dann kann Jörn mit diesen Regeln den heutigen Einflusss der Kirchen und den Verlauf der Kirchengeschichte erklären so (leicht) wie er den Zusammehang der RTL-II-Quote und der Intelligenz der Zuschauer regelhaft mit Darwinś Gesetzen begründete? Mich würde eine solche Erklärung des heutigen Einflusses der Kirche und der Kirchengeschichte interessieren.
Nein, denn wir sprechen hier ja von Modellen. Man muss diese konkreten Fragen (RTL II) auf eine abstraktere Ebene hieven. Das weißt Du ja auch.
Die Frage ist, auf welche Weise sich bestimmte kulturelle Dinge gegen konkurrierende kulturelle Dinge durchsetzen. Das geschieht ja aufgrund von Ursachen.
Ein mögliches Modell der Beschreibung besteht darin, hier ähnliche Mechanismen zu sehen, wie bei jeder anderen Evolution auch: Es existieren zahlreiche Varianten, von denen sich ganz bestimmte Varianten durchsetzen, und sich in ihrer jeweiligen kulturellen Umgebung behaupten.
Du sagst, das Patriarchat und dessen Aufweichung durch die Gleichberechtigung sei aufgrund von Besitzverhältnissen, Produktionsmitteln etc. entstanden. Dasselbe kann man mit dem Modell der Evolution ausdrücken: Das Patriarchat setzte sich gegen konkurrierende soziale Formen durch, weil die Umweltbedingungen dies begünstigten. Mit Umwelt ist die kulturelle Umwelt gemeint, etwa die Besitzverhältnisse.
Diese Umweltbedingungen unterliegen einem Wandel. Der Feminismus konnte sich entwickeln, als die Umweltbedingungen dafür gegeben waren. Erst dann setze er sich gegen einen Pool konkurrierender Ideen durch.
Ich sehe da zwischen diesen unterschiedlichen Modellen zur Beschreibung keinen grundsätzlichen Widerspruch.
Mein flapsiges Beispiel mit RTL2 hatte mit Humor zu tun, deswegen lohnt es nicht, sich in weiteren Details zu verlieren. Was ich sagen wollte war, dass es keineswegs bewiesen ist, dass alle Menschen eine tiefe Senhsucht nach Transzendenz haben, denn sehr viele Menschen sind völlig zufrieden damit, RTL2 zu sehen und sich auf dem Oktoberfest zu betrinken. Wenn das zutrifft, dann kann man nicht mehr behaupten, die Sehnsucht danach wäre universell in jedem Menschen zu finden.
Ich kann von mir persönlich sagen, dass ich kein Bedürfnis nach Transzendenz habe, und dass ich mir angesichts des riesigen Kosmos und der enormen Zeitdimensionen auch etwas albern vorkäme, über mein läppisches Verhältnis zur Transzendenz nachzugrübeln. Ich bin völlig unbedeutend, und dann ist es meine Transzendenz vermutlich ebenso.
Jene Dinge, die tatsächlich universell in jedem Menschen zu finden sind, sind einfacher und haben auch einfachere Gründe. Arne hat versucht, es auf unsere evolutionsbiologische Geschichte zurückzuführen, was ich sehr überzeugend finde.
Das RTL2-Beispiel hab ich schon so verstanden ... es hat mir gut gefallen - daher auch meine sprachverspielte erste Antwort darauf
Und das mit dem Bedürfnis nach Transzendenz ist auch so eine Sache: du hast kein Bedürfnis danach - okay. Du argumentierst ganz rational, warum Du eigentlich ganz unbedeutend bist. Das ist aus der Perspektive des Universums ganz sicher richtig. Glaube ich zumindest. Ich halte mich übrigens auch nicht für den Mittelpunkt des Universums.
Allerdings lebe ich mein Leben nicht nur aus der Perspektive des Universums, sondern auch aus der Perspektive eines unbedeutenden Menschleins, das nichts anderes hat, als eben dieses eine völlig unbedeutende Leben. Es mag unbedeutend sein und es mag aus Sicht des Universums sinnlos sein. Aber es ist meines!
Ich lebe mein Leben auch nicht nur als Minimal-Beitrag zur Evolution. Aus der Perspektive der Evolution brauche ich gar nicht mehr zu leben. Ich habe zwei Kinder gezeugt und (fast) großgezogen - Aufgabe erfüllt.
Trotzdem lebe ich gerne - wie kann das sein? Wo ich doch weiß, dass mein Leben unbedeutend und sinnlos ist? Wie kann das sein? Ich weiß es nicht! Wie kann das sein?
Und während ich mir diese Frage stelle und keine Chance sehe eine Antwort zu finden, habe ich das Gefühl ich beginne zu transpirieren ... OMG hätte ich jetzt fast geschrieben ... ich beginne zu transpirieren ... wie lange noch ... wird es dauern ... bis ich beginne ... zu transzendentieren ...
Ich lebe mein Leben auch nicht nur als Minimal-Beitrag zur Evolution. Aus der Perspektive der Evolution brauche ich gar nicht mehr zu leben. Ich habe zwei Kinder gezeugt und (fast) großgezogen - Aufgabe erfüllt.
Du könntest noch mehr Kinder zeugen. Das ist auch dem älteren Mann ja gegönnt.
Nein, denn wir sprechen hier ja von Modellen. Man muss diese konkreten Fragen (RTL II) auf eine abstraktere Ebene hieven. Das weißt Du ja auch.
je abstrakter, allgemeiner ein Modell ist, z.B. die für die Def. von Lebewesen, das natürlich für alle Organismen gilt, desto weniger konkret beschreibt es die Regeln, Gesetze, die für eine Art von Lebewesen gelten, wie z.B. die der Menschen. Das wäre meine Kritik an der allgemeinen Anwendung der Darwinschen Gesetze auf die menschliche Entwicklung.
Zitat:
Zitat von Klugschnacker
Die Frage ist, auf welche Weise sich bestimmte kulturelle Dinge gegen konkurrierende kulturelle Dinge durchsetzen. Das geschieht ja aufgrund von Ursachen.
Ein mögliches Modell der Beschreibung besteht darin, hier ähnliche Mechanismen zu sehen, wie bei jeder anderen Evolution auch: Es existieren zahlreiche Varianten, von denen sich ganz bestimmte Varianten durchsetzen, und sich in ihrer jeweiligen kulturellen Umgebung behaupten.
Du sagst, das Patriarchat und dessen Aufweichung durch die Gleichberechtigung sei aufgrund von Besitzverhältnissen, Produktionsmitteln etc. entstanden. Dasselbe kann man mit dem Modell der Evolution ausdrücken: Das Patriarchat setzte sich gegen konkurrierende soziale Formen durch, weil die Umweltbedingungen dies begünstigten. Mit Umwelt ist die kulturelle Umwelt gemeint, etwa die Besitzverhältnisse.
Diese Umweltbedingungen unterliegen einem Wandel. Der Feminismus konnte sich entwickeln, als die Umweltbedingungen dafür gegeben waren. Erst dann setze er sich gegen einen Pool konkurrierender Ideen durch.
Ich sehe da zwischen diesen unterschiedlichen Modellen zur Beschreibung keinen grundsätzlichen Widerspruch.
In meinem Modell sind die beherrschenden Eigentumsverhältnisse bzw. Besitzverhältnisse des Produktionsprozesses jeweils konstitutiv für die kulturelle Umwelt. Sie bestimmen diese. Man betrachtet die sozialen Verhältnisse als Ganze und ihre gesetzmässigen inneren Zusammenhänge und stellt sich nicht die Gesellschaft als blosse Menge von Individuen vor, die bestimmten Umweltbedingungen wie z.B. Besitzverhältnissen quasi gegenüberstehen. Dieses Denken (Individuum-Umwelt) entsteht selbst aus der Entfremdung der Lebensverhältnisse. Man bringt einige Faktoren an der Oberfläche in Zusammenhang, um sich Veränderungen zu erklären, und kann auf ähnliche Ergebnisse wie bei meinem Ansatz kommen.
Ich möchte gerne meine Eingangsfrage wiederholen:
Wie erklärt sich nach Jörn's Modell und den Gesetzen Darwin's, dass man auf der Welt mehr Religionsgläubige zählt als Atheisten? Folgt aus diesem Modell von Jörn, wendet man es auf Kirchen und Religion an, dass Kirche und Religion einen evolutionären Vorteil gegenüber Atheisten haben?
Wie erklärt sich nach Jörn's Modell und den Gesetzen Darwin's, dass heute es auf der Welt mehr Religionsgläubige gibt als Atheisten? Worin besteht der evolutionäre Vorteil von Religion?
Der evolutionäre Vorteil für wen? Die Menschen?
Das wäre ein Missverständnis. Die Evolution der Religion vollzieht sich zugunsten der Religion selbst. Nicht zugunsten der Menschen.
Ich habe seit meinem letzten Post bis hierher mitgelesen, hatte aber nicht den Eindruck etwas weiteres Beitragen zu können. Weil hier aber viele Aussagen getroffen wurden, die ich als philosophische Prinzipien, Strömungen und Konzepte denke erkannt zu haben, möchte ich an der Stelle doch noch versuchen etwas beizutragen. Wahrscheinlich bin ich etwas spät dran mit meinem Beitrag - ich kann aber nicht so schnell denken wie ihr postet; sorry Ausserdem habe ich dann ab und zu auch noch mords Pech beim denken und muss von vorne anfangen
In der Diskussion wurde z.B. darauf hingewiesen das es nicht bewiesen sei, dass es keinen Gott gibt. Die Hypothese, deren beweis gefordert wird ist also "Es gibt keinen Gott". Solche Sätze sind im Sinne der Erkenntnistheorie sogenannte "Es-gib-nicht" Sätze, die inhaltlich äquivalent zu sog. "All-Sätzen" sind. Allsätze sind universell und allgemein gültige Sätze, die immer und unter allen Umständen gelten. Die wesentliche Eigenschaft eines Allsatzes ist, dass er nicht verifizierbar ist, sehr wohl aber falsifizierbar. Warum das so ist liegt auf der Hand: Wie soll man beweisen, dass es etwas nicht gibt? Man wird immer dem Vorwurf ausgesetzt sein, dass man nicht gründlich genug gesucht hat. Freilich kann man solche Hypothesen leicht falsifizieren, man müsste nur einen Gott finden um das zu tun.
Da solch ein Satz aber nicht zu verifizieren ist, ist die Aussage "Es ist nicht bewiesen, dass es keinen Gott gibt." eine Tautologie, d.h. die Aussage ist immer wahr und kann nie und zu keinen Umständen falsch werden, also auch nicht zu falsifizieren (Anm: Die Aussage würde dann falsch sein, wenn bewiesen wäre, dass es keinen Gott gibt. Das geht aber wegen des oben Gesagten nicht). Wenn sie aber nicht zu falsifizieren ist, ist sie sicher nicht geeignet in einer Debatte, die einer empirischen Logik folgt verwendet zu werden, denn Aussagen der Empirik müssen immer "an der Erfahrung scheitern können". Im Endeffekt ist es (also die Behauptung "Es ist nicht beweisen ...") umgangssprachlich ein Totschlagargument und wo es gebracht wird, wächst kein Gras mehr, wenn auch noch soviel im Anschluß zum Thema geredet wird. Mit vielen (wenn nicht sogar mit allen) mir bekannten Aussagen zum Thema "Existenz/Nicht-Existenz" Gottes verhält es sich so.
Was Arne in seinem letzten langen Beitrag geschrieben hat ist Ausdruck einer philosophische Strömung, die es seit dem Mittelalter gibt und im deutschen Idealismus bei Kant seinen Höhepunkt erreicht hat (Kritik der reinen Vernunft; kann man lesen, die Sprache ist etwas schwierig, sonst geht's aber). Es geht dabei u.a. darum, dass die Philosophie erkannt hat dass es die Welt "für sich" nicht gibt, sondern dass wir nur das wahrnehmen, was unser Bewußtsein uns vorgibt was die Welt ist. Wir nehmen die Welt also nicht "für sich" wahr, sondern nur "für uns". Nur die Anschauung eines Dinges ist unserer Erkenntnis also zugänglich, nicht das Ding selbst. An der Stelle hat sich die Kirche auch selbst im Mittelalter irgendwie ins Bein geschossen (viele Philosophen waren auch Theologen), denn ab dem Moment ab dem die philosophischen Erkenntnis im Mittelalter aufkam, war eigentlich klar, dass der Mensch einen "Gott an sich" gar nicht erkennen kann (selbst wenn es ihn gäbe) sondern das Gott nur "für mich" - also im Bewußtsein der Menschen, ja des einzelnen Menschen existiert. Damit war das Dogma Gott eigentlich schon tot.
Als Mensch (Naturwissenschaftler, Mathematiker, Philosoph, ..) der die "absolute Wahrheit" sucht, hat man nun zwei Möglichkeiten: Entweder man lehnt sich entspannt zurück, lächelt und akzeptiert das unsere Fähigkeit zur objektiven Erkenntnis begrenzt bis hin zu nicht vorhanden ist. Oder man wird zum Zyniker - das geht auch. Meine Haltung ist eher die Erste. Denn: Wenn man diesen "Subjektivismus" (es gibt keine Realität "für sich" sondern nur eine "für mich") mal versucht in seienr Praxistauglichkeit zu betrachten, kommt man schnell drauf, dass der nix taugt, denn ich kann jeden Versuch irgendwas zu erklären, sofort damit zertrampeln, dass ich sage: Das ist ja subjektiv und keine objektive Wahrheit. Wenn ich einem Physiker das sage was Leibnitz schon gesagt hat, nämlich das es keinen Raum und und keine Zeit gibt, sondern Raum und Zeit sind nur Anschauungskategorien, dann wird dieser Menschen wahrscheinlich strinrunzeln und Diskussionsbedarf haben. Natürlich ist das aber trotzdem nicht falsch, man muss halt eine zusätzlich Sicht einnehmen um das zu akzeptieren.
Warum erzähle ich das? Zum einen weil hier doch ab und an was diskutiert wird - zum Teil auch mit einer gewissen Hilflosigkeit - was schon längst völlig durchgedacht wurde. Zum anderen, weil ich denke, es hilft den Menschen überhaupt nicht wenn sich Philosophen oder auch Naturwissenschaftler oder wer auch immer hinstellen und den anderen versuchen zu verargumentieren, was sie sich den alles vormachen und einbilden. Das ist m. E. zwecklos es sei denn man strebt den "Ich-hab-recht-und-du-nicht-weil-du-eher-aufgibst-als-ich" Orden an.
In der bisherigen Diskussion hat es aus meiner Sicht einige Punkte gegeben, die richtig Klasse waren:
1) Religion/Kirche/Glauben hat durch Taten der Gläubigen viel Leid über die Menschen gebracht und tut das noch immer
2) Wissen ist vorhanden, Glaube ist in dem Kontext nicht zwingend nötig
Ich denke darüber hinaus, dass man sich recht schnell darauf einigen kann, dass die Welt eine bessere wäre, wenn es dieses Leid nicht gäbe.
Meine Ansatz ist nun Folgender: Wenn trotz verfügbarem und zugänglichem Wissen heute immer noch durch Taten Gläubiger Leid über die Menschen gebracht wird, ja dann kann es doch nicht erfolgversprechend sein, diesen Leuten nochmal den empirisch/wissenschaftlichen Zeigefinger hinzuhalten. Wie realistisch ist es, demjenigen, der in den Dschihad zieht durch empirisch/wissenschftliche Argumentation davon zu überzeugen das Ahlla nicht existiert und er einem Fake aufgessesen ist? Wie realistisch ist es, durch ebensolche Methoden den Pabst davon zu überzeugen, dass seine Sichtweise auf Fake beruht/Fake ist?
Ich bin der Meinung, dass es in der heutigen Zeit wichtig ist, dass die freiheitlichen, demokratischen, rechtsstaatlichen oder sonstwas Gesellschaften/gesellschaftlichen Gruppen mit denen die das nicht sind in Dialog treten und dort auch bleiben. Es sollte m.E. aber kein Dialog gegen Überzeugungen sein - der wird in einer Frontenbildung und weiter in offener Konfrontation enden und Verlierer erzeugen. Das gilt für den Dialog zwischen Gläubigen und Kirchenvertretern mit deren Gegenern genauso, wie für den Dialog zwischen den Kulturen. Ein Dialog sollte gesellschaftlich und politisch auf kleine Dinge abzielen, so dass die Dinge auf der Welt Schritt für Schritt besser werden. Bei vielen Dingen fragt man sich da aber: "Wie soll das konkret gehen? Wie sieht das konkret aus - ich bin kein Politiker oder Diplomat". Ganz ehrlich: Ich denke das ist fallbezogen. Deshalb sollte man vielleicht zwischen Gläubigen und nichtgläubigen einen Dialog über ein gaaaaaanz konkretes Problem und einer Lösung dazu führen. Ich halte das für viel zweckmäßiger als zu versuchen dem Pabst auszureden, dass es einen Gott gibt.
Folgt aus diesem Modell von Jörn, wendet man es auf Kirchen und Religion an, dass Kirche und Reilgion einen evolutionären Vorteil gegenüber Atheisten haben?
Du müsstest fragen, ob Gläubige einen evolutionären Vorteil gegenüber Nichtgläubigen haben. Meinest Du das? (Man kann nicht Kirchen, Religionen und Atheisten miteinander vergleichen.)
Das wäre ein Missverständnis. Die Evolution der Religion vollzieht sich zugunsten der Religion selbst. Nicht zugunsten der Menschen.
Also dieses Modell würde die allgmeinen Regeln der Evolution nur auf die Religion anwenden? Und nicht allgemein auf alle Menschen, incl. der Atheisten. Okay, dann habe ich das missverstanden.
Ich verstehe aber theoretisch nicht, wie man von Darwin übernommene Evolutionsregeln auf ein Feld, also Religion, eingrenzen kann. Es ging doch bei Darwin gerade um die Entstehung der Arten, also die Arten, betrachtet in der Gesamtheit.