Der 100% Christ sagt: Gott.
Von dir erwarte ich: niemand.
Verstehe ich nicht. Warum wurden nichtglaubende Menschen von niemandem gemacht? Meine Existenz hat Ursachen, die innerhalb dieser Welt liegen. Zunächst wären da meine Eltern und deren Eltern und so weiter.
Die Evolution hat niemand gemacht, sondern sie ergab sich zwangsläufig. Auf der untersten Ebene, lange bevor es Leben gab, war Evolution einfach der Fortbestand des Stabilen und der Untergang des Instabilen: Manche Moleküle waren beständiger als andere und reicherten sich dadurch an. Sie reagierten miteinander, und wieder überlebten die stabileren Verbindungen mehr als die instabilen. So kam ein Prozess in Gang, bei dem immer stabilere, beständigere und damit komplexere Verbindungen auftauchten. So ging es immer weiter.
Wenn die Aussage aber ist: "Ich glaube daran, dass das Universum durch irgendeine höhere Macht entstanden ist und diese Macht nenne ich Gott." geht diese Argumentation nicht ehr auf. du kannst diesen Glauben allenfalls als irrational bezeichnen (was du auch wiederholt auf eine in der Wortwahl grenzwertige Weise tust), aber du kannst in nicht 100% widerlegen.
Hallo Matthias75, Du schreibst, dass der reale Glaube ganz anders ist als es die Kirchen offiziell festlegen, und dass die Argumente der Atheisten dadurch ins Leere laufen. Das ist ein Standard-Argument, und ich habe schon öfter darauf geantwortet.
Bevor ich darauf eingehe, möchte die These aufstellen, dass sich hinter diesem „realen Glauben“ eine Immunisierungsstrategie verbirgt. Es ist ein Sich-Wegducken vor den Treffern, den das Bombardement der Aufklärung bereits erzielt hat. Nur deswegen glauben manche Gläubige nicht mehr daran, dass jemand übers Wasser lief. Diese Erkenntnis ist keineswegs das Ergebnis einer „fortschrittlichen Theologie“, sondern die Wissenschaft hat der Theologie die Grenzen aufgezwungen, bis der Theologie keine Wahl blieb, als sie zur Kenntnis zu nehmen.
Aber anstatt einzugestehen, dass die Theologie falsch lag (und die Wissenschaft richtig lag), wird nun so getan, als hätte man es mit einer neuen, modernen, und fortschrittlichen Theologie zu tun, die in der Lage sei, die Wahrheit zutreffend zu erkennen. Das ist falsch, und man kann es leicht demonstrieren. Die „moderne“ Gläubigkeit ist in ihrer Begründung ebenso falsch wie der Glaube der Ägypter.
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Du sagst, folgende Aussage sei erstens modern und zweitens unwiderlegbar: "Ich glaube daran, dass das Universum durch irgendeine höhere Macht entstanden ist und diese Macht nenne ich Gott."
Diese Idee, Gott allein durch eine Definition festzulegen, ist nicht neu. Sie stammt von Thomas von Aquin (ca. 1400) und wurde seitdem komplett widerlegt.
Erstens: Die Aussage hat gar keinen Inhalt. Irgendwas (eine Macht) hat etwas geschaffen. Tja, was soll man da sagen? Es wird wohl stimmen. Es ist ja absichtlich so formuliert, dass man nur zustimmen kann. Man kann ja Namen verteilen, wie man möchte.
Wo taucht Gott auf? Er taucht überhaupt nicht auf. Er wird lediglich im zweiten Teil der Behauptung nachträglich angestückelt: Irgendwas hat irgendwas geschaffen; anschließend nennt man dieses „Irgendwas“ nicht „Thomas“ oder „X24“, sondern „Gott“. Egal was es ist, wir nennen es einfach „Gott“. Es ist eine reine Definitionssache und damit reine Willkür.
Zweitens: Sobald man der Formulierung einen konkreten Inhalt gibt, wird es überprüfbar, und dann fliegt der Schwindel auf. Beispiel: "Dieses Etwas hat die Erde geschaffen". Das ist überprüfbar falsch. Oder: "Dieses Etwas erfüllt unsere Gebete" — ebenso überprüfbar falsch. Oder: "Nur übersinnliche Fähigkeiten können Materie erzeugen" — wieder falsch. „Um aus Nichts etwas zu schaffen, benötigt man Magie“ — falsch.
Drittens: Die Erklärung vom "Gott als Ur-Grund und Ur-Energie" erklärt nichts. Wer schuf diese Ur-Energie? Wer gab "Gott" seine Fähigkeiten? Was gab es davor? All diese Fragen bleiben genauso unbeantwortet wie zuvor. Es ist eine Schein-Antwort, die nichts beantwortet. Gerade jene Phänomene, die sie vorgibt zu beantworten, lässt sie unbeantwortet.
Ebenso wird ständig auf das Gottesbild der Kirche verwiesen ("Wie kann ein gütiger Gott das ganze Leid zulassen?")
die Gesamte Argumentation baut auf dem 100% Wahrheitsanspruch der Bibel auf.
Das ist in Hinblick auf die im hier ersten zitierten Satz angesprochene Theodizee nicht richtig. Hier handelt es sich um ein anderes Argument. Die Frage lässt scih nicht aus der Welt schaffen, indem man anmerkt, es stimme halt nicht alles, was in der Bibel steht.
Zitat:
Zitat von Matthias75
... du kannst diesen Glauben .. nicht 100% widerlegen. du kannst allenfalls sagen, dass mit den derzeitigen Mitteln der Wissenschaft keine Beweise für diesen Glauben zu finden sind. Da ein solcher Glaube sich aber auch mit den Mitteln der Wissenschaft nicht 100% widerlegen lässt, wäre die Diskussion an dem Punkt zu Ende.
Ich habe den Eindruck, dass niemand den Glauben widerlegen wollte, sondern es ging um Glaubensinhalte, welche sich vielfältig widerlegen lassen. Dass Menschen trotzdem glauben, ist ja offensichtlich und nach meinem Verständnis auch nicht bestritten.
Versehe ich Dich richtig, dass Du für eine spezielle Version des Christentums argumentierst, und Dich ärgerst, dass wir über eine andere Version diskutieren?
Mir fehlt zum besseren Verständnis noch das Argument, warum die private Version Deiner Bekannten oder Dir selbst ein größeres Gewicht oder einen höheren Wahrheitsanspruch als die offizielle Version, oder eine der paartausend anderen privaten Versionen hätte.
Andersrum wird ein Schuh draus: Du greifst permanant einen Art des Christentums an, die hier niemand verteidigt und der in der Welt da draussen auch von niemanden den ich kenne so gelebt wird. Oder kennst du jemand, außer dem Papst, der den Wahrheitsanspruch an die Bibel hat, von dem ausgehend du hier argumentierst?
Mich ärgert allenfalls die Argumentationsführung, die unter dem Deckmantel der Logik, Wahrheit oder Wissenschaft immer wieder die gleichen Argumente ausführt oder versucht, die Diskussion auf diese umzudeuten. Nur mal so zum Thema umdeuten: Ich habe nicht gesagt, welche Glaubensform ich bevorzuge oder welcher Form meiner Meinung nach einen höheren Wahrheitsanspruch hat. (Und schon sind wir wieder unnötigerweise beim Wahrheitsbegriff). Das hast du in meine Aussage hineininterpretiert. Ich habe lediglich darauf hingewiesen, dass die Form des Christentums, die du konsequent angreifst, scheinbar in der realen Welt kaum eine Rolle spielt.
Vielmehr scheinst es dich zu ärgern, wenn selbst kirchliche Würdenträger von der Meinung des Papstes abweichen und eine "weichgespültere" Form des christliche Glaubens vertreten, gegen die schwerer zu argmentieren ist. Die werden dann lieber in die argumentative Zwickmühle getrieben, dass sie ihre Meinung gegen die offizielle Lehre der Kirche verstößt. Sie werden also entweder dafür kritisiert, dass sie den offiziellen "Blödsinn" vertreten oder dafür, dass sie es nicht tun.
Du schreibst zwar widerholt, dass du jedem seinen Glauben lassen willst, scheinbar scheint dich aber doch jede Form von (organisiertem) Glauben zu stören.
Jörn, vielleicht müsstest Du noch klarstellen, dass Du mit Begriffen wie "Schwindel" oder "Winkelzüge" nicht Matthias75 persönlich meinst, sondern nur das Argument angreifst. Sonst wird man Dich vielleicht missverstehen.
Mit „Schwindel“ und „Winkelzüge“ meine ich nicht Matthias. Er hat die Gottesdefinition ja auch nur zitiert, insofern nehme ich an, dass er meine Kritik daran nicht auf sich persönlich bezieht.
Meine Kritik gilt in sehr milder Form den Gläubigen, und in scharfer Form den offiziellen Vertretern der Religionen (jenen, die sie verbreiten und benutzen). Den Mächtigen fällt kein Zacken aus der Krone, wenn ich sie kritisiere.
Ich habe lediglich darauf hingewiesen, dass die Form des Christentums, die du konsequent angreifst, scheinbar in der realen Welt kaum eine Rolle spielt.
Das sehe ich anders. Die Kirche hat Einfluss auf unsere reale Welt. Vor allem wegen dieses Einflusses greife ich sie an. Sie diskriminiert im großen Stil Menschen und mischt sich in deren Leben ein. Etwa, wer wen heiraten darf, ob die Scheidung einer gescheiterten Ehe rechtens sei, wer in Krankenhäusern, Kindergärten und Altenheimen arbeiten darf, und welcher Gesinnung er oder sie zu sein hätte, ob wir sonntags offline einkaufen dürfen. Und so weiter.
Gerade die offizielle Kirche spielt in der realen Welt eine Rolle. Die davon abweichenden Versionen des Christentums, welche für Dich die eigentlichen Versionen zu sein scheinen, spielen dagegen keine große Rolle. Spielt es in unserer Gesellschaft eine konkrete Rolle, ob eine übernatürliche Macht das Universum geschaffen hat? Ich denke nicht. Das ist natürlich nur meine persönliche Wahrnehmung, die auch falsch sein kann.
Zitat:
Zitat von Matthias75
Du schreibst zwar widerholt, dass du jedem seinen Glauben lassen willst, scheinbar scheint dich aber doch jede Form von (organisiertem) Glauben zu stören.
Ja, sofern der organisierte Glaube Macht über Andersdenkende bekommt. Dann ist er für meine Begriffe, die niemand teilen muss, nicht mehr ausschließlich privat. Wer über andere bestimmen will, muss sich legitimieren. Bloßer Glaube und geoffenbartes Wissen reichen dafür nicht aus, finde ich. Deswegen müssen sich religiöse Organisationen durchaus Fragen gefallen lassen.
Zitat:
Zitat von Matthias75
Vielmehr scheinst es dich zu ärgern, wenn selbst kirchliche Würdenträger von der Meinung des Papstes abweichen und eine "weichgespültere" Form des christliche Glaubens vertreten, gegen die schwerer zu argmentieren ist. Die werden dann lieber in die argumentative Zwickmühle getrieben, dass sie ihre Meinung gegen die offizielle Lehre der Kirche verstößt. Sie werden also entweder dafür kritisiert, dass sie den offiziellen "Blödsinn" vertreten oder dafür, dass sie es nicht tun.
Da weiß ich jetzt nicht, was Du damit konkret meinst. Gibt es ein Beispiel dafür, wo ich einen Geistlichen dafür kritisiert hätte, dass er nicht die offizielle Lehrmeinung vertritt?
Hallo Christian, Du schreibst, dass der reale Glaube ganz anders ist als es die Kirchen offiziell festlegen, und dass die Argumente der Atheisten dadurch ins Leere laufen. Das ist ein Standard-Argument, und ich habe schon öfter darauf geantwortet.
Bevor ich darauf eingehe, möchte die These aufstellen, dass sich hinter diesem „realen Glauben“ eine Immunisierungsstrategie verbirgt. Es ist ein Sich-Wegducken vor den Treffern, den das Bombardement der Aufklärung bereits erzielt hat. Nur deswegen glauben manche Gläubige nicht mehr daran, dass jemand übers Wasser lief. Diese Erkenntnis ist keineswegs das Ergebnis einer „fortschrittlichen Theologie“, sondern die Wissenschaft hat der Theologie die Grenzen aufgezwungen, bis der Theologie keine Wahl blieb, als sie zur Kenntnis zu nehmen.
Aber anstatt einzugestehen, dass die Theologie falsch lag (und die Wissenschaft richtig lag), wird nun so getan, als hätte man es mit einer neuen, modernen, und fortschrittlichen Theologie zu tun, die in der Lage sei, die Wahrheit zutreffend zu erkennen. Das ist falsch, und man kann es leicht demonstrieren. Die „moderne“ Gläubigkeit ist in ihrer Begründung ebenso falsch wie der Glaube der Ägypter.
Du hast meine Ausführungen zum Thema Wahrheit aber schon gelesen und verstanden?
Zitat:
Zitat von Jörn
Du sagst, folgende Aussage sei erstens modern und zweitens unwiderlegbar: "Ich glaube daran, dass das Universum durch irgendeine höhere Macht entstanden ist und diese Macht nenne ich Gott.":
Die ständige Umdeuterei anderer Aussagen wird anstrengend. Ich habe weder gesagt, dass diese Aussage "modern" ist, noch, dass sie vollständig unwiderlegbar ist. Ich habe lediglich geschrieben, dass die Standardargumentation ausgehend vom absoluten Wahrheitsanspruch der Bibel nicht mehr greift.
Zitat:
Zitat von Jörn
Diese Idee, Gott allein durch eine Definition festzulegen, ist nicht neu. Sie stammt von Thomas von Aquin (ca. 1400) und wurde seitdem komplett widerlegt.
Erstens: Die Aussage hat gar keinen Inhalt. Irgendwas (eine Macht) hat etwas geschaffen. Tja, was soll man da sagen? Es wird wohl stimmen. Es ist ja absichtlich so formuliert, dass man nur zustimmen kann. Man kann ja Namen verteilen, wie man möchte.
Sie hat keinen - widerlegbaren - Inhalt.
Zitat:
Zitat von Jörn
Wo taucht Gott auf? Er taucht überhaupt nicht auf. Er wird lediglich im zweiten Teil der Behauptung nachträglich angestückelt: Irgendwas hat irgendwas geschaffen; anschließend nennt man dieses „Irgendwas“ nicht „Thomas“ oder „X24“, sondern „Gott“. Egal was es ist, wir nennen es einfach „Gott“. Es ist eine reine Definitionssache und damit reine Willkür.
Wo ist das Problem, wenn jemand für sich dieses "irgendetwas" so nennt?
Zitat:
Zitat von Jörn
Zweitens: Sobald man der Formulierung einen konkreten Inhalt gibt, wird es überprüfbar, und dann fliegt der Schwindel auf. Beispiel: "Dieses Etwas hat die Erde geschaffen". Das ist überprüfbar falsch. Oder: "Dieses Etwas erfüllt unsere Gebete" — ebenso überprüfbar falsch. Oder: "Nur übersinnliche Fähigkeiten können Materie erzeugen" — wieder falsch. „Um aus Nichts etwas zu schaffen, benötigt man Magie“ — falsch.
Jetzt gibst DU der Aussage zusätzliche Inhalte, damit die Argumentation passt.
Zitat:
Zitat von Jörn
Drittens: Die Erklärung vom "Gott als Ur-Grund und Ur-Energie" erklärt nichts. Wer schuf diese Ur-Energie? Wer gab "Gott" seine Fähigkeiten? Was gab es davor? All diese Fragen bleiben genauso unbeantwortet wie zuvor. Es ist eine Schein-Antwort, die nichts beantwortet. Gerade jene Phänomene, die sie vorgibt zu beantworten, lässt sie unbeantwortet.
Die Wissenschaft hat ja auch noch keine für alle verständliche Antwort auf diese Fragen. Wenn sich jemand, aus welchem Grund auch immer, damit zufrieden gibt, wo ist das Problem für dich?
Es gibt für viele Bereiche im Leben, bei denen man sich irgendwann mit einem "Ist halt so" zufreiden geben muss. Sehe ich weniger als Ignoranz an.