskritische Ausstrahlungen gibt es? Im massenwirksamen TV überhaupt keine. In Radioprogrammen vielleicht mal eine vage Andeutung, aber dann auch nur in Nischenprogrammen wie der Deutschen Welle.
Selbstgerechtigkeit ist ein zentraler Bestandteil religiösen Denkens (denn man hat noch nie einen Gläubigen gefunden, dessen Gott anderer Meinung war als er selbst). Deswegen sind Diskussionen zwecklos, die zuerst eine kritische Selbstreflektion erfordern würden. Beispielsweise, dass sich ein Gläubiger selbstkritisch fragt: "Moment, verursacht meine Haltung etwa Leid für andere?" oder "Moment, ist das wirklich gerecht?". Solche Bedenken mögen zwar kurz aufblitzen, werden aber meist schnell beiseite gewischt.